Funktioniert Schule in Zeiten von Corona? Kein gutes Zeugnis stellte eine Expertin dem digitalen Lernen in Deutschland aus. Eine CDU-Politikerin bewog das zu einem ehrlichen Geständnis, während ein Lehrer-Lobbyist über den Kommentar eines Arztes schäumte.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Restaurants, Hotels und Supermärkte dürfen längst wieder öffnen, während die Schulen wegen der Corona-Pandemie nur eingeschränkt den Betrieb aufgenommen haben. Abstandsregeln, kleine Klassen, Reduzierung von Fächern und Stundenzahl.

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In der Krise wurde offensichtlich, dass die Bildungsstätten in Deutschland nicht mit der besten Ausstattung arbeiten und Lehrer mit digitalem Unterricht teilweise nicht vertraut sind.

Kann die Krise genutzt werden, um bessere Verhältnisse für die Schüler herzustellen? Das Thema bei Frank Plasberg: "Kinder und Eltern zuletzt: Scheitern Schulen an Corona?"

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Wer sind die Gäste?

Franziska Giffey (SPD): Die Bundesfamilienministerin findet, dass man "von Woche zu Woche anhand der aktuellen Lage vor Ort" entscheiden müsse, ob mehr Unterricht möglich ist – immer abhängig vom Infektionsgeschehen.

In der Krise sieht Giffey eine "echte Chance", dass Digitalisierung in den Schulen nach vorne gebracht wird. Dabei gebe es noch erhebliche Unterschiede. "Wir haben Schulen (in Berlin – Anm. d. Red.), die waren kreidefrei schon vor fünf Jahren."

Susanne Eisenmann (CDU): Die Kultusministerin aus Baden-Württemberg wehrte sich gegen Pauschalurteile, laut denen Lehrer in der Coronakrise den Heimunterricht oft unzureichend begleitet hätten.

Manche Einzelfälle seien aber kritikwürdig, gab sie zu. Ein Einspieler zeigte die Beschwerde einer Mutter, die klagte, dass eine geplante Videokonferenz mit Schülern wegen eines privaten Termins der Lehrkraft ausgefallen sein soll.

Zudem betonte die CDU-Politikerin, dass Frauen durch Corona nicht weiter zurückgeworfen worden seien. Bestehende Defizite bei der Gleichstellung seien nur deutlicher zutage getreten.

Udo Beckmann: Der Bundesvorsitzende des Verbands Erziehung und Bildung (VBE) fällte ein vernichtendes Urteil über den digitalen Fortschritt mancher Bildungsstätten.

"Wir haben Schulen, die sind praktisch noch auf die Brieftaube angewiesen", erklärte er. So scheitert es oft schon daran, Email-Adressen für Lehrer einzurichten, um die Kommunikation mit Eltern und Schülern zu vereinfachen.

Stephan Wassmuth: Der Vorsitzende des Bundeselternrats fordert Weiterbildungen für Lehrkräfte im Bereich Digitalisierung sowie die Beschaffung von Endgeräten für Schüler und Lehrer.

Dafür müssten aber von den Schulen Konzepte erstellt und von der Politik die Gelder aus dem Digitalpakt ausgezahlt werden. Beim Thema E-Learning während der Coronakrise seien viele Schulleitungen aber auch von der Politik alleine gelassen worden, kritisierte er.

Wassmuth warnte auch vor einer Überforderung der Mütter, die schlimmstenfalls von zuhause arbeiten, den Haushalt führen und die Schularbeiten der Kinder betreuen müssten. "Da müssen wir dringend Abhilfe schaffen."

Collien Ulmen-Fernandes: Die Schauspielerin und Moderatorin und ihr Mann Christian Ulmen waren mit der schulischen Betreuung ihrer achtjährigen Tochter überfordert. "Wir arbeiten beide Vollzeit. Das hat bei uns gar nicht gut geklappt."

Sie forderte langfristige Lösungen, um das E-Learning besser zu organisieren, "weil wir es noch lange mit dieser Pandemie zu tun haben."

Verena Pausder: Kein gutes Haar am digitalen Lernen in Deutschland ließ die Gründerin des Vereins "Digitale Bildung für Alle". Gelder aus dem Digitalpakt? Kaum abgerufen! Ausstattung mit Software und Endgeräten? Mangelhaft!

Es sei in den letzten Jahren im Vergleich zu Ländern wie Dänemark zu wenig passiert. "Da haben wir einfach verschlafen." Das hat sich nun in der Coronakrise gerächt, als E-Learning von jetzt auf gleich stattfinden musste. "Es war keine Schule auf diese – sagen wir mal – unangekündigte Klassenarbeit vorbereitet", wählte sie einen passenden Vergleich.

2,5 Millionen Kinder seien gar nicht erreicht worden, weil sie keine Geräte haben. Pausder macht der Ist-Zustand wütend. Jetzt müsse endlich die Chance ergriffen werden, "den Turbo zu zünden".

Was war das Rededuell des Abends?

Es war eher ein indirektes Rededuell, was in der Sendung den größten emotionalen Ausbruch auslöste. Der Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, hatte sich vor wenigen Tagen über die stark steigende Zahl von Lehrern beklagt, die sich mit Attesten vom Präsenzunterricht befreien lassen würden.

"Es ist schon unverständlich, dass die Berufsgruppe der Lehrer für sich ein solches Schutzprivileg in Anspruch nimmt", sagte Fischbach. Andere Berufsgruppen würden "tatsächlich kranke Patienten versorgen" und wiesen wie die Kinderärzte ein wesentlich höheres Durchschnittsalter als Lehrer auf.

Das Zitat brachte Lehrer-Lobbyist Beckmann auf die Palme. "Ich halte es für unverschämt auf diese Art und Weise einen Vergleich herzuziehen und diejenigen Lehrkräfte zu beschuldigen, die zu den sogenannten Risikogruppen gehören und deswegen zu Hause bleiben", sagte er.

Sein Argument: Lehrer hätten kein Fachwissen, wie man sich richtig gegen eine Infektion schützen kann und anders als manche Ärzte könnten sie auch keine Plastikscheibe zwischen sich und die Schüler stellen.

Was war der Moment des Abends?

Das ehrliche Eingeständnis von Kultusministerin Eisenmann nach der harschen Kritik von Verena Pausder. "Es ist sicher richtig, dass wir digital in ganz Deutschland, was Schulen angeht, nicht gut aufgestellt sind. Das gehört zu Wahrheit dazu. Da haben Sie Recht, dass wir da nachholen müssen."

Pausder freute sich über die ehrliche Antwort ("Das ist super") - verbunden mit der Forderung, jetzt auch etwas zu tun.

Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?

Das Thema Heimunterricht in Zeiten von Corona lag dem Gastgeber, dessen jüngstes Kind 2011 zur Welt kam, ganz besonders am Herzen. Die Redaktion hätten viele kritische Elternstimmen erreicht, die sich über mangelndes Engagement von Lehrern beklagen, berichtete Plasberg.

"Wenn Sie es immer mit pauschal abtun, finde ich es ein bisschen ungerecht", sagt er zu CDU-Ministerin Eisenmann, als sie die Kritik an den Lehrern generell zurückwies. "Wir möchten es bitte nicht als Lehrer-Bashing verstanden habe", stellte Plasberg später klar. Dennoch war deutlich zu spüren, dass er sich nicht mit ausweichenden Antworten zufrieden geben wollte – mit Erfolg.

Was ist das Ergebnis?

Wie unter einem Brennglas legt die Pandemie Versäumnisse in den betroffenen Ländern offen. Während in vielen Staaten das Gesundheitssystem der große Schwachpunkt ist, haben Deutschlands Ärzte und Pflegekräfte die Krise bisher besser als andernorts meistern können.

Aber gerade im Bildungswesen treten längst bekannte Defizite in Zeiten von Corona noch einmal stärker zu Tage. Verena Pausder, Gründerin des Vereins "Digitale Bildung für Alle", legte den Finger tief in die Wunde.

Sowohl Bundesfamilienministerin Franziska Giffey als auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann mussten ihr am Ende direkt oder indirekt zustimmen: Ja, Deutschland hat noch viel Nachholbedarf. Bleibt zu hoffen, dass beide die Erkenntnisse mit in den Politikbetrieb nehmen und sich für nachhaltige Veränderungen stark machen.

"Scheitern Schulen an Corona?", hieß es im Titel der Sendung. Die Frage ist weniger, ob sie scheitern, sondern ob sie etwas aus Corona lernen.

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