Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend mit ihren Studiogästen über die angespannte Lage auf dem Immobilienmarkt. Wer kann sich Wohneigentum noch leisten und was tut die Bundesregierung für mehr bezahlbaren Wohnraum? Während sich SPD-Mann Kühnert an Investoren-Haien abarbeitete, gab ein Immobilienunternehmer eine präzise Prognose für die Zukunft ab.

Eine Kritik
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Der Immobilienmarkt in Deutschland ist angespannt und rasante Mietsteigerungen gibt es längst nicht mehr nur in Metropolen: Selbst in kleineren Städten wie Delmenhorst, Worms oder Weiden stiegen die Mieten nach Daten der Bundesregierung zuletzt deutlich. So zogen die Mieten für Wohnungen zwischen 40 bis 100 Quadratmetern in Delmenhorst um 13,2 Prozent an. Im Bundesdurchschnitt legten die Mieten um 3,5 Prozent zu. Welche Rezepte helfen gegen Wohnungsmangel und Bauflaute?

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Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"

Mehr bezahlbarer und ökologischer Wohnraum - das hat sich die Bundesregierung auf die Fahne geschrieben. Doch die Realität sieht anders aus: 40 Prozent aller Bauprojekte sind abgesagt, die Baukosten haben ein neues Rekordniveau erreicht. Wer kann sich angesichts mehr Steuern, Heizungs-Vorschriften und Dämmrichtlinien noch Wohneigentum leisten? Unter dem Titel "Bauen, sanieren, mieten – kein Plan gegen Wohnungsnot?" debattierte Maybrit Illner mit ihren Gästen darüber.

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Das sind die Gäste

Kevin Kühnert (SPD): "Wir bräuchten rein rechnerisch wahrscheinlich sogar noch mehr", so der Generalsekretär über das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Im kommenden Jahr wolle man die Rechtsform der Wohnungsgemeinnützigkeit, die von Schwarz-Gelb abgeschafft wurde, wieder einführen. "Das ist ein dauerhaft gemeinwohlorientiertes Segment gewesen. Da hatten sie nicht eine 25-jährige Preisbindung und dann ist die Wohnung aus der Sozialbindung rausgefallen." Heute Sozialwohnungen zu bauen sei "wie einen Eimer mit Loch mit Wasser füllen."

Julia Klöckner (CDU): "Diese Ampel-Regierung hat ein Förder-Chaos in nicht einmal zwei Jahren hingelegt", sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion. Es gebe keine Verlässlichkeit, KfW-Förderprogramme seien einfach mittendrin gestoppt worden. Der Kanzler habe extra ein Bauministerium gegründet. "Dann fühlen sich einige Leute schon ziemlich veräppelt", befand sie.

Jörg Dittrich: Der Handwerkspräsident warnte: "Die Kräne drehen sich noch, aber sie werden zum Stillstand kommen." Das sei nicht nur für die Handwerksbetriebe und die Angestellten schlimm, sondern auch für die Gesamtgesellschaft. "Wir müssen Programme auflegen, bei denen wir uns einig sind, dass wir sie auch durchhalten, damit es Verlässlichkeit gibt", forderte er.

Christoph Gröner: Der Immobilienunternehmer sagte: "Wir müssen feststellen, dass wir einen Patienten auf der Bahre haben, der einen Dauerlauf vor sich hat." Man wolle 400.000 bis 500.000 Wohnungen bauen. Diese Zielsetzung verbinde jeden Bürger, einer drohenden gesellschaftlichen Zerrüttung entgegenwirken zu wollen. "Ich gebe Ihnen heute eine Prognose ab: Wenn Sie auf 400.000 bis 500.000 Wohnungen kommen wollen, müssen sie massive Zinssenkungs-Programme einführen", so Gröner.

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Lamia Messari-Becker: "Es ist eine Kette von vielen Fehlentwicklungen, es ist auf gar keinen Fall ein Schicksal", analysierte die Bauexpertin die aktuelle Situation in Sachen Neubauen. Bund, Länder und Kommunen hätten sich in den letzten Jahren immer weiter aus dem operativen Baugeschäft zurückgezogen. Der 14-Punkte-Plan der Bundesregierung werde nicht ausreichen. Die Politik müsse sich zum Beispiel fragen "Wie vergebe ich meine Grundstücke?" – "nicht immer an den Meistbietenden", so Messari-Becker. Bei einem Prozent-Zins sei alles finanzierbar gewesen "und jetzt ist die Party vorbei".

Wibke Werner: Die Mietschützerin berichtete von drei Punkten, die zeigen, wie angespannt der Wohnungsmarkt ist: Zu den größten Sorgen ihrer Klienten würden horrende Nachzahlungen bei Heizkostenabrechnungen zählen. Es gebe außerdem große Verstöße gegen die Mietpreisbremse. "Auch Eigenbedarfskündigungen nehmen mittlerweile zu", beobachtete sie.

Das ist der Moment des Abends bei "Maybrit Illner"

Der Moment der Sendung zeigte auf, dass nicht alles so einfach ist, wie es rechnerisch erscheinen mag. "Wenn wir alles so hätten im Gebäudebestand in Deutschland, wie normaler Neubau heute gemacht wird - wir hätten einen wunderbaren Gebäudesektor, was die Klimabilanz angeht", malte Kühnert aus. Man müsse dann nur noch Primärenergiequellen beim Heizen anfassen. "Haben wir aber so nicht. Wir müssen an die Bestände ganz klar drangehen", analysierte Kühnert.

Außerdem komme der Faktor Mensch hinzu. In der Logik der Effizienzhausklassen sei immer noch die Frage, ob die Menschen, die konkret darin leben würden, die Immobilie so nutzen, wie schlaue Menschen sich das einmal überlegt hätten. "Vertrauen die wirklich darauf, dass eine Lüftungsanlage sie mit Luft in ausreichender Qualität versorgt, oder reißen die eben irgendwann auch mal das Fenster auf, weil man eben auch gerne die Vöglein draußen zwitschern hört?", zeigte Kühnert auf. Die Effizienzschraube gerate an "Grenzen dessen, was Menschen noch mitmachen".

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Kühnert meinte: Die Frage sei, wer jetzt überhaupt bauen solle. Unter den 900.000 Wohnungen, die in Deutschland im Genehmigungsüberhang seien, seien viele dabei, die von Projektentwicklern "mit dollen Renditeerwartungen geplant worden sind", so der SPD-Politiker. Seine Partei sei nicht dafür gewählt worden, "die jetzt alle zuzuschmeißen mit Fördergeld, damit die ihre irrsinnigen Rendite-Erwartungen mit unseren Fördergeldern möglich machen", sagte Kühnert scharf.

"So lasse ich Sie nicht vom Acker", grätschte Dittrich hinein. Man trenne wieder auf und sage, die Lösung sei der soziale Wohnungsbau. "Ich kenne genug kommunale Gesellschaften, die auch nicht mehr bauen", sagte er. Die Baugenehmigung sei nur ein indirekter Wert, die Baufinanzierungen seien um weit über 50 Prozent eingebrochen. "Das ist der Wert, was nicht an Baustellen beginnt", erklärte er. Seine Einschätzung: "Die Familie, die Eigentum bilden will - sie kann es nicht mehr."

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So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Schon die erste Frage saß: "Glauben Sie, dass das dieser Realitätsverlust ist, der die Bürgerinnen und Bürger so nervt?", wollte die Moderatorin von Kühnert wissen, nachdem sie ihm das angepeilte Ziel von neuen Wohnungsbauten (400.000) mit den tatsächlich gebauten (etwas über 200.000) vorgerechnet hatte. Dieses scharfe Niveau der Fragen konnte Illner nicht durchhalten, setzte aber immer wieder Spitzen. "Auch Sie hatten den großen Plan in vier Jahren 1,5 Millionen Wohnungen zu bauen", erinnerte sie zum Beispiel Julia Klöckner.

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Am Donnerstagabend wurde noch einmal allen vor Augen geführt, wie viel sozialer und gesellschaftlicher Sprengstoff in dem Thema Wohnungsmarkt steckt. Expertin Messari-Becker nannte zum Beispiel die Gräben zwischen Stadt und Land und einzelnen Quartieren innerhalb der Städte. Einig war sich die Runde außerdem, dass das 14-Punkte-Papier der Ampel zu spät kommt und dass jede Menge Bauordnungen abgeschafft und vereinheitlicht werden müssen.

Verwendete Quellen:

  • ZDF: Sendung "Maybrit Illner" vom 28.09.2023
Baustelle

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