- An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz soll nach Plänen von Ernährungsminister Cem Özdemir gesetzlich beschränkt werden.
- Während Fachleute die Pläne loben, sind von Koalitionspartner FDP bereits Worte des Widerstand zu hören.
Kinder sollen nach Vorstellung von Bundesernährungsminister
Freiwillige Selbstverpflichtungen der Werbewirtschaft hätten zu nichts geführt, sagte Özdemir in Berlin. Deshalb brauche es nun eine strikte Regelung. Zugleich betonte er, dass er kein "allgemeines Werbeverbot" fordere. "Aber die Werbung darf sich eben nicht mehr gezielt an Kinder richten."
Die Definition von "an Kinder gerichteter Werbung" ist dabei allerdings weit gefasst: Es reiche aus, wenn "bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird beziehungsweise wahrgenommen werden kann", sagte der Minister. Und Kinder schauten nachweislich zwischen 06:00 und 23:00 Uhr fern oder seien im Internet unterwegs.
Verbot für Werbung, die sich offensichtlich an Kinder richtet
Außerdem fallen laut Özdemir Anzeigen in Presseerzeugnissen unter das Verbot, wenn sie sich von der Aufmachung her offensichtlich an Kinder richtet. Auch Außenwerbung für Süßigkeiten und Ähnliches soll im Umfeld von Schulen und anderen Einrichtungen wie etwa Schwimmbädern nicht mehr möglich sein. Neue Vorgaben sind auch für Sponsoring etwa beim Vereinssport geplant. Für die Definition ungesunder Lebensmitteln will sich Özdemir nach Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation richten.
Lob für die Pläne kam von der Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin, Ursula Felderhoff-Müser: Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten, wissenschaftliche Fachgesellschaften und Verbraucherorganisationen forderten eine solche Regelung bereits seit Jahren, denn die Wirksamkeit von an Kinder gerichteter Werbung sei gut belegt.
Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft erklärte, Özdemir sei "ein großer Wurf gelungen". Adipositas bei Kindern stelle ein zentrales Gesundheitsproblem dar und die Werbung für Ungesundes sei dafür ein wichtiger Faktor. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), Foodwatch, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der WWF sprachen allesamt von einem "Meilenstein" im Kampf gegen Übergewicht und für die Kindergesundheit.
Özdemir rechnet mit Widerstand
Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass viele der beliebtesten Sendungen bei Kindern unter 14 Jahren keine Cartoons seien, sondern Familienshows und Fußballübertragungen, erklärte DANK-Sprecherin Barbara Bitzer. "Eine Werbebeschränkung light, die nur im Umfeld klassischer Kindersendungen greift, wäre zum Scheitern verurteilt." Sie appellierte an die Koalitionspartner SPD und FDP, "diesen aus wissenschaftlicher Sicht richtigen und wichtigen Vorschlag des Ministers zu unterstützen".
Özdemir sagte, er werde nun die Ressortabstimmung einleiten und rechne durchaus mit "Widerstand". Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, kündigte umgehend an, innerhalb der Ampel werde der Grünen-Politiker "keine Mehrheit finden". Özdemir verfolge scheinbar das Ziel, "aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen".
Auch SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich zunächst zurückhaltend. Werbung dürfe, was die gesundheitlichen Auswirkungen beworbener Produkte angeht, nicht "irreführend" sein, sagte sie. Aber "Kinder vor ungesunden Lebensmitteln schützen, das müssen, glaube ich, immer noch die Eltern tun."
Regelung zu an Kinder gerichtete Werbung im Koalitionsvertrag
Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU) kritisierte in der "Rheinischen Post": "Özdemir ebnet den Weg für Dirigismus, Bürokratie und staatliche Bevormundung." Wie der Minister zielgenau die Produkte ausfindig machen wolle, die er für schädlich halte, "bleibt genauso offen wie die Frage, woran er denn festmachen will, welche Werbung sich eindeutig an Kinder richtet". Ob Werbeverbote überhaupt etwas im Kampf gegen Übergewicht bringen, sei "vollkommen unklar".
SPD, FDP und Grüne haben im Koalitionsvertrag vereinbart: "An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben." (AFP/dpa/lh)
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