Donald Trumps Anwalt Rudy Giuliani brüskiert Kim Jong Un: Der nordkoreanische Machthaber habe devot um das Treffen mit Trump regelrecht gebettelt. Liegt in dieser herabwürdigenden Wortwahl Trumps Strategie, um ein Scheitern des Gipfels zu provozieren? Ein USA-Experte gibt Antworten.

Ein Interview

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Donald Trumps Anwalt Rudy Giuliani hat mit der Aussage aufhorchen lassen, Kim Jong Un habe "auf Händen und Knien gebettelt", damit das Treffen mit Trump am 12. Juni doch noch stattfindet. War das ein böser Fehler oder kluge Taktik?

Josef Braml: Das war Gegentaktik – eine Reaktion auf Kims Taktieren. Man sollte sich im Weißen Haus schon fragen, warum sich der nordkoreanische Führer jetzt auf Verhandlungen mit Trump einlässt, obwohl er sieht, dass andere Verhandlungsergebnisse - wie die der Amerikaner mit dem Iran - für null und nichtig erklärt wurden.

Eigentlich müsste Kim wissen, dass seine einzige Lebensversicherung die Nuklearwaffen - seine Zweitschlagskapazität - sind. Das gilt vor allem, wenn man sich ansieht, was aus den Staaten geworden ist, die ihre Nuklearwaffen preisgegeben haben.

Wie groß ist das Interesse von Trump, den Gipfel stattfinden zu lassen?

Nicht allzu groß, wenn man bedenkt, dass Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton provokativ das Beispiel des libyschen Ex-Diktators Muammar al-Gaddafi ins Spiel gebracht hat.

Anmerkung: Bolton hatte den Vorschlag gebracht, Libyen könnte als Vorbild dienen, Nordkorea von der Aufgabe seines Nukleararsenals zu überzeugen. Gaddafi war schrittweise entmachtet und später von Rebellen getötet worden. Trump sagte dazu, das sei zwar nicht der grundsätzliche Plan für Nordkorea, aber: "Wenn wir keinen Deal erreichen, dann wäre das das Modell."

Macht Giuliani damit vielleicht nur Trumps "Drecksarbeit"? Damit der Schwarze Peter im Fall einer Gipfel-Absage bei Kim liegt …

Es ist besser, wenn Giulianis Drohungen ins Leere laufen und nicht US-Präsident Trump sein Gesicht verliert.

Bringen Giulianis Aussagen Kim unter Zugzwang?

Nein, weil schon Trumps Drohgebärden wirkungslos blieben. Trump hatte versucht, die Nordkoreaner ins Bockshorn zu jagen, indem er so tat, als ob er zu allem fähig sei – auch dazu, Nordkorea präventiv zu bombardieren. Davon hat sich Kim nicht beeindrucken lassen.

Mit welcher Reaktion aus Nordkorea ist zu rechnen?

Kim weiß genau, dass Trump nicht militärisch gegen ihn vorgehen kann. Denn durch Nordkoreas Zweitschlagskapazitäten wären nicht nur Millionen Menschen in Südkorea betroffen, die in Schlagweite sind, sondern auch US-Soldatinnen und Soldaten, die dort stationiert sind.

Glauben Sie, dass der Gipfel doch noch abgesagt wird?

Das ist durchaus möglich – auch, dass er dann doch wieder angesagt wird. Aber diese Spielchen können am Ende wohl nicht verdecken, dass die USA nun nicht mehr viel dagegen machen können, dass Nordkorea eine Nuklearmacht ist.

Die USA können das nordkoreanische Regime nur eindämmen, aber nicht zwingen, seine Nuklearwaffen aufzugeben.

Mit Blick auf den Iran hingegen sollten europäische Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft mit Präventivschlägen der USA rechnen.

Trump und seine Sicherheitsberater werden ihre Lehren aus Nordkorea ziehen: Ein Angriff auf den Iran ist für Trump eine lohnende Option – auch mit Blick auf die politische Heimatfront.

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches "Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit". Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch in seinem Blog "usaexperte.com".
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