Im Wochen andauernden Streit zwischen dem Iran und westlichen Ländern um festgesetzte Öltanker gibt es Bewegung: "Grace 1" hat unter neuem Namen Gibraltar verlassen. Wohin der Tanker steuert, ist unbekannt. Wird das Entspannung in dem schwelenden Konflikt bringen, in dem es um viel mehr geht als um Schiffe?
Der mehr als sechs Wochen lang festgesetzte Supertanker mit iranischem Öl hat Gibraltar verlassen. Das gab der iranische Botschafter in London, Hamid Baeidinedschad, in der Nacht zum Montag auf seiner Instagram-Seite bekannt. "Hiermit bestätigen wir, dass unser Tanker nach 45 Tagen Gibraltar in Richtung internationale Gewässer verlassen hat", schrieb der Botschafter.
Dem auf Schiffsverkehr spezialisierten Internetportal Marinetraffic.com zufolge nahm das Schiff in der Nacht zu Montag Fahrt Richtung Süden auf. Das Ziel war jedoch weiter unklar.
Hoffnung auf Deeskalation wächst
Zwei Expertenteams hatten nach Angaben des iranischen Botschafters in London, Hamid Baeidineschad, das Schiff startklar gemacht. Das oberste Gericht des britischen Überseegebiets an der Südspitze der iberischen Halbinsel hatte dem Tanker bereits am Donnerstag freie Fahrt gewährt.
Damit wächst die Hoffnung auf eine Deeskalation in dem schwelenden Konflikt zwischen dem Iran und mehreren westlichen Ländern, darunter Großbritannien und den USA.
Die Behörden in Gibraltar und die britische Royal Navy hatten den unter der Flagge Panamas fahrenden Tanker Anfang Juli vor Gibraltar wegen des Verdachts auf illegale Öllieferungen an Syrien festgesetzt. Damit würde das Schiff gegen EU-Sanktionen gegen das Bürgerkriegsland verstoßen, so lautete der Vorwurf. Das Außenministerium in London betonte, der Iran müsse sich nun an seine Zusicherung halten, die Ladung nicht nach Syrien zu bringen.
Der Tanker "Grace 1" wurde inzwischen in "Adrian Darya-1" umbenannt und soll unter iranischer Flagge fahren, wie Teheran mitteilte.
USA wollten Öltanker am Auslaufen hindern
Vergeblich versuchte Washington bis zuletzt, den Tanker am Auslaufen zu hindern. Ein US-Bundesgericht wollte das Schiff beschlagnahmen lassen. Das wies die Regierung in Gibraltar aber am Sonntag zurück: Die Verfügung eines Bundesgerichts in Washington sei "untrennbar" mit den Sanktionen der USA gegen den Iran verbunden, die aber mit denen der Europäischen Union nicht vergleichbar seien, hieß es.
Das US-Justizministerium begründete die verlangte Beschlagnahmung in einer Mitteilung mit mutmaßlichen Verstößen gegen US-Sanktionen, Geldwäschegesetze und Terrorismusstatuten.
Das Gericht verfügte auch die Beschlagnahmung des Öls an Bord des Tankers und von knapp einer Million Dollar Bankvermögen einer Briefkastenfirma, die Verbindungen zum Schiff haben soll. Die Staatsanwaltschaft erklärte, das Schiff sei Teil eines Plans der iranischen Revolutionsgarden zur Unterstützung illegaler Lieferungen des Irans an Syrien.
Der Kapitän und weitere Mitglieder der Besatzung wurden vorübergehend festgenommen, kamen aber wieder auf freien Fuß. Teheran drohte mit Vergeltung und bestellte mehrmals den britischen Botschafter ein.
Der Iran habe schließlich eingelenkt und das Ziel des Tankers geändert, teilte Gibraltars Regierung mit. Teheran bestand dagegen darauf, das Öl sei niemals für Syrien bestimmt gewesen.
Gibraltar und Iran sehen sich als Sieger
Seit Monaten schwelt ein Streit zwischen dem Iran und mehreren westlichen Staaten, allen voran den USA, der auch auf internationalen Schifffahrtswegen ausgetragen wird. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte die Revolutionsgarden im April als ausländische Terrororganisation eingestuft. Die USA haben zudem harte Sanktionen gegen den Iran verhängt, die vor allem auf den Ölsektor des Landes abzielen.
Nur zwei Wochen nach dem Festsetzen des Supertankers stoppten die iranischen Revolutionsgarden in der Straße von Hormus den britischen Öltanker "Stena Impero". Zur Begründung hieß es, das Schiff habe internationale Regeln der Seefahrt nicht eingehalten, sein GPS-System ausgeschaltet und umweltschädigende Materialien an Bord.
Einen vom Iran vorgeschlagenen Austausch der beiden Tanker lehnte die neue britische Regierung ab.
Nach der Freigabe des Schiffs beanspruchten sowohl Gibraltar als auch der Iran, als Sieger aus dem Kräftemessen hervorgegangen zu sein. Teheran habe einen "diplomatischen Sieg" errungen, sagte Mahmud Waesi, der Stabschef des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani, nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo dagegen sprach von "der erfolgreichsten Umsetzung europäischer Sanktionen bislang".
Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen zu Zwischenfällen vor allem in der Straße von Hormus, die zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman liegt. Sie zählt zu den wichtigsten Schifffahrtsrouten weltweit. Fast ein Drittel des globalen Ölexports wird durch die Meerenge verschifft. Die USA machten den Iran für diverse Attacken auf Handelsschiffe in dem Seegebiet verantwortlich. Das bestreitet die Führung in Teheran vehement.
Dahinter steckt der Atomstreit zwischen Iran und USA
Hinter den Spannungen zwischen dem Iran und den USA steht der Atomstreit beider Länder. Die Amerikaner werfen der iranischen Führung vor, Atomwaffen bauen zu wollen. Teheran weist das zurück.
Die USA waren 2018 im Alleingang aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen, das Teheran am Bau einer Atombombe hindern und zugleich die politische und wirtschaftliche Isolation des Landes beenden sollte. Seit dem Ausstieg aus dem Abkommen setzen die Amerikaner Teheran mit massiven Wirtschaftssanktionen unter Druck, um ein strengeres und auf andere Gebiete erweitertes Abkommen auszuhandeln. Der Iran widersteht dem Druck bisher.
Wegen des Streits um die "Stena Impero" und weiteren Vorfällen mit Tankern im Persischen Golf arbeiten die USA an einer Koalition für eine militärische Schutzmission für Handelsschiffe in der Region. Großbritannien hat bereits seine Teilnahme angekündigt.
Die Bundesregierung schlug dagegen die Anfrage der USA ab. Der Grund: Sie will die US-Strategie des "maximalen Drucks" auf den Iran nicht unterstützen. Stattdessen setzt sich Deutschland nun aktiv für eine EU-Beobachtermission zum Schutz von Handelsschiffen ein. (jwo/dpa)
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