Wer soll Jean-Claude Juncker im Amt des EU-Kommissionschefs beerben? Die Europäische Union ist sich darüber uneins und hat die Suche bis zu einem Sondergipfel am 30. Juni vertagt. Hat der CSU-Politiker weiterhin eine Chance auf den Posten? Es sieht immer schlechter aus.
Der CSU-Politiker
Das sei ein "Befund, der uns natürlich vor Herausforderungen stellt". Ratschef Donald Tusk soll nächste Woche mit dem EU-Parlament einen Ausweg aus der Sackgasse suchen.
Merkel und Tusk schlossen nicht aus, dass Weber doch noch eine Chance hat, der erste deutsche Kommissionspräsident seit mehr als 50 Jahren zu werden. "Heute ist es zu früh, um sich auf Namen und Posten festzulegen", sagte Tusk.
Der estnische Regierungschef Jüri Ratas sagte, alle Namen seien noch auf dem Tisch. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der stets gegen Weber war, machte aber deutlich, dass er neue Namen will.
CSU-Vize Manfred Weber erhebt Anspruch auf die Juncker-Nachfolge
Es geht nicht nur um die Nachfolge von EU-Kommissionschef
CSU-Vize Weber erhebt Anspruch auf die Juncker-Nachfolge, da seine Europäische Volkspartei (EVP) bei der Europawahl erneut stärkste Kraft geworden ist.
Als Kandidaten ihrer Parteien beworben haben sich auch der Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager. Der Rat der Staats- und Regierungschefs hat das Nominierungsrecht, doch das EU-Parlament muss den Kommissionschef wählen. In beiden Gremien sind also Mehrheiten nötig.
Merkel unterstützt Weber. Macron und andere Regierungschefs stellen sich mit der Begründung gegen den CSU-Politiker, die EU brauche eine Führungspersönlichkeit mit mehr Erfahrung.
Der 46-jährige Weber ist seit fünf Jahren EVP-Fraktionschef im Europaparlament, hat aber keine Regierungserfahrung. Dort verhandelt er mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen über eine Art Koalitionsvereinbarung, die ihm eine Mehrheit sichern soll. Doch hatten Sozialdemokraten und Liberale Weber am Donnerstag bedeutet, dass sie ihn nicht unterstützen. Die EVP will ihrerseits keinen der Konkurrenten mitwählen.
Angela Merkel beschreibt Personaldiskussionen als intensiv
Nach den Verhandlungen drang Merkel auf eine gemeinsame Lösung mit dem EU-Parlament. Es hätte keinen Sinn, wenn der Rat jemanden nominierte, der später im Parlament durchfiele. Deshalb werde Tusk nun sehr schnell Konsultationen mit den Fraktionen aufnehmen und ein Paket "mit ausgewogenen Kräfteverhältnissen schnüren". Merkel beschrieb die Personaldiskussion beim Gipfel als intensiv.
Macron sagte, ihn überrasche der Ausgang des Abends nicht und er werte die ausgebliebene Einigung auch nicht als Niederlage. Er spielte damit darauf an, dass er ohnehin immer dafür plädiert hatte, nicht nur Europawahl-Spitzenkandidaten für Junckers Nachfolge in Betracht zu ziehen. "Ich denke, diese Etappe war angesichts des erreichten Spannungsniveaus notwendig", sagte Macron. Er lehnte das Spitzenkandidaten-Prinzip erneut ab, da es aus seiner Sicht nur sinnvoll ist, wenn es bei der Europawahl länderübergreifende und nicht nationale Kandidatenlisten gibt.
Merkel äußerte sich nun ähnlich: Bei dem Spitzenkandidaten-Prinzip stehe die EU "auf halben Wege", sagte sie. Nur mit transnationalen Listen werde es ein wirklich "transparentes Verfahren" geben.
Ziel sei es weiter, dass es bei der Postenvergabe "ein Paket" geben müsse, das die Vielfältigkeit der EU widerspiegele, sagte Tusk.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte sich am Freitagmorgen mit Humor über die Suche nach seinem Nachfolger: "Ich habe mit großem Vergnügen zur Kenntnis genommen, dass es sehr schwer ist, mich zu ersetzen."
Staats- und Regierungschefs auch bei Sachfragen uneins
Vor dem Personalpoker hatten sich die 28 Staats- und Regierungschefs auch über Sachfragen zerstritten. So wurden sie sich in stundenlangen Diskussionen nicht einig über ein neues ehrgeiziges Klimaziel. Die Festlegung auf einen Umbau zur "klimaneutralen" Wirtschaft bis 2050 wurde aus der Gipfelerklärung gestrichen, weil Polen und einige weitere Länder sie nicht mittragen wollten.
Dass das Ziel platzte, erboste Umweltverbände wie das Climate Action Network, Greenpeace oder WWF. Die Grünen-Europapolitikerin Ska Keller sprach von einer Schande.
Auch bei den Verhandlungen über den nächsten EU-Haushaltsrahmen für die Jahre bis 2027 kamen die EU-Staaten nicht weiter. Sie gaben ihr ursprüngliches Ziel auf, im Oktober eine Einigung zu erzielen. Neue Frist ist jetzt das Jahresende.
Einig waren sich die 28 Staaten immerhin bei der Verlängerung der Wirtschaftssanktionen, die 2014 wegen des Ukraine-Konflikts gegen Russland verhängt worden waren. Die EU hatte die Handels- und Investitionsbeschränkungen trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt im Dezember 2018 bis zum 31. Juli 2019 verlängert.
Sie sollen nun weitere sechs Monate gelten. Auf eine Aufhebung soll Russland erst hoffen können, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes zum Ukraine-Konflikt erfüllt sind. (pak/dpa/AFP)
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