• In Glasgow beraten knapp 200 Staaten über die nächsten Schritte im Kampf gegen die Erderwärmung.
  • Die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat Gipfel dieser Art kritisiert. Auch der Grünen-Politiker Oliver Krischer sagt, bisher gebe es lediglich Absichtserklärungen.
  • Der SPD-Abgeordnete Timon Gremmels wird zur Klimakonferenz reisenund äußert sich hoffnungsvoller.

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Die Klimakonferenz in Glasgow ist ein Gipfeltreffen der Superlative: 28.000 Menschen aus fast 200 Ländern beraten zur Zeit in der schottischen Stadt über die nächsten Schritte im Kampf gegen die Erderwärmung.

Auch an markigen Worten hat es bisher nicht gemangelt: Der UNO-Generalsekretär forderte von den Staaten entschiedene Maßnahmen. Ansonsten, sagte Antonio Guterres, schaufele sich die Menschheit ihr eigenes Grab. US-Präsident Joe Biden sagte, Glasgow müsse "ein Jahrzehnt des Ehrgeizes und der Entschlossenheit" einläuten. Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte zum Start der Konferenz: "Das ist unsere Chance, Geschichte zu schreiben. Mehr noch: Es ist unsere Pflicht, zu handeln."

Wirkliche Arbeit beginnt erst

Die Frage ist: Werden den Worten auch Taten folgen? Timon Gremmels wird sich selbst ein Bild machen. Der Bundestagsabgeordnete ist Energie- und Klimapolitiker der SPD-Bundestagsfraktion und reist in der kommenden Woche nach Glasgow zur COP26, wie die Konferenz kurz genannt wird.

Jetzt erst beginne dort die eigentliche Arbeit, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion: "Wichtiger als die Reden der Regierungschefs zum Auftakt der COP26 sind die Verhandlungen und Gespräche der Fachpolitik, die in den nächsten zehn Tagen in Glasgow stattfinden."

Pariser Abkommen muss umgesetzt werden

In Paris hat sich die Weltgemeinschaft 2015 vorgenommen, die Erderwärmung auf zwei Grad oder besser 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Das Abkommen galt als Durchbruch im Klimaschutz. Wer sich Ziele setzt, hat damit aber noch keine Emissionen gesenkt.

Timon Gremmels zufolge muss die Weltgemeinschaft in Glasgow die konkrete Umsetzung des Paris-Abkommens angehen. "Es geht um so banale Dinge wie die Frage, wem eine Klimaschutz-Maßnahme angerechnet wird. Baut Deutschland zum Beispiel in einem anderen Land Solaranlagen und reduziert damit den CO2-Ausstoß, so muss geklärt werden, auf wessen CO2-Konto dies gutgeschrieben wird."

Aus Sicht der CSU-Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber muss die Konferenz klare und transparente Regeln beschließen: "Damit eine Investition für mehr Klimaschutz in einem Entwicklungs- und Schwellenland anteilig auf die Klimabilanz des Geberlandes angerechnet werden kann. Das schafft Anreize, um in den Klimaschutz in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu investieren", sagt Weisgerber, die auch Klimaschutz-Beauftragte der Unionsfraktion ist.

Der finanzielle Ausgleich zwischen den verschiedenen Teilen ist auf jeden Fall ein zentrales Thema in Glasgow. "Staaten wie Deutschland müssen Schwellen- und Entwicklungsländern technologisch und finanziell bei der Erfüllung der Klimaziele helfen. Nur in Deutschland und Europa alleine ist der Klimawandel nicht zu stoppen", sagt Timon Gremmels. Zu diesem Zweck sind zum Beispiel Klima-Patenschaften möglich.

Greta Thunberg: "Gipfel haben uns nirgendwo hingebracht"

Das Pariser Abkommen sieht vor, dass die ärmeren Staaten der Erde insgesamt 100 Milliarden US-Dollar aus privaten oder öffentlichen Quellen bekommen, um Klimaschutzprojekte aufzusetzen. Das Geld ist aber noch nicht zusammengekommen. Klimaaktivisten beäugen das Gipfeltreffen nicht nur deshalb kritisch.

Der chinesische Staatschef Xi Jinping ist gar nicht erst angereist. Indiens Premierminister Narendra Modi war zwar da, hat aber angekündigt, dass sein Land erst 2070 klimaneutral werden will. "Bis jetzt ist COP26 wie die anderen Gipfel – und die haben uns nirgendwo hingebracht", sagte die Klimaaktivistin Greta Thunberg bei Protesten in Glasgow.

100 Staaten wollen Zerstörung der Wälder stoppen

"Die ersten wichtigen Beschlüsse stimmen mich durchaus zuversichtlich", meint dagegen SPD-Politiker Timon Gremmels. Mehr als 100 Staaten haben auf der Konferenz einen Pakt geschlossen, um spätestens 2030 die Zerstörung von Wäldern zu stoppen. Die beteiligten Länder verfügen über 85 Prozent der weltweiten Waldfläche. Dazu wollen sie bis 2025 etwa 12 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern mobilisieren. Hinzu sollen 7,2 Milliarden US-Dollar an privaten Investitionen kommen.

Ebenfalls besiegelt wurde ein Pakt von mehr als 100 Staaten, um den Ausstoß von klimaschädlichem Methan zu reduzieren. In beiden Fällen bleibt allerdings fraglich, ob die Staaten die gutklingenden Beschlüsse auch umsetzen.

"Meine Erfahrung zeigt, dass internationale Konferenzen wie diese immer eine gewisse Eigendynamik entwickeln", sagt Gremmels. "Ob Glasgow zu den erfolgreichen Klimakonferenzen der letzten Jahre zählen wird, wissen wir erst, wenn das Abschlussdokument vorliegt."

Anja Weisgerber: "Klimaschutz ist ein Marathon"

"Die Zeit des Redens ist schon längst vorbei. Ich hoffe, dass da endlich ein Ruck durch die Staatengemeinschaft geht", sagt der Bundestagabgeordnete Oliver Krischer gegenüber unserer Redaktion. Er ist stellvertretender Vorsitzender und Klima-Experte der Grünen. "Es ist zwar schon einiges passiert", sagt Krischer. "Aber in vielen Ländern gibt es bisher bloße Absichtserklärungen und keine wirklichen Maßnahmenpakete, wie man die Transformation einleitet."

Deutschland sieht sich in Glasgow durchaus in der Rolle eines Antreibers und Vorbilds. "Die großen internationalen Klimaverhandlungen sind immer auch eine Art Motivationstraining für solche Länder, die sich noch nicht richtig trauen", sagt Krischer.

Aus Sicht von CSU-Politikerin Anja Weisgerber hat Deutschland mit seinem Klimaschutzgesetz eine "solide Basis" gelegt. "Klimaschutz ist aber kein Kurzstreckenlauf, sondern ein Marathon", sagt sie. "Wir müssen immer besser werden und wir müssen die anderen Staaten der Welt mitreißen, denn alleine können wir das Klima nicht retten."

Deutschland: Vorbild oder Klimasünder?

Auf der anderen Seite gelten aber auch die Maßnahmen in Deutschland als unzureichend. Die unabhängige wissenschaftliche Analyse-Webseite "Climate Action Tracker" kommt zu dem Schluss, dass nur ein einziges Land der Welt ausreichend unternimmt, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen: der kleine Staat Gambia an der Westspitze Afrikas. Deutschland fällt in die Gruppe von Ländern, deren Anstrengungen als unzureichend bewertet werden.

Hinzu kommt, dass sich die deutsche Politik gerade in einer Übergangsphase befindet. Während in Glasgow die Weltgemeinschaft verhandelt, sitzen in Berlin SPD, Grüne und FDP zusammen, um die erste sogenannte Ampel-Koalition auf Bundesebene zu schmieden. "Dass die alte Bundesregierung derzeit nur noch geschäftsführend im Amt ist und noch nicht mit einem starken Mandat der neuen Ampel-Koalition ausgestattet ist, schwächt unsere Verhandlungsposition ein wenig", sagt Timon Gremmels.

Stillschweigen über Ampel-Verhandlungen

Was sie in Zukunft konkret besser machen wollen, sagen die Ampel-Verhandler nicht. Sie haben sich Stillschweigen auferlegt, um die Vertraulichkeit der Gespräche nicht zu stören.

Sowohl Oliver Krischer als auch Timon Gremmels verweisen aber auf das Sondierungspapier: "Mit der Vereinbarung zu einem vorgezogenen Kohleausstieg sendet Deutschland ein starkes Signal nach Glasgow, dass ein großes Industrieland zeitnah auf die Nutzung der Kohle verzichten will", sagt der Grüne Krischer.

Timon Gremmels verweist auf den geplanten massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien: "Etwa zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen für Windkraft zur Verfügung gestellt und die Genehmigungsverfahren zum Bau von Windkraftanlagen beschleunigt werden." Für Gewerbe- und Industriebauten soll es zudem eine Solardachpflicht geben. "Wenn es uns gelingt, den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv zu beschleunigen, ist ein Kohleausstieg auch schon Anfang der 2030er Jahre möglich", sagt Gremmels.

Wichtig sei es, die Bevölkerung mitzunehmen. Das bezieht der Sozialdemokrat nicht nur auf Deutschland, sondern auch auf die Klimakonferenz in Glasgow: "Die Weiterentwicklung hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft muss sozialverträglich und inklusiv sein, sonst verlieren wir nicht nur bei uns die Akzeptanz in der Bevölkerung."

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Timon Gremmels, SPD-Bundestagsabgeordneter
  • Gespräch mit Oliver Krischer, Grünen-Bundestagsabgeordneter
  • Gespräch mit Anja Weisgerber, CSU-Bundestagsabgeordnete
  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
  • climateactiontracker.org: Climate Action Tracker

Queen ermahnt die Staatsoberhäupter der Welt in emotionaler Rede

Mit außergewöhnlich deutlichen Worten hat Queen Elizabeth II. die Staatsoberhäupter der Welt zum Kampf gegen den Klimawandel aufgerufen. Die britische Monarchin begrüßte die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz COP26 am Montag mit einer Videobotschaft. Eigentlich wollte Elizabeth persönlich zu dem Gipfel reisen. Auf Rat ihrer Ärzte sagte sie jedoch den Besuch ab.


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