- Während die Wassermassen in den Katastrophengebieten im Westen Deutschlands vielerorts zurückgegangen sind, macht heftiger Regen nun auch einigen anderen Regionen zu schaffen.
- "Unfassbar", "gespenstisch", "surreal" nennt die Kanzlerin die Umstände vor Ort.
- Die Politik müsse Natur und Klima mehr in Betracht ziehen.
Bundeskanzlerin
"Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist", sagte die CDU-Politikerin am Sonntag in Adenau im Kreis Ahrweiler.
Merkel war am Mittag in dem besonders betroffenen Ort Schuld eingetroffen, wo sie mit Einsatzkräften und Einwohnern sprach. Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von der surrealen, "gespenstischen Situation" vor Ort zu verschaffen, sagte Merkel später im Ort Adenau. Die Bilder seien unfassbar gewesen.
Bund und Land würden Hand in Hand arbeiten, "um die Welt wieder Schritt für Schritt in Ordnung zu bringen in dieser wunderschönen Gegend". Am Mittwoch werde die Bundesregierung ein Programm für schnelle Hilfen, mittelfristige Aufgaben und zur Wiederherstellung der Infrastruktur verabschieden, versicherte Merkel.
"Wir sehen, mit welcher Gewalt die Natur agieren kann", sagte die Kanzlerin. "Wir werden uns dieser Naturgewalt entgegenstemmen - kurzfristig, aber auch mittel- und langfristig." Es bedürfe einer Politik, "die die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir das in den letzten Jahren gemacht haben".
Malu Dreyer erkennt ihre Heimat kaum wieder
Begleitet wurde Merkel von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin
"Es wird lange dauern, bis die Leute wieder sagen können, ich erkenne meine Heimat wieder", sagte Dreyer in Adenau. Vorrang habe die Suche nach den noch immer Vermissten. "Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen, die vermisst werden, gefunden werden." Auch Merkel sagte, die Rettungsarbeiten hätten Vorrang.
Die Suche nach weiteren Opfern in den teils völlig zerstörten Ortschaften ging am Sonntag unvermindert weiter. Durch die Unwetterkatastrophe sind allein im Landkreis Ahrweiler 110 Menschen ums Leben gekommen.
Zudem wurden zuletzt 670 Verletzte gezählt. "Es ist zu befürchten, dass noch weitere Todesopfer hinzukommen", berichtete die Polizei am Sonntag.
Zahl der Todesopfer steigt auf 160
Die Zahl der bestätigten Todesopfer in Deutschland stieg am Wochenende auf fast 160. Während die Wassermassen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vielerorts zurückgingen und Aufräumarbeiten laufen, verursachten heftige Regenfälle in Südostbayern, in der Sächsischen Schweiz und in Österreich weitere Überschwemmungen und Erdrutsche. Sie hatten zwar nicht die Ausmaße wie im Westen - doch war die Lage in Bayern am Sonntag weiterhin angespannt.
Im besonders betroffenen oberbayerischen Landkreis Berchtesgadener Land galt noch der Katastrophenfall. Zahlreiche Häuser wurden evakuiert. Nach Prognosen des Deutschen Wetterdienstes sollte es im Alpenraum bis in die Nacht zum Montag weiter regnen. Dadurch drohen laut Hochwasserdienst auch in anderen Regionen in Bayern Überschwemmungen, etwa in Passau. Extreme Sturzfluten in einigen Regionen schließen die Meteorologen nicht aus. Auch in Österreich blieb die Lage am Sonntag angespannt. Dort hatten Wassermassen am Samstagabend Teile der Altstadt von Hallein nahe Salzburg überflutet. In Belgien hat die Hochwasserkatastrophe mindestens 31 Menschen das Leben gekostet, wie das Nationale Krisenzentrum am Sonntag mitteilte.
Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens Überschwemmungen und Erdrutsche. Örtlich fielen innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden vorübergehend nicht erreichbar. Am Sonntag entspannte sich die Lage.
Steinbachstalsperre: Wasser fließt langsamer ab als erwartet
Einen Rückschlag gab es an der Steinbachtalsperre südwestlich von Bonn. Dort fließt das Wasser langsamer als erwartet ab. Erst am Montag wollen Fachleute entscheiden, wann die Menschen in den evakuierten Gebieten in ihre Häuser zurückkehren dürfen.
Nach Worten von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geht es um Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe. "Es braucht einen nationalen Kraftakt", sagte er der "Bild am Sonntag". Am Mittwoch will der Vizekanzler im Kabinett zwei Dinge behandeln: "Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht." Zudem geht es nach seinen Worten um die Grundlage für ein Aufbauprogramm, um Häuser, Straßen und Brücken zügig zu reparieren. "Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro." Merkel kündigte an, dass Geld über die Länder verteilt wird. (ash/hub/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.