Nun sorgt er sogar für Wirbel in den deutsch-chinesischen Beziehungen: Joshua Wong, jung, Student, Generalsekretär der Hongkonger Protestbewegung Demosisto, prangert in Deutschland Chinas Vorgehen gegen die Demonstranten an. Politiker, die sich mit ihm treffen, erwecken den Unmut Chinas. Wer ist dieser Aktivist?
Joshua Chi-fung Wong, so sein kompletter Name, kam 1996 in Hongkong zur Welt. Schon als Kind nahm der evangelisch erzogene Junge in Hongkong an Gedenkmärschen anlässlich des chinesischen Tian’anmen-Massakers von 1989 teil.
Seine politische Karriere begann früh: Als er 2011 mit anderen die Studentenbewegung Scholarism gründete, war Wong gerade mal 14 Jahre alt und hatte gleich Erfolg:
120.000 Menschen protestierten am Ende mit Scholarism gegen die Einführung des Unterrichtsfaches "Moralische und Nationale Erziehung" – die Regierung zog ihre Lehrplanänderung zurück.
Wong: Teil der Regenschirmbewegung
Für Wong war das nur der Startschuss. Als im Juni 2014 die chinesische Regierung Eingriffe in das Wahlsystem von Hongkong ankündigt, kommt es zu mehrmonatigen heftigen Protesten.
Mittendrin: Wong und seine Gruppe Scholarism. Die Teilnehmer schützen sich mit Regenschirmen vor den Pfefferspray-Einsätzen der Polizei – so wird der Name der "Regenschirmbewegung" geboren. Wong wird mehrmals bei ihren Veranstaltungen festgenommen und schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt.
Gleichzeitig wächst seine internationale Bekanntheit: Das amerikanische Time Magazine zählt ihn 2014 zu den 25 einflussreichsten Teenagern, die amerikanische Zeitschrift Foreign Policy gar zu den führenden globalen Denkern des Jahres.
Realität übertrifft Wongs Träume
Erst im Mai 2019 musste Wong seine Strafe wegen der Regenschirmproteste absitzen. Von den zwei Monaten Haft wurde ihm zwar einer erlassen. Doch die Entstehung einer neuen Protestbewegung, die sich nun gegen das von der Hongkonger Regierung geplante Auslieferungsabkommen mit China wendet, hat er nicht mit initiiert.
Er habe im Gefängnis nur gelegentlich einen Blick auf den Fernseher erhaschen können, erzählte er der "taz" im Interview und gibt zu, bei seinem Haftantritt habe er sich nicht erträumt, "dass in dieser Zeit so viele Menschen auf Hongkongs Straßen mobilisiert werden können".
Bis zu zwei Millionen Menschen waren bisweilen auf den Beinen, um zu verhindern, dass in Zukunft Verdächtige und Protestierende wie Wong an Festlandchina ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt werden sollen.
Verhaftet, entlassen – und wieder verhaftet
Kaum entlassen, wurde Wong im Juni erneut aktiv – und im August wieder verhaftet. Der Vorwurf: Er habe zur Teilnahme an einer illegalen Versammlung am 21. Juni aufgerufen, diese Demonstration mitorganisiert und selbst daran teilgenommen. Gegen Kaution kam er auf freien Fuß.
"Ein Land, zwei Systeme" lautete 1997 die Devise bei der Rückgabe der einstigen Kronkolonie Hongkong an China. 50 Jahre lang sollte Hongkong eine freie Presse und eine freie Wirtschaft behalten.
Das angestrebte Auslieferungsgesetz unterminiert in den Augen der Demonstranten die demokratischen Rechte Hongkongs, weil es unter anderem darauf abziele, China-Gegner mundtot zu machen.
Zwar hat die Regierungschefin Carrie Lam das Gesetz mittlerweile ausgesetzt, doch die Demonstranten fordern die dauerhafte Rücknahme sowie den Rücktritt Lams und eine Untersuchung zum Vorgehen der Polizei, die sich in den vergangenen Wochen zunehmend brutal gezeigt und vermehrt Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt hatte.
Wongs Aktivitäten sind China ein Dorn im Auge
China sieht es nicht gerne, dass der Aktivist aus Hongkong Zugang zu hohen Regierungsvertretern des wichtigen Handelspartners Deutschland erhält. Schließlich behindert die Demokratiebewegung Chinas Ziel, die Wirtschaftsmetropole Hongkong schnell unter seine Kontrolle zu bekommen.
Trotzdem ist Wong jetzt in Deutschland. Zwar war er noch am Flughafen erneut festgenommen worden: Er habe seine Kautionsbedingungen verletzt, lautete diesmal der Vorwurf. Doch nach 24 Stunden kam er frei.
Wong trifft Maas - Merkel blockt Besuch ab
"Ein schmächtiger 17-Jähriger lehrt China das Fürchten", hatte die "Welt" schon 2014 getitelt, als 22-Jähriger wird Wong nun auch zum Problem für die deutsch-chinesischen Beziehungen. Wong wiederholt in Deutschland nicht nur seine Forderung nach freien Wahlen in Hongkong.
Er ist sich auch bewusst, dass Deutschland wegen des Handelskrieges zwischen China und den USA eine wichtige Rolle als Handelspartner spielt und die chinesische Regierung zur Mäßigung mahnen könnte.
Umgekehrt gilt aber auch, dass vor dem Hintergrund einer sich anbahnenden Rezession die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für Deutschland wächst. Kein Wunder, dass sich Kanzlerin
Stattdessen gab es ein Gespräch mit Außenminister Maaß, das von China als "sehr negative Beeinträchtigung für die bilaterale Beziehung" eingestuft wurde. Auch dass die Bundespressekonferenz bei Wongs Besuch beinahe aus allen Nähten platzte, dürfte China nicht gefallen haben. Wong forderte einen Exportstopp für Polizeiausrüstung und prangerte an, Gummigeschosse und andere Ausrüstungsgegenstände der Hongkonger Polizei sowie Teile der Wasserwerfer kämen unter anderem aus Deutschland.
Wong denkt über Kandidatur nach
Nun will der Aktivist in die USA weiterreisen und anschließend nach Hongkong zurückkehren. Er hält seine erneute Verhaftung für möglich, glaubt aber, wie er der "Zeit" im Interview sagte, ein solches Vorgehen würde nur noch deutlicher machen, "dass die Menschen in Hongkong keine Meinungsfreiheit genießen".
Zuhause werde er weiterdemonstrieren – jedes Wochenende. Und er denke über eine Kandidatur bei den im November anstehenden Bezirksratswahlen nach.
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