In Berlin ist am Mittwoch die Deutsche Islam-Konferenz gestartet. Vor allem über fremde Einflüsse auf die Moscheen in Deutschland wird dabei zum Auftakt diskutiert.
Mit einer kontroversen Debatte über ausländische Einflüsse in deutschen Moscheen ist am Mittwoch die 4. Deutsche Islam-Konferenz (DIK) gestartet.
Islamische Gemeinden, die finanzielle Unterstützung aus den arabischen Golfmonarchien oder aus der Türkei erhalten, sehen sich zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, sie vermittelten politisch fragwürdige Werte und beförderten die Entstehung von Parallelgesellschaften.
Bundesinnenminister
Die Moscheegemeinden sollten nicht nur Organisation und Finanzierung weitgehend selbst stemmen, sondern auch die Ausbildung von Predigern, sagte der CSU-Politiker.
Kritik am Ditib
Vor allem der türkisch-islamische Moscheeverband Ditib geriet in den vergangenen zwei Jahren immer stärker in die Kritik. Einigen seiner Imamen war in der Vergangenheit vorgeworfen worden, sie hätten Gläubige bespitzelt. Auch Gebeten, die für türkische Soldaten im Syrien-Einsatz abgehalten worden sein sollen, hat für Diskussionen gesorgt.
Die Imame der Ditib werden von der staatlichen türkischen Religionsbehörde nach Deutschland entsandt. 57 Jahre nach der Ankunft der ersten "Gastarbeiter" aus der Türkei sieht sich der Verband deshalb mit der Frage konfrontiert, ob es wirklich noch zeitgemäß ist, dass aus Ankara Prediger nach Deutschland geschickt werden, die hierzulande dann auf Türkisch predigen.
Ditib-Vertreter Zekeriya Altug findet das unfair. Er sagt, das System habe sich bewährt, und sei von der Bundesregierung früher doch auch "hoch gelobt" worden. Und dass viele ältere Muslime einer Predigt auf Deutsch ohnehin nicht folgen könnten.
Der türkisch geprägte Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) bildet allerdings schon seit rund 30 Jahren in Deutschland Imame aus. "Finanziert durch Mitgliedsbeiträge und Spenden", sagt der Dialogbeauftragte des VIKZ, Erol Pürlü. Die kleine Gemeinschaft der Ahmadiyya Muslim Jamaat betreibt seit 2012 in Hessen einen Imam-Lehrgang.
Deutsche Gelder fließen nur für konkrete Projekte
Wenn deutsche Moscheegemeinden Geld vom Staat erhalten, dann nur für konkrete Projekte. Zum Beispiel für die Integration muslimischer Flüchtlinge oder für die Deradikalisierung salafistischer Jugendlicher.
Aus der Finanzierung des laufenden Betriebs hält sich der Staat heraus, wie ja auch bei den Kirchen. Anders als bei den Kirchen treibt der Staat für Islam-Verbände aber auch keine Steuern ein. Das liegt unter anderem daran, dass diese ganz anders organisiert sind.
In Österreich sind Zuwendungen aus dem Ausland inzwischen verboten. Laut Auskunft der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) finanzieren sich die Gemeinden aus Mitgliedsbeiträgen, aus denen auch die Imame bezahlt werden.
"Auslandsfinanzierung muss aufhören"
Ali Ertan Toprak von der neuen "Initiative Säkulare Muslime" plädiert für eine "Halal-Steuer", wie sie in Frankreich aktuell diskutiert wird.
Die Idee dahinter: Gläubige Muslime, die Lebensmittel kaufen, die den islamischen Halal-Kriterien entsprechen, zahlen beim Kauf dieser Waren einen kleinen Zusatzbeitrag, der dann an die Moscheegemeinden verteilt wird.
Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir und die Gründerin der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, Seyran Ates, gehören der Initiative an. Ates sagt: "Die Auslandsfinanzierung muss aufhören."
Sie rät dem Gastgeber der Deutschen Islam-Konferenz, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), die Ditib erst dann wieder zur Teilnahme an der Konferenz einzuladen, wenn diese ihre Abhängigkeit von der Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beendet habe.
Buntere Besetzung bei der Islam-Konferenz
So weit will Seehofer, der sich im Katholizismus besser auskennt als im Islam, nicht gehen. Dass Ditib und der Zentralrat der Muslime in Deutschland Meinungen wie die von Ates und Toprak ertragen müssen, findet der Minister aber schon. Deshalb hat er den Kreis der DIK-Teilnehmer erweitert, sehr zum Missfallen einiger Verbandsvertreter.
Traditionell hatte sein Amtsvorgängers Thomas de Maizière (CDU) die Islam-Konferenz vor allem für den Dialog staatlicher Akteure mit den mehrheitlich konservativen Islam-Verbänden genutzt. Seehofer lud hingegen neben den Verbandsvertretern auch Theologen, Aktivisten und Wissenschaftler ein, die mit diesen Verbänden im Clinch liegen.
"Die Besetzung ist diesmal bunter, das finde ich gut", sagte die Gründerin der liberalen Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, Seyran Ates. Der Politologe Hamed Abdel Samad sagte, die Islam-Verbände seien keine Religionsgemeinschaften, sondern mehrheitlich "ethnisch-nationale Vereine".
Die Religionspädagogin Lamya Kaddor beklagte, sie und andere liberale Muslime würden von den größeren islamischen Verbänden diffamiert.
Seehofer als Teil des Problems
Vom Direktor des Instituts für islamische Theologie der Universität Osnabrück, Bülent Ucar, musste sich Horst Seehofer derweil zum Auftakt der Konferenz Kritik anhören. Der CSU-Politiker hatte im vergangenen März kurz nach seiner Ernennung zum Bundesinnenminister erklärt, er halte den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" für falsch.
Er fügte allerdings hinzu: "Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland." Ucar sagte, auch wenn Seehofer dies nur historisch gemeint habe, sei die Äußerung für viele Muslime irritierend gewesen.
Aus Sicht der Grünen ist Seehofer mit seinen Vorstellungen von einem modernen Islam auch Teil des Problems. "Man kann sich einen "deutschen Islam" nicht einfach backen", warnt ihn Filiz Polat, Innenpolitikerin der Grünen im Bundestag. Sie sagt: "Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland muss verbessert werden.
Verbindliche Lösungen und klare, einheitliche Ausbildungs- und Qualifizierungsstandards für Imame und islamische Religionsbedienstete wären dafür ein wichtiger Schritt." (dpa/thp)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.