Die FDP ist aus dem Bundestag geflogen. Und jetzt? Drei Liberale sprechen über das ungewollte Ende ihrer Abgeordnetenkarriere und den Neustart als "Normalo".

Ein Protokoll

Kisten werden gepackt, Computer zurückgegeben und wohl auch viele politische Pläne begraben: Weil es ihre Partei bei der Bundestagswahl nicht über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft hat, gehören die Abgeordneten der FDP dem neuen Bundestag nicht mehr an.

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Unsere Redaktion hat die drei früheren FDP-Abgeordneten Kristine Lütke, Muhanad Al-Halak und Christine Aschenberg-Dugnus gefragt: Wie blicken sie zurück auf ihre Zeit im Parlament? Mit welchen Gefühlen nehmen sie Abschied? Und was kommt jetzt?

Kristine Lütke leitet künftig wieder das eigene Seniorenheim

Hat sich erfolgreich für Cannabis-Legalisierung eingesetzt: Kristine Lütke. © picture alliance/Metodi Popow

"Kurz vor Weihnachten konnte ich mich bei der Listenaufstellung meiner Partei nicht durchsetzen und bin weit hinten auf der Landesliste gelandet. Schon da war mir klar, dass aus einer zweiten Legislatur nichts wird. Natürlich ist das nicht leicht. Aber man muss sich als Politikerin immer bewusst sein, dass man ein Mandat nur auf Zeit hat. Ich habe mir vor allem Gedanken um meine Mitarbeiter gemacht, und bin froh, dass inzwischen fast alle eine Nachfolgebeschäftigung haben.

Jetzt räume ich Schritt für Schritt mein Büro und meine Berliner Wohnung aus. Ende März bin ich als Expertin für Drogenpolitik zu einem Cannabis-Gipfel nach Washington eingeladen – das ist mein Highlight zum Abschluss. Ich habe intensiv an der Legalisierung von Cannabis mitgearbeitet und wäre sehr enttäuscht, wenn Friedrich Merz sie wie angekündigt zurücknimmt. Gerade die heimischen Produzenten von medizinischem Cannabis und die Patienten, die das nehmen, profitieren davon.

Wir haben ja an der Schuldenbremse gesehen, dass bei Herr Merz nach der Wahl plötzlich alles ganz anders ist als im Wahlkampf. Womöglich läuft es beim Cannabis ja genauso.

"Worauf ich mich am meisten freue? Wieder Einfluss auf meinen Kalender und mehr Zeit für Familie und Freunde zu haben."

Kristine Lütke

Im April mache ich Urlaub in den Bergen. Dann geht's zurück in meinen alten Beruf: Ich habe Soziale Arbeit und Gerontologie studiert und leite in Lauf an der Pegnitz ein Seniorenheim, das mein Vater aufgebaut hat. In den vergangenen vier Jahren habe ich zum Wohl des Mandates, aber auch zum Wohl des Unternehmens, keine operativen Aufgaben übernommen. Das ändert sich jetzt wieder. Politik wird zu meinem Leben weiter dazugehören: Ich bin und bleibe Kreisrätin im Nürnberger Land und Schatzmeisterin der FDP Bayern.

Worauf ich mich am meisten freue? Wieder Einfluss auf meinen Kalender und mehr Zeit für Familie und Freunde zu haben. Nicht mehr diejenige zu sein, die zu Geburtstagsfeiern entweder zu spät kommt oder früher weg muss oder kurzfristig absagt, weil doch wieder etwas dazwischengekommen ist. Viele Freunde habe ich seit Monaten nicht gesehen. Das will ich bewusst nachholen."

Muhanad Al-Halak: Ein Abschied in Dankbarkeit

Muhanad Al-Halaks Eltern sind aus dem Irak nach Deutschland geflohen. © dts-Agentur

"Ganz ehrlich: Ich habe nicht damit gerechnet, dass die FDP aus dem Bundestag fliegt. Bis zum Schluss habe ich gehofft, dass wir es noch schaffen. Es ist anders gekommen, das ist sehr bitter. Auch für mich persönlich.

Ich bin seit 2021 Bundestagsabgeordneter gewesen und habe diesen Job immer gerne gemacht. Mit meiner Vita ist das nicht selbstverständlich. Ich habe eine Fluchtgeschichte. Meine Eltern sind aus dem Irak nach Deutschland gekommen und haben hier Asyl beantragt. Wir verdanken diesem Land sehr viel.

"Ich habe immer gearbeitet in meinem Leben. Und in meinem Job macht man sich die Hände dreckig."

Muhanad Al-Halak

Bevor ich ins Parlament eingezogen bin, habe ich als Abwassermeister im öffentlichen Dienst bei der Stadt Grafenau gearbeitet. Ich habe kein Abitur und auch nicht studiert – im Bundestag ist das selten.

Natürlich hätte ich gerne noch eine zweite Legislatur gemacht. Doch mit meiner Biografie weiß ich auch: Es ist ein Geschenk, hier dabei gewesen zu sein. Mandate sind nun mal auf Zeit und es kann jederzeit vorbei sein. Für mich war es wichtig, meine Heimat würdig zu vertreten und die Arbeit gut zu machen – ich glaube, das ist mir gelungen.

Als Berufspolitiker ist es wichtig, nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Ich kann mir vorstellen, dass es Abgeordnete – auch in meiner Partei – gibt, für die es schwer ist, wieder im regulären Arbeitsleben anzukommen. Mir geht das nicht so, denke ich. Meine Familie hat in Deutschland bei null angefangen. Ich habe immer gearbeitet in meinem Leben. Und in meinem Job macht man sich die Hände dreckig.

Wie es jetzt weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Im öffentlichen Dienst habe ich auf jeden Fall ein Rückkehrrecht. Mein politisches Engagement werde ich vor Ort fortführen. Aufgeben, das ist nicht drin. Eine liberale Partei wird gebraucht. Wichtig ist jetzt, dass die FDP geschlossen bleibt. Flügelkämpfe bringen nichts.

Die neue Parteiführung muss unterschiedliche Gesichter und Positionen repräsentieren. Wir sollten nicht zu sehr auf einzelne Personen setzen. Auch das ist eine Lehre aus dem Scheitern."

Christine Aschenberg-Dugnus: Mit zwei Kisten voll Schuhen zurück in die Kanzlei

Denkt noch nicht an die Rente: Christine Aschenberg-Dugnus, Expertin für Gesundheitspolitik. © dts-Agentur

"Ich bin natürlich nicht davon ausgegangen, dass die FDP-Fraktion nach der Bundestagswahl nicht mehr bestehen würde. Allerdings hatte ich mir bewusst die Tage bis zur konstituierenden Sitzung freigehalten. Das hat sich jetzt als glücklicher Zufall erwiesen. Denn als Parlamentarische Geschäftsführerin habe ich gerade Einiges zu tun.

So eine Bundestagsfraktion aufzulösen, bringt noch mal viel Arbeit mit sich. Alles, was mit Fraktionsgeldern beschafft wurde, geht an den Steuerzahler zurück. Das heißt, jegliche Hardware zum Beispiel muss wieder veräußert werden. Die Bundestagsabgeordneten müssen ihre Büros jetzt nach und nach zurückgeben, das muss alles protokolliert werden. Wir sind eine vollständig digitale Fraktion, daher müssen wir zumindest keine Leitz-Ordner schleppen. Aber jeder, der mich kennt, weiß: Ich habe ein Faible für Schuhe. Wir haben gut zwei Umzugskisten voll Schuhe aus dem Büro getragen.

"Über Ostern sind wir an der Côte d’Azur. Das ist das erste Mal, dass ich etwas durchschnaufen kann."

Christine Aschenberg-Dugnus

Weil ich Mitglied der Deutsch-Französischen Versammlung war, habe ich gute Kontakte nach Frankreich. Deshalb fahre ich mit meinem Mann im April für fünf Tage nach Paris. Über Ostern sind wir dann in der Partnergemeinde meines Wohnortes Strande, Rayol-Canadel-sur-Mer an der Côte d’Azur. Das ist das erste Mal, dass ich etwas durchschnaufen kann. Ich nehme mir dann aber auch die Zeit, die es braucht, um wieder in meinen alten Beruf, den der Rechtsanwältin, einzusteigen. Denn es dauert jetzt etwas, sich wieder alle Strukturen aufzubauen.

Aber eines steht fest: Ich werde in diesem Jahr 66 und damit Rentenbezieherin, aufhören möchte ich aber noch lange nicht. Mein Mann ist 72 und arbeitet immer noch. Wir möchten beide so lange arbeiten, wie es uns gut geht.

Ich bin es schon immer gewohnt, viel zu arbeiten – auch an Wochenenden oder nachts. Jetzt freue ich mich aber auf etwas mehr Zeit für meinen Sport. Mit Personal-Trainer im Fitnessstudio zu trainieren, dafür hat mir die letzten Jahre immer die Zeit gefehlt. Das möchte ich nun endlich angehen, darauf freue ich mich sehr. Aber natürlich bringe ich mich auch weiterhin ehrenamtlich bei meiner Partei ein.

Im Mai wird unser Bundesvorstand neu gewählt, wir müssen uns jetzt neu aufstellen. Dabei stehe ich voll hinter der Kandidatur von Christian Dürr als Bundesvorsitzender. Aber auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki unterstütze ich bei ihren Vorhaben. Wir brauchen erfahrene, aber auch junge, erfrischende Beisitzer in unserem Vorstand. Das ist jetzt eine große Chance für uns als Partei. Ich bin hochmotiviert, meine Partei in den nächsten vier Jahren dabei zu begleiten, erneut in den Deutschen Bundestag einzuziehen."