Die Bundeswehr hat ein eigenes Innovationszentrum. Im "Cyber Innovation Hub" zeigt sich die Truppe im Kleinen, wie sie gerne als Ganzes wäre: innovativ, flexibel, schnell. Ein Besuch.

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Zuerst ist nur ein Surren zu hören. Dann taucht die Drohne hinter einer Wand in der oberen Ecke der Halle auf. Sie nähert sich den Soldaten und diese ziehen ihre Laser-Waffen. Schüsse peitschen durch den Raum, das Licht an der Drohne aber leuchtet dauerhaft grün. Kein Treffer.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ist trotzdem begeistert. "Das muss auf jeden Fall Teil der Schießausbildung werden", sagt er.

Pistorius: "Mehr Start-up als Behörde"

Cyber Innovation Hub Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius
Das "Cyber Innovation Hub" hat ein laserbasiertes Training für die Abwehr von Drohnen entwickelt. Boris Pistorius (r.) lässt es sich vorführen. © IMAGO/Felix Zahn

Der SPD-Politiker besucht an diesem Tag den "Cyber Innovation Hub" der Bundeswehr. In dem braunen Backsteingebäude in Berlin-Charlottenburg zeigt sich die Truppe im Kleinen, wie sie gerne auch als Ganzes wäre: innovativ, flexibel, schnell. Das Konzept hat sich das Verteidigungsministerium von den USA und Israel abgeschaut, in Europa ist so eine Einrichtung angeblich einzigartig.

Für Probleme und Herausforderungen, die den Soldatinnen und Soldaten in Übungen und im Einsatz auffallen, sollen die Mitarbeiter hier zusammen mit Unternehmen Lösungen finden. Von der ersten Idee bis zur Erprobung eines Projekts sollen höchstens drei Monate vergehen. Das gefällt dem Verteidigungsminister. "Mehr Start-up als Behörde", sagt Pistorius.

Drohnen werden Kriegsgeschehen prägen

Hub-Leiter Sven Weizenegger lässt Pistorius bei dessen Besuch unter anderem das Laser-Training vorführen. Soldatinnen und Soldaten sollen damit günstig und realitätsnah üben, wie sie eine feindliche Drohne abschießen. Den Anstoß dazu lieferten, wie bei vielen Projekten, die Berichte und Erfahrungen aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine.

Auch weit hinter der Frontlinie laufen Armeeangehörige Gefahr, Opfer von sogenannten First-Person-View-Drohnen zu werden, die zum Beispiel mit Sprengsätzen beladen sind. "Soldaten werden fast immer davon überrascht", erklärt Christoph Ritschel vom Cyber Innovation Hub. Oft höre man die Drohne, bevor man sie sieht. Dann bleiben im Durchschnitt 4,5 Sekunden, um sie unschädlich zu machen. Doch die schnell bewegliche Drohne sofort zu treffen, ist auch mit einer Waffe in der Hand schwierig. Mit dem laserbasierten Training sollen Soldatinnen und Soldaten daran arbeiten.

Drohnen spielen beim Rundgang des Ministers eine große Rolle. Sie prägen das Kriegsgeschehen der Gegenwart und der Zukunft. Im Ukraine-Krieg werden so viele Drohnen eingesetzt wie nie zuvor in einem Krieg.

In Deutschland hat die Politik lange darüber gestritten, ob sich auch die Bundeswehr Kampfdrohnen zulegen soll. Seit diesem Jahr hat die Luftwaffe die erste bewaffnete Drohne übernommen. Im Cyber Innovation Hub werden die unbemannten Flugkörper auch für Verteidigungszwecke entwickelt.

Die Interceptor-Drohne zum Beispiel kann mithilfe von Künstlicher Intelligenz feindliche Drohnen ansteuern. Das Fluggerät selbst ist aus Kunststoff und stammt aus dem 3D-Drucker. Weil es mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h unterwegs ist, kann schon der bloße Aufprall das feindliche Objekt zerstören. Dieses Modell ist um ein Vielfaches billiger, als Drohnen mit teuren Raketen abzuschießen, wie es jetzt noch häufig der Fall ist.

Die Interceptor-Drohne stammt aus dem 3D-Drucker und kann durch ihren bloßen Aufprall feindliche Kampfdrohnen zerstören. Verteidigungsminister Boris Pistorius (Mitte) lässt sie sich im Cyber Innovation Hub präsentieren. © IMAGO/Felix Zahn

Drohne spürt Minen auf

Eine weitere Innovation hat der Hub zusammen mit einem Unternehmen aus Essen erarbeitet: Drohnen werden mit Software und einem Magnetometer versehen, spüren damit Minen auf und analysieren die Muster, in denen sie verlegt wurden. Antipersonen- und Antipanzerminen spielen in der Ukraine ebenfalls eine große Rolle und stellen dort eine große Gefahr dar – die Räumung der tückischen Todesfallen wird voraussichtlich Jahrzehnte dauern.

Das neue System "Minesweeper" sei ein "Paradigmenwechsel" in der Minenräumung, sagt Sven Weizenegger, weil man damit das Risiko für Soldaten minimiere. Bei einem Test haben man 50 von 50 versteckten Minen innerhalb von 47 Minuten gefunden.

Cyber Innovation Hub will "digitales Schnellboot" sein

Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr wurde 2017 gegründet. Seitdem habe es 180 Innovationsprojekte umgesetzt, von denen 40 von den Streitkräften aktiv genutzt werden, wie es aus dem Hub heißt. Dazu gehören auch Produkte, die nicht unmittelbar auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kommen – etwa eine App, mit der Soldatinnen und Soldaten kostenlose Bahntickets auf ihr Smartphone laden können.

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Der Hub bekommt 10 Millionen Euro pro Jahr aus dem Bundeshaushalt. Das klingt zunächst nach einer großen Summe, allerdings sind Forschung und Entwicklung der Innovationen kostenintensiv. "Wir werden mit dem Budget nicht auf Dauer klarkommen", räumt Pistorius ein.

In der Eigendarstellung wimmelt es nur so von schicken Slogans: Der Hub versteht sich als "digitales Schnellboot" der Truppe, man befördere die Innovationskultur, bringe Start-ups und Bundeswehr zusammen.

Der Hub in Berlin-Charlottenburg ist damit das Gegenstück zu einer Behörde in Koblenz. Dort sitzt das Beschaffungsamt der Bundeswehr, kurz BAAINBw. So umständlich wie die Abkürzung sind dort auch die Prozesse: Anschaffungen für die Truppe gelten als notorisch kompliziert und langwierig.

Das Problem ist seit langem bekannt, doch seine Lösung offenbar eine Mammutaufgabe. Auch der so oft gelobte Verteidigungsminister Pistorius hat sie noch nicht gefunden. "Wir brauchen flexiblere Systeme", sagt er nach seinem Rundgang. Man müsse nicht nur schneller, sondern auch anders bestellen. Im Idealfall müsse die Truppe immer die Produkte auf dem neuesten Stand der Technik bekommen – auch wenn der Liefervertrag schon alt ist.

Ein besseres Beschaffungssystem für die große Behörde in Koblenz wäre vielleicht auch ein mögliches Projekt für das Innovationszentrum in Berlin.

Verwendete Quellen

  • Pressetermin im Cyber Innovation Hub der Bundeswehr
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Teaserbild: © IMAGO/Felix Zahn