In der Ukraine wird der Einsatz von Drohnen immer wichtiger. Sie sind wendig, billig und tödlich. Während die Ukraine eine eigene Drohneneinheit aufbaut, schicken Partnerstaaten wie Großbritannien weiter Tausende der kleinen Flugobjekte ins Land – und diese verändern den Kriegsverlauf massiv.

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

Wenn das Surren kommt, leert sich die Straße ganz schnell. Es ist ein leises Surren, ähnlich einer Schmeißfliege und damit auch leicht zu verwechseln. Doch ertönt dieses Surren in der Nähe der Front, ist die Lage ernst. Es bedeutet Gefahr, es bedeutet: Du wirst gesehen – und der Ursprung des Surrens könnte die Jagd aufnehmen. Der Ursprung: eine Drohne.

Der Krieg in der Ukraine wirkte lange Zeit wie ein Krieg aus dem vergangenen Jahrhundert. Zu Beginn waren es vor allem Haubitzen, Panzer und Flugzeuge, die den Verlauf der Invasion bestimmten – Kriegsgeräte, die noch aus dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg stammten. Doch mittlerweile haben Drohnen den Krieg übernommen. Manch einer spricht vom ersten Drohnenkrieg überhaupt.

Auch deshalb investieren mittlerweile Partnerstaaten in die tödlichen Flugobjekte – wie zuletzt Großbritannien. London will die Ukraine im Kampf gegen Russland mit insgesamt 10.000 militärischen Drohnen unterstützen.

Was aber macht den Einsatz von Drohnen derzeit so beliebt? Welche Arten gibt es und warum wird bei der wohl bekanntesten Drohne, der iranischen Shahed, über ihre Definition diskutiert?

Shahed, ein Streitthema unter Experten

Der Begriff Drohne weckt seit der Invasion eine neue Assoziation in den Menschen. Was zuvor in den Köpfen der Weltbevölkerung eher im Bereich Film oder dem persönlichen Vergnügen angesiedelt war, hat nun einen militärischen Touch bekommen. Denn jede Drohne, selbst die kleinste ihrer Art, kann zur tödlichen Waffe umfunktioniert werden. Drohnen sind billig, äußerst präzise, leicht zu beschaffen und vielfältig einsetzbar.

Das Cambridge Dictionary beschreibt eine Drohne als ein Fluggerät, das keinen Piloten hat, sondern von einer Person am Boden gesteuert wird und insbesondere zum Abwurf von Bomben oder zur Überwachung eingesetzt wird. In anderen Definitionen gibt es den Zusatz: Es kann sich um automatisierte oder ferngesteuerte Fahrzeuge handeln. Ein Streitthema ist daher die iranische Shahed 136.

Im Hintergrundgespräch berichten etwa deutsche Soldaten, dass in der Ausbildung die iranische Shahed nicht der Kategorie Drohne zugeordnet wird, weil sie nach dem Start nicht mehr gesteuert werden kann. Sie wird vorprogrammiert. Einmal losgeschickt, steuert sie ihr Ziel an – Änderungen sind nicht mehr möglich.

Es handle sich daher eher um einen Marschflugkörper, heißt es weiter. Auch wenn sie mit ihrem Zweitakt-Motor eigentlich zu langsam dafür sei. Die neue Version, die Shahed 238, ist im Übrigen nun auch im Nachhinein steuerbar.

Grund für Drohneneinsatz ist oft Ablenkung

Die Shahed oder auch ihr russisches Nachahmungsmodell werden häufig angewandt, um groß angelegte Angriffe auf Städte in der Ukraine zu fliegen. Vor allem im Sommer 2023 gab es davon viele.

Eine Drohne ist im Vergleich zu Raketen extrem günstig und noch dazu von der Luftabwehr schwer aufzuhalten. Doch der eigentliche Grund, warum Russland im vergangenen Jahr so viele Shaheds losgeschickt hat, war ein anderer: Ablenkung.

Während die Luftabwehr damit beschäftigt war, die Zivilbevölkerung vor den Shaheds retten zu wollen, konnte Russland Angriffe größeren Kalibers etwa auf Infrastruktureinrichtungen starten oder darauf warten, dass die meiste Munition der Ukrainer verbraucht war – um dann den eigentlichen Angriff auf die Stadt zu fliegen. Viele Einwohner in Kiew richteten sich bereits auf eine lange Nacht ein, wenn am Abend ein Drohnenangriff stattgefunden hatte.

Doch nicht bloß die Shahed kommt in der Ukraine zum Einsatz. Es gibt auf der Welt unzählige Drohnenmodelle, viele davon finden ihren Weg in die Ukraine – ob privat oder staatlich finanziert. Grundsätzlich lassen sich Drohnen in Kategorien einteilen:

  • "Small Unmanned Aerial Systems", also kleine unbemannte Flugobjekte mit einem Gewicht von bis zu fünf Kilogramm und einer geringen Reichweite.
  • "Light Unmanned Aerial Systems" sind Drohnen, die schwerer sind als fünf Kilogramm – eine Grenze bezüglich des Gewichts wird von hier an nicht mehr gezogen, sondern im Folgenden wird die Flughöhe und Zeit in der Luft unterschieden.
  • Größere Drohnen werden in zwei Kategorien unterscheiden: "Medium Altitude, Long Endurance" (fliegen etwa 10.000 Meter hoch und bleiben länger als 24 Stunden in der Luft) und "High Altitude, Long Endurance" (Flughöhe von etwa 20.000 Metern, ebenfalls mehr als 24 Stunden in der Luft).

All diese Drohnen werden meist zur Aufklärung genutzt, können aber mit nur leichtem Aufwand zu einer Kampfdrohne umgebaut werden. Es reicht ein Sprengsatz, der befestigt wird. Dann kann eine Drohne entweder eine Bombe fallen lassen oder selbst explodieren.

Drohnen verändern das Schlachtfeld

Anfang Februar kündigte der ukrainische Präsident Selenskyj die Schaffung einer eigenen Abteilung der Streitkräfte an, die sich mit Drohnen befassen soll. Bisher hatten vor allem private Spender oder Organisationen das Militär mit einfachen Drohnen versorgt. Die neue ukrainische Einheit für unbemannte Systeme zeigt: Kiew will Russland zumindest technologisch überlegen sein, denn traditionelle Waffensysteme wie Artillerie werden knapp.

Die Präsenz von Drohnen in der Ukraine hat die Aktivitäten auf dem Schlachtfeld dramatisch verändert: Die Überwachung wurde revolutioniert, was es Truppen extrem schwer macht, vom Überraschungsmoment zu profitieren. Dazu gelten sie als Präzisionswaffen, die viele der Funktionen von Artillerie und Raketen zu einem Bruchteil des Preises übernehmen können – sogar in besserer Qualität.

Videoaufnahmen von erfolgreichen Drohnenmissionen zeigen, wie die fliegenden Bomben etwa in geöffnete Luken von fahrenden Panzern steuern, wie sie flüchtende Soldaten bis in Häuser oder gar versteckte Schützengräben verfolgen – und explodieren.

Immer wichtiger wird zurzeit die sogenannte FPV-Drohne. First-Person-View: Der Drohnen-Pilot kann das Flugobjekt steuern und sieht alles, was die Drohne sieht – durch eine Brille. Auch diese haben wie übliche Kamikaze-Drohnen nur einen einzigen Einsatz.

73 russische Systeme in einer Woche zerstört

In den vergangenen zwei Jahren hat das ukrainische Militär das Drohnen-Thema mit bemerkenswertem Erfolg forciert. Parallel zu privaten Spenden und improvisierten Kampfdrohnen-Einheiten hat sich in der ukrainischen Technologieszene eine neue Industrie etabliert, die sich auf die Herstellung und Modifizierung von Drohnen spezialisiert hat.

Und die Kombination aus beidem ist effektiv: Anfang des Jahres berichtete der ukrainische Minister für digitale Transformation, Mykhailo Fedorov, die Drohneneinheiten des Landes hätten innerhalb einer Woche 73 russische Panzer und Luftabwehrsysteme, Treibstofflager und mehrere andere hochwertige Ziele zerstört. Auf See hätten Marinedrohnen dazu beigetragen, die russische Seeblockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen zu durchbrechen und den Großteil von Putins Flotte zum Rückzug von der Krim zu zwingen.

Und die Bemühungen beider Seiten reißen nicht ab. In der Nacht zum Samstag vermeldete das russische Verteidigungsministerium, dass vier russische Regionen Ziel eines massiven Drohnenangriffs gewesen seien. In der Nacht zum vergangenen Mittwoch hatte Russland wieder einen großangelegten Drohnenangriff auf die Ukraine gestartet.

Auf eine erfolgreiche Offensive der Ukraine in der Region Cherson reagierte Russland, Angaben des ukrainischen Generalstabs zufolge, erneut mit dem verstärkten Einsatz von Kampfdrohnen in der Stadt Cherson.

Verwendete Quellen


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.