Am Donnerstag stimmen die Briten zum dritten Mal in vier Jahren über ein neues Parlament ab. Premierminister Boris Johnson braucht eine deutliche Mehrheit, um das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 aus der EU zu führen. Zuletzt konnte sein Widersacher Jeremy Corbyn in den Umfragen aufholen. Fünf Fragen und Antworten zur Wahl.

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Von einer Schicksalswahl ist die Rede. Von der bedeutendsten Parlamentswahl in Großbritannien seit 1979, als die "Eiserne Lady" Margaret Thatcher erstmals Premierministerin wurde und eine ganze Ära prägte.

Am Donnerstag stimmen die Briten darüber ab, ob Amtsinhaber Boris Johnson eine Mehrheit im House of Commons erhält. Aber vor allem entscheiden sie darüber, wie es mit dem Brexit weitergeht.

Johnson will England, Schottland, Wales und Nordirland im Falle eines Wahlsiegs am 31. Januar 2020 aus der EU führen. Sein großer Widersacher Jeremy Corbyn von der sozialdemokratischen Labour Party hat im Wahlkampf ein zweites Referendum versprochen.

Das Dilemma für viele Wähler: Weder Johnson noch Corbyn sind laut Umfragen besonders populär, viele Bürger vertrauen ihnen nicht oder finden ihre politischen Ansichten zu radikal. Das "Handelsblatt" spricht von einer "Wahl zwischen Pest und Cholera".

In einer BBC-Umfrage von Dienstag lagen die konservativen Tories mit 43 Prozent zehn Punkte vor Labour, auf Platz drei folgten die EU-freundlichen Liberaldemokraten mit 13 Prozent vor der Brexit Party und der Schottischen Nationalpartei mit je vier und den Grünen mit drei Prozent.

Allerdings spiegeln die Prozentpunkte aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts die Sitzverteilung im Unterhaus nicht exakt wider.

Geht es bei der Abstimmung vor allem um den Brexit?

Eindeutig ja. Die Wahl ist nicht nur ein Votum für eine fünfjährige Legislaturperiode, sondern "ein Votum für immer, weil von ihrem Ausgang der EU-Ausstieg abhängt", schreibt die "Welt". Die Briten werden im Grunde zu einer Art zweitem Brexit-Referendum an die Urnen gerufen.

Johnson machte den EU-Austritt, der 2016 beschlossen und nun schon zweimal verschoben wurde, zu seinem zentralen Wahlkampfthema. Ob es um die schwächelnde Konjunktur, die bessere Ausstattung des Gesundheitssystems, den Ausbau der Polizeipräsenz oder die vergiftete Stimmung im Land ging: Der verzögerte Brexit ist in Johnsons Augen die Ursache aller Probleme. Sein Motto: "Get Brexit done!".

Jeremy Corbyn versuchte dagegen den Fokus auf Themen wie das marode Gesundheitssystem, die Stärkung des Sozialstaats und die Umverteilung von Wohlstand zu richten.

Aus gutem Grund: Corbyn will zwar ein zweites Brexit-Referendum. Aber er hat sich in diesem Fall einen strikten Neutralitätskurs verordnet, um jene Labour-Wähler nicht zu verprellen, die den Brexit befürworten. Johnson attackierte seinen Widersacher – vor allem in den TV-Duellen – daraufhin immer wieder als unentschlossen und führungsschwach.

Was sagen die Parteien konkret zum Brexit?

Boris Johnson wollte das Land bereits am 31. Oktober aus der EU führen. Aber im Parlament musste er nach seinem Amtsantritt Ende Juli mehrfach Niederlagen für seinen Brexit-Deal einstecken.

Sollte der Premier die Wahl gewinnen, will er seinen Deal mit der EU schnell vom House of Commons absegnen lassen und den Austritt am 31. Januar vollziehen.

Danach soll mit Brüssel bis Ende 2020 ein neues Freihandelsabkommen vereinbart werden. Ein sehr ehrgeiziger Plan, denn schon die Austrittsverhandlungen zogen sich über mehr als drei Jahre hin.

Labour dagegen möchte mit Brüssel binnen drei Monaten einen neuen Brexit-Deal verhandeln und diesen binnen sechs Monaten den britischen Wählern zur Abstimmung vorlegen.

Die kleineren Parteien wie die Liberaldemokraten, die Schottische Nationalpartei und die Grünen sind strikt proeuropäisch eingestellt, sie lehnen den Brexit ab und würden ein zweites Referendum stützen. Die Brexit Party von Nigel Farage befürwortet einen harten Brexit.

Was passiert, wenn Boris Johnson keine Mehrheit bekommt?

Bei unklaren Mehrheitsverhältnissen droht ein sogenanntes "Hung Parliament". In diesem Fall müsste sich Johnson einen Koalitionspartner suchen. Zuletzt gab es zwischen 2010 und 2015 ein Bündnis zwischen Tories und Liberaldemokraten.

Dass die "Lib Dems" dieses Mal erneut als Mehrheitsbeschaffer fungieren, gilt – Stand jetzt – als unwahrscheinlich. Ihre Parteichefin Jo Swinson ist erklärte Brexit-Gegnerin und würde den EU-Austritt am liebsten – ohne erneute Volksabstimmung – einfach nur absagen. Für Brexit-Befürworter wie Johnson ist das nah am Verrat.

Die realistischere Möglichkeit wäre eine Koalition aus Labour, schottischen Nationalisten und Liberaldemokraten. In diesem Fall würde es vermutlich ein zweites Referendum geben, das Brexit-Drama ginge weiter.

Allerdings hat es Jo Swinson ausgeschlossen, mit dem aus ihrer Sicht zu linken Jeremy Corbyn zusammenzuarbeiten. Sie würde einer Koalition nur mit einem anderen Labour-Premierminister zustimmen. Ob sich die Partei darauf einlässt, scheint mehr als zweifelhaft.

Droht der Zerfall des Vereinigten Königreichs?

Das war ein Szenario, das Boris Johnson immer wieder mit einem Wahlerfolg von Labour in Verbindung brachte. Corbyn, behauptete Johnson in der ersten TV-Debatte, würde sich ein Koalitionsversprechen der Schottischen Nationalpartei (SNP) von Nicola Sturgeon sichern, indem er den Schotten als künftiger Premierminister ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum zugestände.

Sturgeon und Corbyn wiesen diese Unterstellung zurück. 2014 hatten sich die Schotten mit 55,3 Prozent klar für den Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen. Allerdings votierten 2016 auch 62 Prozent der Schotten gegen den Brexit, viele befürchten negative Folgen für die Wirtschaft.

SNP-Chefin Sturgeon ist so oder so fest entschlossen, 2020 ein weiteres Mal über die Unabhängigkeit ihres Landes abstimmen zu lassen. Sollte Johnson Premier bleiben, wäre das der einzige Weg, um Schottland nach dem Brexit in der EU zu halten. Dieses Mal stünden die Chancen auf ein "Ja" deutlich höher als 2014.

Wer wird die Wahl gewinnen?

Wahlbeteiligung, taktisches Wählen, unentschlossene Wähler: Auch einen Tag vor der Abstimmung gab es noch viele Unwägbarkeiten. Obwohl die Konservativen in den Umfragen seit Wochen deutlich vor Labour liegen, ist eine Alleinregierung keineswegs gewiss. Zumal die Demoskopen zuletzt ein leichtes Schmelzen des Vorsprungs beobachteten.

Auch andere Gründe schmälern die Aussagekraft der Prognosen. Dass die Bürger knapp zwei Wochen vor den Feiertagen und kurz vor Winterbeginn an die Urnen gerufen werden, könnte die Wahlbeteiligung verringern. Die allgemeine Brexit-Müdigkeit könnte ebenfalls einen negativen Effekt haben.

Hinzu kommt die Frage, wie fleißig junge Wähler zu den Urnen schreiten werden. Laut "Guardian" haben sich mehr als drei Millionen Briten seit Bekanntgabe des Wahltermins neu registrieren lassen, darunter zwei Drittel unter 34-Jährige. Der Erfahrung nach sind sie eher EU-freundlich eingestellt – und dürften daher eher gegen die Konservativen stimmen.

Und schließlich bilden die taktischen Wähler eine weitere unbekannte Variable. Da im britischen Mehrheitswahlrecht nur die Stimmen der Partei zählen, die einen Wahlkreis gewinnt, könnten viele Wähler der pro-europäischen Liberaldemokraten im letzten Moment für Labour votieren, um ein zweites Brexit-Referendum zu ermöglichen.

Das würde vor allem dort Sinn ergeben, wo Labour nur knapp hinter den Tories liegt und die "Lib Dems" chancenlos sind. Spannung ist bis zuletzt garantiert.

Quellen:

Johnson Werbespot

Boris Johnson wirbt mit "Tatsächlich... Liebe"-Spot - So reagiert Hugh Grant

Der britische Premierminister Boris Johnson hat den Film ''Tatsächlich… Liebe'' aus dem Jahr 2003 in einem Wahlwerbespot parodiert. In dem Video fordert er die Wähler auf, für seinen Brexit-Kurs zu stimmen.
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