Am Ende stehen widersprüchliche Schuldzuweisungen. Der zweite Gipfel von Trump und Kim in Hanoi endete vorzeitig ohne Einigung. Strittig ist besonders die Lockerung der Sanktionen und das Ausmaß der geplanten atomaren Abrüstung. Donald Trump sieht sich zudem Kritik in den USA an seinem Umgang mit der Affäre Warmbier ausgesetzt.
Mit dem Scheitern des Gipfels zwischen
Der US-Präsident und Nordkoreas Machthaber konnten sich nach zweitägigen Gesprächen in Hanoi nicht einmal auf Minimal-Kompromisse einigen.
Das Treffen endete vorzeitig im Streit über Abrüstung und Aufhebung von Sanktionen. Trump sagte vor dem Rückflug in die USA: "Ich hätte etwas unterschreiben können. Aber es ist besser, etwas richtig zu tun als schnell."
Nordkorea widerspricht Donald Trumps Begründung
Beide Seiten schoben sich gegenseitig die Schuld für das Scheitern zu. Trump sagte, Nordkorea habe die vollständige Beendigung der Sanktionen verlangt. Auch seien die geplanten Abrüstungsschritte nicht weit genug gegangen.
In einer kurzfristig gegen Mitternacht Ortszeit anberaumten Pressekonferenz widersprach Nordkoreas Außenminister Ri Yong Ho in einem seltenen Auftritt vor Journalisten und betonte, dass sein Land nur eine teilweise und nicht die völlige Aufhebung der Sanktionen gefordert habe.
Die gleichzeitig angebotene atomare Abrüstung sei die weitreichendste Maßnahme, die für sein Land derzeit machbar sei.
Neben der Enttäuschung über das politische Scheitern des Gipfels, sorgte Trump in den USA auch mit seiner Haltung in der Affäre um den nach nordkoreanischer Haft verstorbenen US-Studenten Otto Warmbier für Entsetzen und Empörung.
Entsetzen über Trumps Aussage zu Otto Warmbier
Kim "sagt mir, dass er nichts darüber wusste, und ich nehme ihn beim Wort", hatte Trump auf eine Journalisten-Frage kurz nach Bekanntgabe des Gipfel-Abbruchs erklärt.
Kim habe den Fall zwar "sehr gut gekannt, aber erst später davon erfahren", sagte Trump weiter. In nordkoreanischer Haft seien "einige sehr schlimme Dinge" mit Warmbier passiert.
Trump deutete an, dass Kim nicht über alle Gefangenen in seinem Land Bescheid wissen könne. "Großes Land, viele Leute. Und in diesen Gefängnissen und diesen Lagern hat man viele Leute."
Der Student war während einer Nordkorea-Reise Anfang 2016 wegen des angeblichen Diebstahls eines Propaganda-Posters zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Er fiel unter ungeklärten Umständen ins Koma und wurde schließlich freigelassen. Im Juni 2017 starb er wenige Tage nach seinem Rücktransport in die USA.
Ein US-Gericht kam im vergangenen Dezember zu dem Schluss, dass der 22-Jährige in Nordkorea gefoltert wurde. Pjöngjang hat jegliche Misshandlung Warmbiers bestritten und erklärt, der Student habe sich eine schwere Nahrungsmittelvergiftung zugezogen.
"Abscheuliche" Aussage zu Warmbier
Dass Trump nun Kims Angaben Glauben zu schenken scheint, sorgte in den USA parteiübergreifend für empörte Reaktionen. "Natürlich wusste Kim davon", schrieb der einflussreiche demokratische Senator Mark Warner im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Anscheinend ist der Präsident der Vereinigten Staaten der Einzige, der diese offensichtliche Lüge glaubt."
Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, der Demokrat Adam Schiff, bezeichnete Trumps Äußerungen als "abscheulich".
Der demokratische US-Senator Mark Warner schrieb auf Twitter: "Die Diktatoren der Welt haben die Botschaft bekommen: Du kannst mit allem davonkommen, solange du danach Donald Trump belügst."
Der demokratische Senator Chris Van Hollen warnte, die USA dürften "Kim Jong Un nicht einen Blankoscheck dafür ausstellen, einen der unseren zu foltern und zu ermorden".
Tim Kaine, ebenfalls demokratischer Senator, warf Trump vor, sich an die Seite von "Diktatoren" anstelle von US-Bürgern zu stellen.
Auch der Minderheitsführer von Trumps Republikanern im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, kritisierte den US-Präsidenten. "Ich sehe Nordkoreas Führer nicht als jemanden an, der ein Freund ist. Wir alle wissen, was mit Otto passiert ist, wir wissen, was dieses Land getan hat."
Chancen auf eine Friedenslösung deutlich verringert
Für Trump, der durch belastende Aussagen seines Ex-Anwalts Michael Cohen unter Druck steht, hat der Gipfel von Hanoi somit wenig Positives bewirkt. Mit einem Erfolg auf internationaler Bühne hätte er von Negativ-Schlagzeilen zuhause ablenken können. Der erhoffte Friedensnobelpreis liegt nun noch weiter in der Ferne.
In der zu Trumps Erklärung widersprüchlichen Stellungnahme erklärte Nordkoreas Außenminister Ri Yong Ho am späten Abend, das Abrüstungsangebot stehe und werde sich auch in Zukunft nicht ändern.
Bei einer Aufhebung derjenigen Sanktionen, die besonders die zivile Wirtschaft und das Leben der Menschen gefährdeten, wolle Nordkorea "permanent und vollständig alle nuklearen Produktionsstätten" im Bereich des wichtigsten Atomkomplexes Yongbyon beseitigen.
Dazu sollten auch US-Inspekteure zugelassen werden. In Yongbyon gibt es einen Reaktor sowie Anlagen zur Herstellung von Plutonium und zur Anreicherung von Uran, was beides der Atombombenherstellung dient.
Bei dem Gipfel habe Nordkorea ferner die Absicht erklärt, dauerhaft die Versuche mit Atomwaffen und Langstreckenraketen auszusetzen, bekräftigte der Außenminister.
Experten: Nordkorea muss gar nicht mehr testen
Die jüngste Atommacht der Welt hat seit November 2017 keine Atom- und Raketentests mehr unternommen. Experten sind der Ansicht, dass das Waffen-Arsenal so weit entwickelt ist, dass keine weiteren Tests mehr nötig sind.
Trump sagte hingegen, dass die Abrüstungsangebote nicht ausreichten. "Sie waren bereit, einen großen Teil der Bereiche atomar abzurüsten, die wir wollten. Aber wir konnten nicht alle Sanktionen dafür aufheben. So werden wir weiterarbeiten und sehen."
Pläne für einen dritten Gipfel gibt es allerdings nicht. Das Weiße Haus erklärte nur, die "jeweiligen Teams" wollten die Gespräche fortsetzen.
Ähnliche Töne kamen auch aus Nordkorea. Der Dialog über die atomare Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel solle auch nach dem Scheitern des Gipfels fortgesetzt werden, heißt es in nordkoreanischen Staatsmedien.
Die nordkoreanische Staatsagentur KCNA meldete am Freitagmorgen, beide Seiten hätten sich auf einen anhaltenden Dialog zur "Denuklearisierung" geeinigt.
China und Südkorea hatten zuvor enttäuscht reagiert und die USA und Nordkorea gedrängt, im Gespräch zu bleiben. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer "schlechten Nachricht für die Welt". Japans Ministerpräsident Shinzo Abe hingegen lobte Trump dafür, dass er hart geblieben sei und keine Konzessionen gemacht habe.
Die Führung in Pjöngjang sieht ihr Atomarsenal als eine Art Lebensversicherung gegen mögliche Angriffe oder Umsturzversuche.
(dpa/af/mwo)
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