Gehard Schindler wollte seine Erinnerungen an die Präsidentenzeit beim deutschen Auslandsgeheimdienstes aufschreiben. Dem Kanzleramt gingen viele Details zu weit. Nun legt er Thesen vor, die ebenfalls für Ärger sorgen könnten.
Der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler hat die Politik von
Der Satz habe, wenn auch ungewollt, enorme Sogwirkung entfaltet. Schindler plädiert zudem für ein "realitätsnahes Integrationskonzept" für die Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland.
Der heute 68-Jährige war in Zusammenhang mit der Affäre um die weltweite Datenschnüffelei des US-Geheimdienstes NSA und BND-Abhöraktionen gegen befreundete Staaten entlassen worden. Er führte den deutschen Auslandsgeheimdienst von Anfang 2012 bis Juni 2016.
Das Kanzleramt versetzte Schindler damals gegen seinen Willen in den einstweiligen Ruhestand. Bislang war er mit Kritik an der Flüchtlingspolitik nicht groß in Erscheinung getreten.
Kritik an nicht geschlossener Grenze 2015
Über Merkels Handeln schreibt Schindler nun, zu Beginn der Flüchtlingskrise "wäre ein rechtzeitiges Signal an die Herkunftsländer - zum Beispiel durch ein Schließen der Grenze zu Österreich - wichtig gewesen". Dies sei leider ausgeblieben, "vor allem aus Angst vor unangenehmen Fernsehbildern an den deutschen Grenzen".
Das "Dogma der bedingungslosen Offenhaltung unserer Grenzen" sei auch damit begründet worden, "dass faktisch eine Grenzschließung gar nicht möglich sei. Im Zuge der Coronakrise ging es dann doch!"
Bei seinen Gesprächen mit Geheimdienstchefs aus aller Welt sei "ausnahmslos Fassungslosigkeit über die deutsche Vorgehensweise zu verzeichnen" gewesen, berichtet Schindler aus seiner Amtszeit. Innerhalb eines halben Jahres - der zweiten Jahreshälfte 2015 - hätten "die hierfür Verantwortlichen es geschafft, Deutschland in Europa zu isolieren und die Gesellschaft in Deutschland zu spalten".
Erforderlich sei nun eine weitere deutliche Reduzierung des Zuzugs sowie die konsequente Abschiebung abgelehnter und straffälliger Asylbewerber.
Streit mit Kanzleramt um Geheimhaltung
Eigentlich hatte Schindler eine Art Autobiografie mit Erinnerungen an seine BND-Zeit geschrieben. Bei der Prüfung des Entwurfs auf mögliche Geheimhaltungsverstöße hatte das Kanzleramt aber zahlreiche Stellen kommentiert oder gestrichen.
Aus seiner Sicht seien die geschilderten Episoden nicht mehr unter die Geheimhaltung gefallen, sagt Schindler. Er habe aber nicht gegen seinen früheren Dienstherrn klagen wollen. Deshalb habe er sich entschieden, ein Sachbuch zum Thema Sicherheit zu schreiben.
Der ehemalige BND-Chef fordert darin eine Gesamtrevision der deutschen Sicherheitsarchitektur. Nötig sei eine weitreichende Neuordnung des Auslandsgeheimdiensts sowie von Verfassungsschutz und Polizei.
Weil sich Terrorismus nicht mehr sinnvoll in Inland und Ausland trennen lasse, soll das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig sein. Ein neuer technischer Geheimdienst nach Vorbild etwa der US-amerikanischen NSA soll die Überwachung der Telekommunikation übernehmen. Schindler schlägt zudem vor, den BND dem Verteidigungsministerium zu unterstellen statt dem Kanzleramt.
Überraschende Einschätzung zu türkischen Imamen und zum Kopftuchstreit
Der Ex-Geheimdienstchef stellt ferner eine wachsende Parallelgesellschaft unter den in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln fest. "Diesen gefährlichen Trend der Abwendung von Deutschland und der Idealisierung der Türkei durchbrechen wir nicht mit mehr und härteren Forderungen." Er plädiert dafür, dem türkischen Staat zu erlauben, türkischsprachige Schulen in Ergänzung zu staatlichen deutschen Schulen zu betreiben.
Die Forderung, dass vom Religionsministerium in Ankara bezahlte Imame auf Deutsch statt auf Türkisch predigen sollten, sei aus Sicherheitsgründen nicht erforderlich. Diese Predigten ließen keinerlei Gewalttendenzen erkennen - "im Gegensatz zu den arabischen religiösen Zentren".
Überraschend ist auch eine weitere Einschätzung des Ex-BND-Chefs: Der Widerstand gegen das Tragen eines Kopftuchs durch Lehrerinnen oder Richterinnen "macht dies oft erst zum politischen Statement". © dpa
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