Zum ersten Mal in der Geschichte der USA wird ein ehemaliger Präsident strafrechtlich verurteilt. Die Jury im New Yorker Schweigegeld-Prozess spricht Donald Trump in allen Anklagepunkten schuldig.

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Im historischen Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin haben die Geschworenen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in allen Punkten schuldig gesprochen. Das teilte die Jury am Donnerstag in New York mit.

Der ehemalige Präsident Donald Trump (r.) im Manhattan Criminal Court in New York. © dpa/ASSOCIATED PRESS/Elizabeth Williams

Es ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat verurteilt worden ist. Trump, der am Nachmittag im Gerichtssaal gelassen gewirkt hatte, nahm das Urteil äußerlich ungerührt und mit versteinerter Miene hin. Vor dem Gerichtssaal bezeichnete er die Entscheidung in einer kurzen Stellungnahme als "Schande" und sagte: "Ich bin ein sehr unschuldiger Mann." Sein Anwalt kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Strafmaßverkündung am 11. Juli 2024

Richter Juan Merchan legte den 11. Juli als Datum für die Verkündung des Strafmaßes fest. Wenige Tage später beginnt der Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee. Dann dürfte Trump, der nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weiße Haus einziehen will, offiziell von seiner Partei zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden.

Ihm droht nach dem Schuldspruch in New York eine Geldstrafe oder eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Doch auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung könnte der Republikaner bei der Präsidentenwahl antreten. Das würde selbst im sehr unwahrscheinlichen Fall gelten, dass er dann schon eine Haftstrafe im Gefängnis absitzt.

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Die Staatsanwaltschaft warf Trump vor, er habe seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verbessern wollen und den Geldfluss anschließend unrechtmäßig verbucht. Dazu hatten die sieben Männer und fünf Frauen der Jury seit Mitte April die Aussagen von mehr als 20 Zeuginnen und Zeugen angehört - die Beratungen der Geschworenen liefen seit Mittwoch.

Obwohl die - von keiner Seite bestrittene - Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dadurch habe er sich der illegalen Wahlkampf-Finanzierung in 34 Fällen schuldig gemacht. Trumps Anwälte hatten argumentiert, es habe sich um gewöhnliche Anwaltshonorare gehandelt.

Prominente Republikaner und glühende Anhänger Trumps reagierten empört auf den Schuldspruch. "Heute ist ein beschämender Tag in der amerikanischen Geschichte", schrieb der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, auf der Plattform X. Das Urteil sei "falsch" und "gefährlich".

Trump gibt sich kämpferisch

Trump wirkte am Donnerstag vor Gericht nach außen hin so entspannt wie an kaum einem anderen der Verhandlungstage. Als er und alle Prozessbeteiligten gegen 16:30 Uhr New Yorker Zeit schon davon ausgingen, dass die Jury-Beratungen sich in den Freitag ziehen würden, kam plötzlich Richter Merchan in den Saal und verkündete, dass die Jury ein Urteil gefällt habe und nur noch das notwendige Formular ausfüllen müsse.

Schlagartig änderte sich die Stimmung im Gerichtssaal 1530. Trump, der gerade noch mit seinem Anwalt Todd Blanche angeregt geredet und sogar geschmunzelt hatte, wurde still und starrte mit versteinerter Miene geradeaus. So nahm er dann auch das Urteil eine halbe Stunde später hin: Der Vorsitzende der Jury stand auf und bekam nacheinander alle Anklagepunkte vorgelesen. Seine Antwort 34 Mal in Folge: "Schuldig."

Vor dem Gerichtssaal sprach Trump danach kurz in die Fernsehkameras. Das eigentliche Urteil werde am Tag der Präsidentenwahl fallen werde, sagte er - also am 5. November. Dann fuhr er mit einer schwarzen Wagenkolonne zum Trump-Tower in New York. Am Eingang des Prunkbaus reckte er demonstrativ die Faust in die Luft und winkte den Schaulustigen zu.

Biden nutzt Urteil für Werbung in eigener Sache

Das Urteil dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken - die Frage dabei ist aber: wie stark und zu wessen Vorteil? Präsident Joe Biden, der im November wiedergewählt werden möchte, schrieb auf seinem privaten X-Account: "Es gibt nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office herauszuhalten: An den Wahlurnen."

Über sein Wahlkampfteam ließ der Demokrat mitteilen, dass niemand über dem Gesetz stehe. "Die Bedrohung, die Trump für unsere Demokratie darstellt, war noch nie so groß wie heute." Aus dem Weißen Haus hieß es lediglich, man respektiere das Rechtsstaatsprinzip und habe keinen weiteren Kommentar abzugeben.

Nachdem Trump im Schweigegeldprozess in allen Punkten für schuldig befunden wurde, feiern Anti-Trump-Demonstranten vor dem Manhattan Criminal Court. © dpa/ZUMAPRESS.com

Im eher liberal gesinnten New York versammelten sich nach der Urteilsverkündung Dutzende Schaulustige vor dem Gericht - einige von ihnen feierten das Urteil. So hielt eine Frau ein Schild mit der Aufschrift "Trump convicted" (deutsch: Trump verurteilt) in die Höhe und tanzte, auf dem Schild eines Mannes stand "guilty" (schuldig) auf dem eines anderen "Lock him up" (Sperrt ihn ein).

Andere Menschen lieferten sich hitzige Diskussionen mit Unterstützern von Trump. Auch zahlreiche Medienvertreter und ein Großaufgebot der Polizei waren wieder vor Ort. Der Park gegenüber dem Gerichtsgebäude war seit Beginn des Prozesses als - von der Polizei explizit ausgewiesener und bewachter - Versammlungsort für Schaulustige und Demonstranten genutzt worden.

Prozess wie ein Sportereignis

Der Prozess fand unter beispiellosem medialem Interesse und strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Downtown Manhattan statt. US-Medien hatten das Ereignis begleitet wie ein großes Sportevent und aus dem Gerichtssaal, in dem keine TV-Aufnahmen erlaubt waren, im Minutentakt zitiert. Dabei wurde auch jede Regung Trumps kommentiert, der bei den Sitzungen stets anwesend war und eigentlich nur die Farbe seiner Krawatte von Tag zu Tag variierte.

Ex-Präsident Donald Trump nach dem Schuldspruch in New York. © dpa/ASSOCIATED PRESS/Justin Lane

Für den kurzen Fototermin zu Beginn der Sitzung setzte Trump regelmäßig ein grimmiges Gesicht auf. Einige Zeugen-Befragungen schien er interessiert zu verfolgen, an anderen Tagen waren sich US-Medien sicher, dass er die Augen über längere Zeit geschlossen hielt, weil er eingedöst war.

Trump nutzte den Prozess und den Medienauflauf für den Wahlkampf und ließ sich vor dem Gerichtssaal häufig wütend über das seiner Meinung nach politisch motivierte Verfahren aus. Zwar demonstrierten seine Anhänger in der republikanischen Partei Loyalität und reisten zum Prozess.

Neben der Abwesenheit von Tochter Ivanka fiel aber vor allem auf, dass Ehefrau Melania Trump ihre öffentliche Unterstützung verweigerte.

Trump wirbt nach Verurteilung um Spenden - Biden zieht nach

Unterdessen bat Trumps Wahlkampfteam direkt nach dessen Schuldspruch bei Anhängern um Spenden. "Ich bin ein politischer Gefangener", hieß es in einer E-Mail des Trump-Teams und auf der Spenden-Webseite des Republikaners. "Ich wurde gerade in einem manipulierten Hexenjagd-Prozess verurteilt: Ich habe nichts falsch gemacht", hieß es weiter. "Aber mit eurer Unterstützung in diesem Moment der Geschichte werden wir das Weiße Haus zurückgewinnen und Amerika wieder großartig machen."

Auch das Wahlkampfteam von Trumps politischem Gegner, Amtsinhaber Joe Biden, rief seine Anhänger dazu auf, die Kreditkarten zu zücken. "Verurteilter Verbrecher oder nicht, Trump wird der republikanische Kandidat für das Präsidentenamt sein", schrieb das Team des Demokraten. Trump werde wegen des Schuldspruchs vermutlich Rekordsummen an Spenden einsammeln und könne dieses Geld dann für den Wahlkampf ausgeben. "Wenn ihr auf den perfekten Zeitpunkt gewartet habt, um eure erste Spende für die Wiederwahlkampagne von Joe Biden zu leisten, dann ist heute der richtige Tag dafür", hieß es weiter. (dpa/lag)

Trump: Biden ist "der schlechteste Präsident der Geschichte"

Am Rande einer weiteren Verhandlung im Stormy-Daniels-Prozess hat der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump über Amtsinhaber Joe Biden herzogen. Dieser könne keine zwei Sätze aneinander reihen und sei der schlechteste Präsident der Geschichte, sagte Trump.
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