FDP und AfD wollen die Bamf-Affäre um jeden Preis per Untersuchungsausschuss beleuchten. Die anderen Parteien präferieren eine Aufklärung im Innenausschuss. Im Zentrum steht die Frage: Was wusste Kanzlerin Angela Merkel?

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Die Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) steht im Verdacht, zwischen 2013 und 2016 mindestens 1.200 Menschen ohne ausreichende rechtliche Grundlage Asyl gewährt zu haben.

Konkret geht es um 18.000 positiv beschiedene Fälle. Sie werden nun vom Bundesamt für Verfassungsschutz untersucht.

Für zwei Oppositionsparteien ist es damit nicht getan: Sie fordern einen Untersuchungsausschuss.

Wer will einen Untersuchungsausschuss?

FDP und AfD wollen unbedingt einen Untersuchungsausschuss.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat am Montag einen Antrag für die Einsetzung eines U-Ausschusses gestellt. Am Donnerstag soll darüber erstmals im Bundestag beraten werden.

Linda Teuteberg (FDP) sagte, sie wolle herausfinden, wer im Bamf die politischen Entscheidungen getroffen habe - etwa, dass für die Bearbeitung der Asylanträge die Losung "Schnelligkeit vor Gründlichkeit" ausgegeben worden sei. Der FDP gehe es aber im Gegensatz zur AfD nicht um eine "Generaluntersuchung".

Die AfD will nicht nur die Bamf-Affäre in einem Untersuchungsausschuss beleuchten, sondern gleich Angela Merkels Flüchtlingspolitik insgesamt einer Prüfung unterziehen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, betonte, es müsse "alles auf den Tisch".

Wer ist dagegen?

Abgesehen von AfD und FDP halten die Parteien einen Untersuchungsausschuss aktuell für nicht notwendig.

Grüne und Linke wollen versuchen, die Probleme des Bamf in Sondersitzungen des Innenausschusses zu klären.

Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sagte am Rande einer Sitzung des Innenausschusses, ein U-Ausschuss könne bei der Aufklärung "allenfalls ein Mosaiksteinchen sein". Auch habe er den Eindruck gewonnen, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) wirklich um Aufklärung bemüht sei.

Einem Untersuchungsausschuss - dem schärfsten Instrument der Abgeordneten - muss ein Viertel aller Abgeordneten zustimmen.

Hat tatsächlich ein Gefährder Schutzstatus zugesprochen bekommen?

Ja. Seit dem Jahr 2000 haben ein sogenannter Gefährder und eine weitere Person aus dem islamistischen Spektrum über die Bremer Außenstelle des Bamf einen Schutzstatus erhalten.

Das hat das Bundesinnenministerium am Sonntagabend bestätigt.

Als Gefährder werden Personen bezeichnet, denen die Sicherheitsbehörden auch Terroranschläge zutrauen.

Gibt es weitere Personen mit islamistischem Hintergrund, die Schutzstatus erhalten haben?

Laut Ministerium gibt es bei weiteren 46 Personen Bezüge zum Islamismus, bei noch einmal 40 Menschen Bezüge zum Bereich ausländische, nicht islamistische Ideologien.

Dabei muss es sich nicht unbedingt um Extremisten handeln; es ist auch möglich, dass die Personen lediglich Verbindungen zu Verdächtigen haben, die sich in entsprechenden Szenen aufhalten.

Insgesamt haben demnach mindestens 115 nachrichtendienstlich relevante Personen einen Schutzstatus erhalten, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet. Alle diese Personen sind dem Verfassungsschutz bekannt und stehen unter Beobachtung.

Welche Auswirkungen hat die Bamf-Affäre?

Die manipulierten Asyl-Entscheidungen in Bremen erschüttern nicht nur das Vertrauen in die oberste Flüchtlingsbehörde. Sie haben auch weitreichende Konsequenzen in der Praxis: Der Berg der noch unbearbeiteten Asylanträge wächst.

Laut Innenministerium werden mit der Prüfung der 18.000 Fälle der Außenstelle Bremen "rund 70 Mitarbeiter für zirka drei Monate betraut" sein.

Wegen dieses zusätzlichen Personalaufwands bestehe das Risiko, dass der Bestand an offenen Asylverfahren von aktuell rund 50.000 auf etwa 80.000 steigen könne. Das Ziel einer Bearbeitungsdauer von drei Monaten bei neuen Verfahren sei dann nicht mehr zu halten.

Was sagt der Innenminister?

Horst Seehofer (CSU) hat in der Bamf-Affäre volle Transparenz bei der Aufklärung zugesichert.

Der Innenminister entschuldigte sich zudem im Namen der Bundesregierung für die Fehler, die in Bremen passiert sind.

"Der Vorgang in Bremen ist ein handfester, schlimmer Skandal", sagte Seehofer. Die Unregelmäßigkeiten im Bamf fallen in die Amtszeit seines Vorgängers, Thomas de Maizière (CDU).

Was wusste Angela Merkel?

Das ist eine der Fragen, die FDP und AfD in einem U-Ausschuss klären wollen. Laut FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae verdichten sich die Hinweise, dass sowohl die Kanzlerin als auch ihr Ex-Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (beide CDU) über die Lage im Bamf Bescheid wussten.

Der frühere Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise macht Berichten zufolge die Bundesregierung für den Skandal verantwortlich. "Die Krise war vermeidbar", zitieren "Bild am Sonntag" (BamS) und "Spiegel" ein vertrauliches Dokument, das Weise nach seinem Ausscheiden 2017 verfasst haben soll.

Laut BamS hatte Weise Merkel zweimal höchstpersönlich über die Missstände im Bamf informiert.

Mit Material der dpa
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