Mit ihren Äußerungen zu einem möglichen Parteiausschluss von Hans-Georg Maaßen hat sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer den Zorn der eigenen Partei zugezogen und eine Diskussion um ihre Führungsqualitäten ausgelöst. Der Blick auf die vergangenen Monate zeigt: Es war beileibe nicht das erste Mal, dass sich die als Merkel-Nachfolgerin gehandelte AKK selbst in Schwierigkeiten gebracht hat.

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Michael Spreng ist ein Mann, dem man nur sehr schwer Antipathie gegenüber der Union unterstellen kann. 2002 hat er als Wahlkampfleiter versucht, Edmund Stoiber (CSU) zum Kanzler zu machen. Im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2004 stand er CDU-Kandidat Jürgen Rüttgers als Medienberater zur Seite. Wenn nun dieser Mann der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Hang zu Fettnäpfchen und unüberlegten Aussagen attestiert, wie er es im Mai bei "Hart aber fair" getan hat, könnte da was dran sein.

Das Gefühl, dass Spreng recht hat, beschlich einen auch an diesem Wochenende wieder - nicht zum ersten mal, seit AKK im Dezember zur CDU-Vorsitzenden gewählt worden ist, und womöglich auch nicht zum letzten Mal.

Jein zum Reizwort Parteiausschluss

In einem am Samstag in mehreren Funke-Medien erschienenen Interview hat Annegret Kramp-Karrenbauer auf die Frage, ob sie über einen Parteiausschluss des konservativen Hardliners und Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen nachdenke, geantwortet: "Es gibt aus gutem Grund hohe Hürden, jemanden aus einer Partei auszuschließen. Aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet."

Das war zwar kein Ja - aber eben auch kein Nein, was sowohl beim rechten Flügel der Partei als auch bei vielen ostdeutschen CDU-Politikern gar nicht gut ankam. Schließlich stehen im September und Oktober in Sachsen, Brandenburg und Thüringen Landtagswahlen an. Und Maaßen, der Querulant mit den rechten Positionen, ist bei Teilen der ostdeutschen Basis durchaus beliebt.

Nun kann man AKK ihre ehrliche Antwort zugutehalten. Oder ihr mieses Timing und fehlendes politisches Gespür vorwerfen.

Verwirrung um Schwarze Null

Nur ein paar Tage vorher, am Donnerstag, hat Annegret Kramp-Karrenbauer Verwirrung um die Position der Union zur Schwarzen Null gestiftet. Keine neuen Schulden aufzunehmen, zählt zu den zentralen Wahlversprechen der CDU. Entsprechend überraschte die "ntv"-Meldung "Kramp-Karrenbauer bringt Abkehr von der 'Schwarzen Null' ins Spiel".

Wie sich herausstellte, hatte Kramp-Karrenbauer nie vor, die Schwarze Null aufzuweichen. Dumm nur, dass sie in einem Interview mit dem Sender die Schwarze Null mit der Schuldenbremse verwechselt hatte. Das Grundgesetz sehe Ausnahmen zur Schwarzen Null vor, etwa im Fall einer Wirtschaftskrise, hatte sie dem Sender gesagt. Gemeint hatte sie die sehr viel rigidere Schuldenbremse - die anders als die Schwarze Null tatsächlich im Grundgesetz verankert ist.

Kehrtwende ins Kabinett

Als sich Anfang Juli Ursula von der Leyens Wechsel zur EU abzeichnete, schloss Annegret Kramp-Karrenbauer explizit aus, dass sie deren Posten als Verteidigungsministerin übernehmen könnte. "Ich habe mich bewusst entschieden, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln", erklärte sie der "Bild".

Frei nach dem Motto "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern", sah die Sache zwei Wochen später ganz anders aus. Am 17. Juli wurde AKK Mitglied im Kabinett und war einmal mehr in Erklärungsnot.

Ärger um Erklärung der Wahlschlappe

Bei der Europawahl Ende Mai hat die CDU in Deutschland mit 29 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Als wäre das für eine CDU-Chefin nicht ärgerlich genug, hat sich Annegret Kramp-Karrenbauer dann so richtig Ärger eingehandelt, als sie zu der Schlappe Stellung nahm.

Nicht nur, dass sie mit der Floskel vom erreichten Wahlziel daherkam: Anstatt Geschlossenheit zu demonstrieren, machte sie die Junge Union und die Werteunion verantwortlich. Diese Gruppen hätten suggeriert, dass die Partei nach rechts gerückt sei, und damit Wähler verprellt.

Rezo und die Meinungsmache

Ein Video mit dem Titel "Die Zerstörung der CDU", veröffentlicht von Youtuber Rezo, wenige Tage vor der Europawahl, millionenfach geklickt. Klar, dass Annegret Kramp-Karrenbauer da nicht in Begeisterungsstürme ausbrach.

Nur: Musste sie gleich von "Meinungsmache" reden und eine Diskussion darüber anstoßen, ob vor Wahlen Veröffentlichungen im Internet reguliert werden sollten?

Keine Gnade für Schulschwänzer

Schon zwei Monate zuvor hat es sich Annegret Kramp-Karrenbauer mit manchem jungen Wähler verdorben. Die "Fridays for Future"-Demonstrationen für mehr Klimaschutz kommentierte sie mit dem Hinweis, es bleibe die Tatsache, dass die Jugendlichen dafür die Schule schwänzen. Und weiter: Ihren eigenen Kindern würde sie keine Entschuldigungen für die Fehltage schreiben.

Andere CDU-Größen zeigten sich anfangs keinen Deut aufgeschlossener gegenüber der Bewegung. Inzwischen dämmert manchem, dass Ignoranz die jungen Menschen in die Arme der politischen Konkurrenz treiben dürfte.

Toiletten-Witz geht daneben

Auch Karnevals-Witze sollten gut überlegt sein. Nicht so der, den Annegret Kramp-Karrenbauer Anfang März beim Narrengericht im baden-württembergischen Stockach vorgetragen hat.

Sie postulierte, Toiletten für das dritte Geschlecht seien etwas "für die Männer, die nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder sitzen müssen". Nicht nur intersexuelle Menschen konnten darüber nicht lachen.

Kein Feingefühl gegenüber Homosexuellen

Einen Mangel an Feingefühl zeigte die CDU-Chefin auch kurz nach Amtsantritt, als sie von Sandra Maischberger auf eine Äußerung von 2015 angesprochen wurde. Damals hatte Kramp-Karrenbauer gesagt, wenn die Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen eingeführt werde, seien "andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen".

Ob sie denn jemanden kenne, der seine Tante oder gleich mehrere Menschen heiraten wolle, wollte Maischberger wissen. Nein, gab AKK zu und verstieg sich zu einer Äußerung, für die sie Kopfschütteln erntete: Sie wolle darauf hinweisen, dass es bei der Ehe nicht immer um Sexualität ginge, sondern zuweilen auch um Steuervorteile, etwa bei "Verwandten, die gemeinsam alt werden wollen".

Verwendete Quellen:

  • "Bild" vom 3.7.19: "Der Besuch muss auf jedem Lehrplan stehen"
  • "ntv" vom 15.8.19: "Schwarze Null sieht Ausnahmen vor"
  • "Zeit" vom 27.5.19: "CDU-Chefin räumt nach Europawahl Fehler ein"
  • "Zeit" vom 15.3.19: "Es bleibt die Tatsache, dass sie dafür die Schule schwänzen"



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