Die Stimmung ist gelöst beim Treffen von Sebastian Kurz und Angela Merkel. Was nicht heißt, dass es keine Differenzen gäbe zwischen dem österreichischen Kanzler und seiner deutschen Kollegin. Auf einen "gemeinsamen Fluss" können sie sich aber einigen.

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Österreichs Kanzler Sebastian Kurz wirkt noch immer ganz beflügelt von der neuen Koalition seiner konservativen ÖVP mit den Grünen.

Er habe sich "dazu verleiten lassen, eine Wette einzugehen, nämlich dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass nach der nächsten Wahl in Deutschland vielleicht eine ähnliche Koalition realistisch ist", sagte er am Montag im Berliner Kanzleramt.

Als Einmischung in deutsche Politik wolle er das allerdings keinesfalls verstanden wissen, betonte er. Beim Klimaschutz übten Gastgeberin Angela Merkel (CDU) und er den Schulterschluss, ebenso beim Widerstand gegen anteilig höhere Ausgaben für den EU-Haushalt.

Merkel und Kurz: Uneinigkeit bei Frage der Seenotrettung

Beim Thema Migration endete die Einigkeit allerdings. "Deutschland könnte sich vorstellen, eine Wiederauflage auch einer Mission 'Sophia' zu unterstützen", sagte Merkel und wies auf die Bedeutung eines Waffenembargos für das Bürgerkriegsland Libyen hin. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte sich im Januar für eine Rückkehr europäischer Marineschiffe in das Seegebiet ausgesprochen.

Die 2015 gestartete EU-Mission "Sophia" hatte den Auftrag, Menschenschmuggler und Schleuser zu bekämpfen und beim Aufbau einer libyschen Küstenwache zu helfen. Die Schiffe wurden jedoch 2019 abgezogen. Bis dahin hatten sie fast 50 000 Migranten aus Seenot gerettet.

Aktuell seien in dem Gebiet sehr viele private Rettungsschiffe unterwegs, sagte Merkel. Da sei eine staatliche Mission, die auch das Thema Waffenschmuggel im Blick habe, doch besser.

Kurz sprach sich strikt dagegen aus. Er sagte, die Rettungsaktionen der Mission "Sophia" hätten in der Vergangenheit vor allem dazu geführt, dass "die Schlepper mehr verdient haben". Die Folge des Einsatzes seien mehr Bootsmigranten und mehr Tote auf dieser Route gewesen. Die Einhaltung des Waffenembargos für Libyen könne besser aus der Luft und zu gegebener Zeit auch an Land überwacht werden.

Kurz ist gegen Scholz' Aktiensteuer

Auch bei der von Deutschland befürworteten Finanztransaktionssteuer (Merkel: "eine sehr schwierige Kiste") gehen die Meinungen auseinander. Kurz gehen die Vorschläge von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht weit genug. Merkel mahnte hingegen Kompromissbereitschaft und baldige Fortschritte an.

Bei den anstehenden Verhandlungen über den künftigen EU-Haushalt nach dem Brexit sehen sich Deutschland und Österreich dagegen in einem Boot. Durch den Austritt Großbritanniens seien die Erwartungen an beide Länder noch größer geworden - die Möglichkeiten aber nicht unbedingt, sagte Merkel. "Wir werden uns hier sehr, sehr eng abstimmen."

Kurz betonte, der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission sei deutlich zu hoch. Diskutiert wird über die EU-Finanzen für die Jahre 2021 bis 2027. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, 1,11 Prozent der EU-Wirtschaftskraft in den langjährigen Haushalt fließen zu lassen. Über sieben Jahre würde sich das auf 1,14 Billionen Euro summieren. Deutschland und andere große Nettozahler wollen nicht mehr als 1,0 Prozent geben.

Merkel: "Jetzt kann wieder losgelegt werden, auch in Österreich"

Kurz' Neustart mit den Grünen - nach einem abrupten Aus der Koalition mit der skandalgeplagten rechten FPÖ - fand Merkels Wohlwollen: "Jetzt kann wieder losgelegt werden, auch in Österreich. Wir freuen uns darüber." Ob das auch für Deutschland eine Option sei? Merkel bescheinigte den Grünen eine "bessere Gesprächsfähigkeit" als noch vor Jahren.

Aber bis zur nächsten Wahl werde noch "viel Wasser die Spree oder die Havel oder wen auch immer hinunterfließen". "Donau!", warf Kurz ein. Merkel stutzte: "Die Donau bei uns weniger, aber auch – in Bayern. Ja, insofern können wir uns sogar auf einen gemeinsamen Fluss einigen."

Gelöste Stimmung

Die Stimmung wirkte gelöst zwischen Deutschlands Langzeit-Kanzlerin und dem 33-jährigen Österreicher. Sie duzen sich, wo sie übereinstimmten, nickte der eine den Worten des anderen bekräftigend zu.

Und die Kurz'sche Charmeoffensive endete nicht bei der Kanzlerin. "Froh, stolz und glücklich" sei sein Land über die 14 Millionen deutschen Urlauber pro Jahr, sagte der Österreicher.

Und schickte noch eine Einladung zum Wintersport hinterher: "Wir freuen uns auch über kurzentschlossene Gäste, die vielleicht einen Skiurlaub noch nicht geplant haben, aber doch jetzt kurzfristig noch von der Lust gepackt werden." (hub/dpa)

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