- 2021 jähren sich die Anschläge auf das World Trade Center zum zwanzigsten Mal.
- Nur wenige Ereignisse haben die Welt so sehr erschüttert.
- Dies ist das Minuten-Protokoll eines Tages, nach dem nichts mehr so war wie zuvor.
New Economy, Cool Britannia, die Börsen im Aufwind, politische Entspannung nach dem Kalten Krieg – die 90er Jahre sind voller Optimismus und Zukunftsgläubigkeit, man startet schwungvoll ins neue Jahrtausend. All das endet an einem sonnigen Morgen in New York, als zwei Passagierflugzeuge in das World Trade Center krachen.
Dies ist das Protokoll eines Tages, der eine neue Zeitrechnung begründete und die Geschichte in ein "Davor" und ein "Danach" teilte.
5:30 Uhr (alle Zeitangaben in MEZ): Es ist ein bedeckter, in weiten Teilen Deutschlands leicht regnerischer Tag. Das ARD-Morgenmagazin geht mit dem Thema des Tages auf Sendung: Roland Koch, Ministerpräsident von Hessen, fordert von deutschen Kindern mehr Respekt vor der Fahne.
11:00 Uhr: Im Berliner Reichstag beginnt eine Parlamentssitzung, an der auch Bundeskanzler
12:00 Uhr: Mohammed Atta und Abdulaziz al-Omari fliegen von Portland (US-Bundesstaat Maine) nach Boston.
11. September 2001 – ein ganz normaler Arbeitstag im politischen Berlin
13:30 Uhr: Gerhard Schröder trifft sich im Bundeskanzleramt zu einem Gespräch mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Währenddessen checken Mohammed Atta, Abdulaziz al-Omari, Satam al-Suqami, Wail al-Shehri und Waleed al-Shehri am Flughafen in Boston ein und boarden Flug AA 11 nach Los Angeles. Etwa zur gleichen Zeit boarden Marwan al-Shehhi, Fayez Banihammad, Mohand al-Shehri, Ahmed al-Ghamdi und Hamza al-Ghamdi Flug UA 175 ebenfalls mit Ziel Los Angeles.
13:59 Uhr: Flug AA 11 mit den Attentätern rund um Mohammed Atta startet vom Boston Logan Airport.
14:14 Uhr: Mit 14 Minuten Verspätung startet auch Flug UA 175.
14:19 Uhr: Die Flugbegleiterin Betty Ong unterrichtet das Fluglinienbüro von American Airlines darüber, dass ihre Maschine entführt wird. Ein Passagier und zwei Flugbegleiter seien erstochen worden.
14:25 Uhr: Mohammed Atta wendet sich mit einer Durchsage an die Passagiere, die versehentlich per Funk den Flughafen Boston erreicht. Nun ist auch der Luftfahrtbehörde klar, dass es sich um eine Entführung handelt.
Einschlag ins World Trade Center – ein Unfall mit einer Cessna?
14:46 Uhr: Flug AA 11 rast in den Nordturm des World Trade Centers. Die Boeing 767 schlägt mit etwa 780 Kilometern pro Stunde zwischen der 94. und 98. Etage ein. Rauch steigt auf. Da ein Unfall vermutet wird, werden die Menschen im Südturm aufgefordert, an ihrem Arbeitsplatz zu bleiben. Der amerikanische Nachrichtensender CNN unterbricht das laufende Programm und zeigt Live-Bilder aus Manhattan. Zunächst wird vermutet, ein Kleinflugzeug der Marke Cessna sei in den Turm gestürzt.
14:53 Uhr: Auch die deutschen Nachrichtensender n-tv und N24 senden nun Livebilder aus New York.
15:00 Uhr: Der amerikanische Präsident Georg W. Bush befindet sich in Sarasota, Florida, wo er die Emma E. Booker Elementary School besucht. Er will dort für seine Schulreform werben. Auf dem Weg dorthin bekommt er die Nachricht, dass ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen ist. Alle gehen von einem Unfall aus.
In Deutschland geht die 15-Uhr-Ausgabe der "Tagesschau" auf Sendung. Sprecher Claus-Erich Boetzkes vermeldet: "Aus dem World Trade Center in New York steigt dichter Rauch auf. Nach Berichten US-amerikanischer Fernsehsender ist eine zweimotorige Kleinmaschine in einen der beiden Türme des Wolkenkratzers gestürzt." Während er spricht, ist live in der "Tagesschau" zu sehen, wie ein zweites Flugzeug ins World Trade Center einschlägt und in einem riesigen Feuerball explodiert.
9/11 – "America is under attack"
15:03 Uhr: Flug UA 175 schlägt in den Südturm des World Trade Centers ein. Mit geschätzten 870 Kilometern pro Stunde bohrt sich die Maschine zwischen dem 77. und 85. Stockwerk in den Wolkenkratzer. Nun ist klar, dass es sich um einen Terroranschlag handelt. Umgehend wird die Evakuierung beider Gebäude angeordnet.
15:07 Uhr: George W. Bush sitzt im Klassenraum und lauscht den Schülern, die ihm vorlesen. Plötzlich beugt sich Andrew Card, Stabschef des Weißen Hauses, zum Präsidenten und flüstert ihm ins Ohr, dass ein zweites Flugzeug ins World Trade Center eingeschlagen ist: "America is under attack". Bush wirkt sichtbar verstört, bleibt jedoch noch weitere sieben Minuten sitzen und hört den Kindern zu. Dann geht er in einen Nebenraum, um sich die Fernsehbilder anzuschauen.
Irgendwann zwischen 15:03 Uhr und 16:00 Uhr: Im Kanzleramt trifft sich ein Krisenstab aus Kanzler Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer, Innenminister Otto Schily und Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Sicherheitsstufe 1 wird angeordnet, die Bewachung amerikanischer Einrichtungen wird verstärkt und ein Krisenstab im Auswärtigen Amt überprüft, ob auch deutsche Staatsbürger in den Flugzeugen saßen.
Ein Terroranschlag mitten in New York – Chaos, Panik, Verzweiflung
Währenddessen läuft die Evakuierung der brennenden Twin Towers. Die Menschen flüchten über die Treppenhäuser, Feuerwehrmänner eilen nach oben, den Bränden entgegen. Doch aus den oberen Stockwerken ist der Weg versperrt, und die Hitze breitet sich aus. Verzweifelte Menschen springen aus dem Fenster.
15:17 Uhr: Zum ersten Mal fällt der Name Osama bin Laden. Der CBS-Korrespondent Jim Stewart sagt, dass bin Laden vom Geheimdienst als Verdächtiger eingestuft wird. Bereits 1993 hatte die Terrororganisation Al Kaida, deren Kopf bin Laden ist, einen Anschlag auf das World Trade Center durchgeführt.
15:31 Uhr: Präsident Bush gibt in der Schulbibliothek in Sarasota ein kurzes Statement ab: "Heute erleben wir eine nationale Tragödie. Zwei Flugzeuge sind in das World Trade Center gestürzt … bei einem offensichtlichen Terroranschlag auf unser Land."
15:37 Uhr: Der Terror ist noch nicht vorbei. Eine dritte Maschine kracht ins Pentagon.
15:40 Uhr: Die amerikanische Luftfahrtbehörde verhängt ein Flugverbot über den gesamten Vereinigten Staaten – ein einmaliger Vorgang. Eine der wenigen Ausnahmen dürfte die Maschine des Präsidenten sein, der an einen geheimen Ort gebracht wird.
Bilder, die sich in das Gedächtnis der Menschheit einbrennen
15:43 Uhr: Das Weiße Haus und das Kapitol werden evakuiert. Abgeordnete und wichtige Regierungsmitarbeiter versammeln sich in einem Luftschutzbunker.
15:45 Uhr: Die "Tagesschau" titelt schlicht "Katastrophe". Der damalige USA-Korrespondent
15:59 Uhr: In Deutschland haben sich inzwischen viele Menschen vor den Fernsehgeräten versammelt. Was sie sehen, wird sich tief in das Gedächtnis der Menschheit einbrennen. Die tragenden Pfeiler der Gebäude sind massiv beschädigt, Hitze und Gewicht sind enorm. Der Südturm des World Trade Centers stürzt ein.
16:03 Uhr: Ein viertes Flugzeug stürzt in der Nähe von Shanksville, Pennsylvania ab.
16:28 Uhr: Auch der Nordturm kann sich nicht mehr halten und stürzt in sich zusammen. Eine gigantische Wolke aus Asche, Staub und Kleinstteilen rast durch die Häuserschluchten Manhattans. Das World Trade Center, stolzes Symbol des Kapitalismus und Wahrzeichen der westlichen Welt, existiert nicht mehr.
17:03 Uhr: Der New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani ordnet die Evakuierung des gesamten Südens von Manhattan an. Die Lage ist weiterhin undurchsichtig, weitere Häuser sind einsturzgefährdet.
Osama bin Laden – ist er der Drahtzieher hinter den Anschlägen?
17:43 Uhr: Die Taliban erklären, Osama bin Laden könne nicht für die Anschläge verantwortlich gemacht werden. Afghanistan steht seit geraumer Zeit in der Kritik, weil die Taliban dem Terroristenführer Unterschlupf gewähren.
18:00 Uhr: Bundeskanzler Gerhard Schröder tritt vor die Presse. Seine Worte: "Das deutsche Volk steht in dieser Stunde, die so schwer ist für die Menschen in den Vereinigten Staaten, fest an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika." Über Passagierlisten und Buchungsdaten identifiziert das FBI 19 Männer arabischer Herkunft als potenzielle Täter. Auffällig: Alle hatten One-Way-Tickets. Außerdem wurden die Flüge teilweise mit denselben Kreditkarten gebucht.
19:44 Uhr: Zwei Flugzeugträger und fünf weitere Kriegsschiffe laufen vor der Ostküste der USA aus. Sie sollen das Land vor eventuellen weiteren Angriffen schützen.
20:30 Uhr: Bundeskanzler Schröder betont in einem Statement die Solidarität mit dem Bündnispartner: "Es geht jetzt um Solidarität mit den Vereinigten Staaten, es geht um die Tatsache, dass Deutschland fest an der Seite der Vereinigten Staaten steht, und uneingeschränkte, ich betone das, uneingeschränkte Solidarität übt. Und damit sind alle im Bundestag vertretenden Parteien einverstanden." Schröder bringt damit zum Ausdruck, dass Deutschland auch in einem Krieg an der Seite der USA stehen wird. Genauso wird es kommen.
Das Ende des World Trade Centers ist der Beginn des Krieges gegen den Terror
23:20 Uhr: Mit dem WT 7 stürzt ein weiterer Wolkenkratzer ein. Das Gebäude war beim Einsturz des Nordturms stark beschädigt worden und hatte stundenlang gebrannt.
12. September, 2:30 Uhr: In den USA ist es Abend, als Präsident Bush sich mit einer Ansprache aus dem Oval Office an das amerikanische Volk wendet: "Terroranschläge können die Fundamente unserer größten Gebäude erschüttern, aber nicht das Fundament Amerikas." Bush verspricht, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen: "Ich habe alle Kräfte unserer Geheimdienst- und Strafverfolgungsbehörden angewiesen, die Verantwortlichen zu finden und sie vor Gericht zu stellen. Wir werden keinen Unterschied machen zwischen den Terroristen, die diese Taten begangen haben, und denen, die ihnen Unterschlupf bieten." Es ist der Beginn des "War on Terror", der uns bis heute beschäftigt.
Verwendete Quellen:
- National Commission On Terrorist Attacks Upon The United States: 9/11 Commission Report
- Tagesschau.de: So berichtete die ARD
- Deutschlandfunk.de: Ein Tag, der die Welt verändert hat
- tageschau.de: Die erste Meldung (ausgestrahlt, während das zweite Flugzeug das World Trade Center trifft)
- tageschau.de: Claus Kleber mit ersten Informationen über einen möglichen Anschlag
- www1.wdr.de: Die Terrorwelle in den USA
- americanrhetoric.com: George W. Bush 9/11 Address to the Nation
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