Etwa jedem dritten Betrieb droht im deutschen Hotel- und Gaststättengewerbe nach der Coronakrise die Pleite. Finanzminister Olaf Scholz stellt der Branche nun Hilfen in Aussicht: "Wir haben vor allem jene Branchen im Blick, für die es noch nicht so schnell wieder losgeht. Das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört sicherlich dazu"
Im deutschen Hotel- und Gaststättengewerbe droht wegen der Coronakrise nach Darstellung der Branche etwa jedem dritten Betrieb die Pleite. Rund 70.000 Hotel- und Gastronomie-Betriebe stünden vor der Insolvenz, warnte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) am Sonntag. Den gut 223.000 Betrieben gingen bis Ende April rund 10 Milliarden Euro Umsatz verloren.
"Ohne zusätzliche staatliche Unterstützung steht jeder dritte Betrieb vor der Insolvenz", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Dehoga, Ingrid Hartges, der "Bild am Sonntag". Die Bundesregierung stellte den von der anhaltenden Schließung besonders betroffenen Hoteliers und Restaurantbetreibern finanzielle Unterstützung in Aussicht.
Olaf Scholz stellt Gewerbe Hilfen in Aussicht
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Die Lockerungen für andere Bereiche ohne Perspektiven für die Gastronomie bezeichnete Hartges indes als große Enttäuschung. "Wir mussten als Erstes schließen und werden wohl auch mit am längsten zu leiden haben." Der Verband fordert eine verantwortungsvolle Öffnung von Restaurants und Cafés, die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 Prozent und einen staatlichen Rettungs-Fonds mit Direkthilfen für Betriebe, ähnlich der Dürre-Hilfen für Landwirte 2018.
Eine Mehrwertsteuersenkung von 19 Prozent auf den Einheitssatz von 7 Prozent fordert der Dehoga seit Jahren. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder pocht ebenfalls auf eine Mehrwertsteuersenkung. Die CSU will dies im Koalitionsausschuss ansprechen. "Die sieben Prozent müssen jetzt kommen in der Koalition", sagte Generalsekretär Markus Blume "Bild am Sonntag."
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CSU-Landesgruppenchef
Das "erste richtig positive Signal"
Der Berliner Dehoga begrüßte die in Aussicht gestellten Hilfen. Es sei das erste richtig positive Signal, sagte Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Dehoga-Landesverbands Berlin. "Wir hoffen, dass es bald umgesetzt wird."
Aus Sicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) muss sichergestellt sein, dass von Hilfen auch Arbeitnehmer profitieren. Die Mitarbeiter der seit Wochen geschlossenen Betriebe müssten meist mit dem Kurzarbeitergeld von 60 Prozent des letzten Nettolohns auskommen. Anders als andere Arbeitgeberverbände habe sich der Dehoga geweigert, über Tarifverträge eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes zu vereinbaren, kritisierte NGG-Chef Guido Zeitler.
Eine schnelle und unbürokratische Hilfe zur Krisenbewältigung im Gastgewerbe könne die von der Hans-Böckler-Stiftung vorgeschlagene zeitweilige Aussetzung der Mehrwertsteuer sein. Die bereits seit Jahren vom Dehoga geforderte dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent lehne die NGG dagegen weiterhin ab: "Es muss jetzt um Akutmaßnahmen gehen – eine ganze Branche auf Dauer von der Steuerlast zu befreien, wäre falsch", sagte Zeitler.
Die Linke im Bundestag spricht sich für eine Ausweitung der staatlichen Soforthilfen für kleine Firmen und Selbstständige aus, um auch deren Lebenshaltungskosten aufzufangen. Nur so lasse sich eine Pleitewelle bei kleinen Unternehmen wie Kneipen, Restaurants und Cafés verhindern, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag).
Aus Sicht des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Christian Dürr, sollten unter Vorgaben zur Hygiene und Zugangsbegrenzung auch Gastronomen ihre Geschäfte wenigstens wieder teilweise öffnen dürfen. Zudem müsse Scholz den Betrieben eine Liquiditätsbrücke bauen. Statt Steuern vorauszahlen, sollten Unternehmen eine sofortige Liquiditätsspritze vom Finanzamt bekommen. Der zweite Schritt wäre eine nachträgliche Steuersenkung.
Der Vorstandsvorsitzende der Fastfood-Kette McDonald’s Deutschland, Holger Beeck, sprach sich für Lösungen aus, wie Kredite zurückgezahlt werden könnten. "Restaurants, die vor der Krise nur mit Mühe Profite erzielen konnten, sich jetzt mit zusätzlichen Krediten über Wasser halten, werden es nach der Krise sehr schwer haben." Zum "Erhalt einer breitgefächerten Gastronomielandschaft" sollte die Mehrwertsteuer für die nächsten fünf Jahre auf einen einheitlichen Satz von 7 Prozent festgelegt werden. © dpa
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