- Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) strebt Verhandlungen mit Russland über den Kauf des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V an.
- Er ergreift die Initiative, nachdem die EU Kommission Deutschlands Forderung nach einem europäischen Vorstoß zurückgewiesen hat.
- Experten bezweifeln jedoch, dass Deutschland den Impfstoff dann, wenn er lieferbar ist, überhaupt noch benötigt.
Deutschland will mit Russland über mögliche Lieferungen des Corona-Impfstoffs Sputnik V sprechen. Die EU-Kommission habe erklärt, dass sie über das russische Präparat keine Verträge wie mit anderen Herstellern schließen werde, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag im WDR5-"Morgenecho". Daraufhin habe er bei einer Videokonferenz der EU-Gesundheitsminister erklärt, "dass wir dann bilateral auch mit Russland reden werden".
Der staatliche russische Direktinvestmentfonds RDIF, der das Vakzin im Ausland vermarktet, bestätigte am Abend Gespräche mit der Bundesregierung.
Dabei gehe es um einen Vorvertrag für den Kauf des Impfstoffes. Details wurden zunächst nicht genannt. Zuletzt hatte der Fonds bei Twitter geschrieben, Deutschland im dritten Quartal mit mehr als 20 Millionen Impfdosen versorgen zu können. Deutschland und Russland würden es verstehen, «dass die Rettung von Menschenleben Priorität hat und das Timing von entscheidender Bedeutung ist». Der russische Impfstoff ist den Angaben nach bereits in fast 60 Ländern registriert.
Zugleich betonte
EMA-Experten reisen diesen Monat nach Russland
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte Anfang März ein Prüfverfahren für Sputnik V im Rahmen einer sogenannten Rolling Review begonnen. Dabei werden Testergebnisse bereits geprüft, auch wenn noch nicht alle Daten vorliegen und noch kein Zulassungsantrag gestellt wurde. Im April wollen EMA-Experten Produktion und Lagerung des Impfstoffs in Russland begutachten. Die EU-Staaten Ungarn und Slowakei haben Sputnik bereits auf eigene Faust angeschafft, Ungarn erteilte eine Notfallzulassung.
Bislang hatte Deutschland Impfstoff ausschließlich zusammen mit den anderen EU-Staaten angeschafft. Diesen Weg hatte die Bundesregierung auch für Sputnik V gefordert - und eine Absage kassiert. Ein Sprecher der EU-Kommission betonte am Donnerstag jedoch, ein Vorgehen wie das von Deutschland bedeute nicht das Ende der europäischen Impfstoff-Strategie. Vielmehr stehe es Ländern frei, bilateral Impfstoff zu beschaffen, der nicht Bestandteil des gemeinsamen Vorgehens sei.
Stiko-Chef hält Sputnik V für vielversprechend
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, sagte im ZDF-"Morgenmagazin", die publizierten Daten zu Sputnik V "sehen sehr gut aus", er wisse aber nicht, was der EMA an zusätzlichen Daten vorliege. "Wenn der Impfstoff geprüft und zugelassen wird, hätte ich persönlich dagegen nichts einzuwenden." Der Gesundheitspolitiker und CDU-Europaabgeordnete Peter Liese forderte, man dürfe nicht aus politischen Gründen auf Sputnik verzichten. Falls die EMA das Präparat positiv bewerte und falls Russland schnell liefern könne, müsse man den Impfstoff auch aus Russland importieren. Schließlich könne es bei anderen Impfstoffen zu Lieferproblemen kommen. Jedoch sei er gegen nationale oder regionale Alleingänge; die EU-Kommission müsse handeln.
Spahn betonte nun, dass geklärt werden müsse, welche Mengen des Sputnik-Impfstoffs wann geliefert werden könnten. Darüber werde man erstmal mit Russland reden. "Um wirklich einen Unterschied zu machen in unserer aktuellen Lage, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen - ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff."
Kommt der russische Impfstoff zu spät?
Der Impfstoff-Beauftragte der EU-Kommission, Thierry Breton, erwartet durch Sputnik V hingegen keine schnell Entlastung. Auf die Frage, ob Präparate etwa aus Russland oder China dazu beitragen könnten, bis zum Sommer 70 Prozent der Erwachsenen in der EU zu impfen, schrieb der er am Donnerstag: "Ich fürchte, die Antwort ist nein." Jedes Unternehmen, das einen neuen Impfstoff produzieren wolle, brauche mindestens zehn Monate. Deshalb müsse man sich auf die Produktion jener Impfstoffe konzentrieren, die in der EU bereits zugelassen oder kurz davor seien.
Zugleich zeigte Breton sich optimistisch, dass es auch ohne Impfstoffe wie Sputnik V bis Ende Juni genügend Dosen in der EU gibt, um rund 70 Prozent der Erwachsenen zu impfen. Im ersten Quartal seien 108 Millionen Dosen geliefert worden, für das zweite Quartal rechne er mit 360 Millionen weiteren. (dpa/mcf)
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