Hautausschlag und Kopfweh? Könnte am neuen Pullover liegen. In vielen Textilien stecken gesundheitsgefährdende Chemikalien, die über die Haut aufgenommen werden können – mit möglichen Folgen für die Gesundheit. Doch mit ein paar cleveren Tricks kann vorgebeugt werden.
Der Pullover weich, das Hemd knitterfrei und die Regenjacke wasserabweisend – unsere Ansprüche an Kleidung sind hoch. Doch dass diese oft erst durch die Verwendung chemischer Substanzen während der Textilproduktion erfüllt werden, ist vielen Menschen nicht bewusst.
Einige der Chemikalien, die bei der Herstellung von Kleidung verwendet werden, gelten allerdings als hochgiftig und sind daher in Deutschland verboten. Jedoch stammen schätzungsweise 90 Prozent der in Deutschland verkauften Mode aus dem Import, davon zum größten Teil aus China, der Türkei und Bangladesch. So finden die gefährlichen Stoffe trotz generellem EU-Verbot ihren Weg in unsere Kleiderschränke – und letztendlich auch in unseren Körper.
Ungewisse Folgen für die Gesundheit
Die Haut ist unser größtes Organ und sehr aufnahmefähig, ganz besonders wenn wir schwitzen. "Sie ist in der Regel fast 24 Stunden mit Kleidung und Textilien aller Art in Kontakt. Körperwärme und Schweiß können dabei Zusätze und chemische Hilfsmittel aus Kleidungstücken herauslösen", erklärt Dr. Ralph Pirow als Experte für Textilien vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Gespräch mit unserer Redaktion. Dieses Zusammenspiel birgt Risiken, denn dadurch könnten Chemikalien aus Textilien direkt in den Körper eindringen.
So kann eine neue Jeans zum Beispiel als Folge einer Kontaktallergie einen Hautausschlag auslösen, laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung macht dies allerdings nur ein bis zwei Prozent der Fälle in deutschen Hautkliniken aus.
"Diese Reaktionen sind meistens auf die verwendeten Dispersionsfarbstoffe zurückzuführen", so Pirow. Nur solange die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden, seien die Kleidungsstücke nach heutigem Kenntnisstand sicher.
In ganz extremen Fällen einer körperlichen Überreaktion droht ein anaphylaktischer Schock. Symptome wie Atemnot und Kopfschmerzen können Anzeichen dafür sein. Meistens verursachen die Chemikalien jedoch keine auf den ersten Blick spürbaren oder sichtbaren Beschwerden.
Gifte sammeln sich in Organen
Doch mit den Jahren können sich manche der 700 "Textilhilfsmittel", so die korrekte Bezeichnung für Chemie in Kleidern, ansammeln und in den Organen ablagern. Je nach Chemikalie schaden sie langfristig dem Immunsystem, stören den Hormonhaushalt oder können sogar krebserregend wirken.
Eine ausführliche Liste der gefährlichsten Stoffe und deren mögliche Auswirkungen wurde von Greenpeace zusammengestellt. Allerdings ist es fast unmöglich, eine Krankheit, die direkt von einem oder mehreren Stoffen aus der Textilproduktion kommen könnte und keine andere Ursache hat, wissenschaftlich nachzuweisen.
Teuer ist nicht gleich gut
Grundsätzlich ist es als Käufer egal, ob man sich nun für eine führende Modemarke oder ein No-Name-Label entscheidet: Sobald außerhalb der EU produziert wird, kommen schädliche Stoffe bei allen Preisklassen zum Einsatz. Dies bewies auch eine Studie im Rahmen der Greenpeace Detox Kampagne.
So finden sich laut der Studie auch in Produkten höherwertiger Modemarken wie Nike und Esprit zum Teil besorgniserregende Mengen verschiedener Chemikalien, während Hersteller wie Zara, H&M und Benetton versuchen, weitestgehend auf giftige Substanzen verzichten.
Neue Kleidung unbedingt waschen
Ausschließlich Markenkleidung zu kaufen, schützt also keineswegs vor den gefährlichen Stoffen. Doch was kann man als Verbraucher dann tun, um möglichst wenig davon aufzunehmen?
Wichtigstes Gebot: Neue Kleidung sollte vor dem ersten Tragen gewaschen werden. "So können mögliche vorhandene Reste von freisetzbaren Chemikalien aus dem Herstellungsprozess entfernt werden", rät der Experte vom BfR.
Für die Umwelt ist dies zwar keine Lösung, da die Giftstoffe so letztendlich auch das Grundwasser verschmutzen, doch immerhin wird so die Konzentration auf der Haut verringert.
Außerdem lohnt es sich, beim Kauf auf das Etikett zu schauen. Laut dem BTE Handelsverband Textil könnte der Hinweis "Getrennt waschen" im Pflegeetikett ein Indiz auf verbotene Azofarbstoffe sein. Diese gelten als krebseregend. Es bedeutet zudem, dass die Farben schlecht haften und so leichter von der Haut aufgenommen werden.
Besondere Vorsicht gilt auch bei den Hinweisen knitterarm, formbeständig und bügelfrei. Nur durch den Zusatz von dem als Gefahrengut und krebserregend eingestuftem Stoff Formaldehyd kann die Wäsche derart aufgerüstet werden. Kleidungsstücke, die nicht direkt gewaschen werden sollten, wie beispielsweise Mäntel, können vor dem ersten Tragen an der frischen Luft ausgelüftet werden, am besten über Nacht. Grundsätzlich ist stark riechende Kleidung immer ein Hinweis auf besonders viel Chemie.
Problemfall Outdoor-Kleidung
Schwierig ist in der Regel auch Outdoor-Kleidung: Der wasser- und schmutzabweisende Effekt kommt meist erst durch den Einsatz von chemischen Stoffen zustande. Die Imprägnierung wird mit sogenannten Perfluorcarbonen (PFC) erreicht. Sowohl bei der Herstellung als auch beim Tragen der Kleidung gelangen die Substanzen in die Umwelt, wo sie nicht biologisch abbaubar sind. In Tierversuchen wurde bereits nachgewiesen, dass sie sich im Körper ablagern und die Fortpflanzung erschweren.
Laut dem Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie ist PFC aktuell in Outdoor-Klamotten noch immer fast allgegenwärtig. Doch da die Nachfrage nach PFC-freien Produkten immer größer wird, reagieren mittlerweile auch die Hersteller darauf und entwickeln nun nach und nach Alternativen.
Bio-Siegel und Secondhand
Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, entscheidet sich für nachhaltige Mode, mittlerweile auch "Slow Fashion" genannt. Dabei verzichtet man als Verbraucher auf schnelllebige Massenware und greift entweder auf Kleidungsstücke, die aus Bio-Stoffen oder recycelten Materialien hergestellt und mit entsprechenden Bio-Siegeln versehen werden, oder auch auf Secondhand-Kleidung zurück.
Mittlerweile hat sich sogar ein Trend daraus entwickelt: Laut Trendforschungsinstituten wie dem Gottlieb Duttweiler Insitut könnte "Slow Fashion" für die Modeindustrie werden, was Bio mittlerweile für die Foodbranche ist.
Doch egal ob nun gerade angesagt oder nicht: Mit einem bewussteren Konsum tut man nicht nur sich selbst, sondern auch der Umwelt etwas Gutes. Und geht damit auf jeden Fall einen Schritt in die richtige Richtung.
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