Autos in Deutschland haben zunehmend ein Gewichtsproblem. Daran haben sowohl der Trend zum SUV als auch die E-Mobilität ihren Anteil. Das ist eine Belastungsprobe für die Infrastruktur.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Thomas Eldersch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die fetten Jahre sind vorbei. In der Automobilbranche ist genau das Gegenteil der Fall. Hier geht es aber nicht um Absatzzahlen oder Rekordgewinne. Es geht tatsächlich um das reine Gewicht. Moderne Autos leiden immer häufiger an Fettleibigkeit. Besonders betroffen von der neuen Volkskrankheit in der Pkw-Welt: E-Autos. Teilweise kratzen die größten ihrer Vertreter vollbeladen bereits an der B-Führerscheingrenze von 3,5 Tonnen.

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Beispielsweise bringt ein BMW i7 xDrive60 bereits ein Leergewicht von 2,7 Tonnen auf die Waage. Vollbeladen sind es bei dem Stromer aus München sogar 3,25 Tonnen, schreibt "Auto-Motor-Sport". Allein rund 700 Kilogramm davon macht der Akku aus. Das entspricht schon fast dem Leergewicht eines Golf 1. Und um bei der Adipositas-Metapher zu bleiben, haben die neuen E-Autos immer breitere Hüften. Der BMW i7 ist sogar noch gute 27 Zentimeter länger als sein Verbrenner-Pendant, der BMW 750iL.

Der Trend zum Mehrgewicht hat häufig praktische Gründe. Neue Sicherheitssysteme oder Elektronik-Upgrades wie große Touch-Screen-Monitore wiegen mehr als das klassische Analogradio. Meistens rühren die zusätzlichen Kilos aber einfach von dem gestiegenen Komfortanspruch der Kunden oder dem immer noch anhaltenden Hang zum SUV.

Einem Fahrzeugtyp, dem der Ingenieur und Professor an der Hochschule Darmstadt, Dr. Jürgen Follmann, nicht viel abgewinnen kann. "Es gibt nur ganz wenige Menschen, die so ein Auto gebrauchen können, weil sie größere Dinge transportieren müssen oder physische Probleme haben", sagt der Verkehrsplaner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Jürgen Follmann
Professor Dr.-Ing. Jürgen Follmann von der Hochschule Darmstadt. © Britta Hüning

Follmann hat eine klare Botschaft an die Autobauer. "Es ist schade, dass die großen Hersteller ihre Flotten nicht bei diesen Fahrzeugtypen ausdünnen. Hier liegen vermutlich die größten Gewinnmargen. Und wir folgen in der Infrastruktur diesem falschen Weg. Jetzt sollen die Parkplätze um einige Zentimeter breiter werden, weil die Autos breiter sind. Das ist verrückt."

Tatsächlich könnten die immer breiteren, längeren und schwereren E-Autos der Infrastruktur härter zusetzen als gedacht.

Schwere E-Autos könnten Parkgaragen an ihr Limit bringen

In England warnt ein Mann vor einer ganz konkreten Gefahr durch zu schwere E-Autos. Dem "Telegraph" (Bezahlinhalt) gab Chris Whapples, der als Statiker und Bauingenieur sein Geld verdient, ein Interview und warnte vor übergewichtigen E-Autos in Parkgaragen. "Ich will keinen Alarmismus verbreiten, aber es gibt das Potenzial, dass manch alte Parkgaragen dem Gewicht der neuen Autos nicht standhalten könnten."

Der auch als Berater für Parkanlagen tätige Whapples erstellte sogar eine Leitlinie, in der es unter anderem heißt: "Betreiber sollten sich des Gewichts von E-Autos bewusst sein und ihre Parkgaragen danach untersuchen lassen, ob sie dieser Mehrbelastung standhalten können oder ob sie das zulässige Gesamtgewicht ihrer Anlage reduzieren müssen."

Rückenwind bekommt Whappels von Steve Holmes, technischer Leiter des Baustoffunternehmens Sika. Er spricht im Interview mit dem "Telegraph" davon, dass in vielen Parkanlagen strukturelle Fehler "eingebacken" sind, die sich über Jahre der mangelnden Wartung und wegen zu wenig Investitionen noch verschärft haben. Weiter heißt es: "Die Autos werden immer schwerer und immer mehr von ihnen parken in diesen strukturell schwachen Parkgaragen. Deshalb ist jetzt eine regelmäßige Wartung dieser Anlagen um so wichtiger."

Was passieren kann, wenn strukturelle Schwachstellen nicht ordentlich überprüft und gewartet werden, konnte man im April in New York sehen. Dort stürzte eine vierstöckige Parkgarage ein. Dabei wurde ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt. Wie die "New York Times" (Bezahlinhalt) schreibt, stammte die Parkgarage aus 1925 und in der Vergangenheit wurden bereits gefährliche strukturelle Schwächen an ihr festgestellt, wie Risse im Beton und abgeplatzter Putz. Gehandelt wurde offensichtlich nicht.

Wieder zurück in England hat auch Russell Simmons, Vorsitzender der British Parking Association, mit dem "Telegraph" gesprochen. Der Bauingenieur sagt, dass sie einige Anlagen untersucht hätten und sie "Beweise gefunden haben, dass einige Gebäude dem Gewicht der E-Autos nicht standhalten können". Sein Kollege Whapples appelliert deshalb: "Wir haben Höhenbeschränkungen in Parkgaragen, warum dann nicht auch Gewichtsbegrenzungen?"

Die Zahl der E-Autos und SUVs nimmt in Deutschland zu

Wie sieht es derweil in Deutschland aus? Hierzulande steigt die Zahl der E-Autos und Hybrid-Fahrzeuge kontinuierlich an. 2022 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt rund 470.000 E-Autos und rund 825.000 Hybrid-Pkw zugelassen. Das ist ein enormer Anstieg im Vergleich zu den Jahren davor. In Deutschland sind derzeit laut ADAC 48,8 Millionen Autos zugelassen – so viele wie nie zuvor. Davon machen die E-Autos allerdings nur 2,1 und die Hybride nur 4,8 Prozent aus. Der überwiegende Teil mit 62,7 Prozent sind Benziner. Dieselfahrzeuge kommen auf 29,6 Prozent.

Schaut man sich die Fahrzeugtypen an, dann lagen 2017 bei den Neuzulassungen die Kleinwagen noch auf Platz 1 mit 37,8 Prozent. 2022 sicherten sich SUVs und Geländewagen mit 40,6 Prozent klar die Spitze. Die Kleinwagen fielen auf 28,4 Prozent ab.

Elektrofahrzeuge und SUVs nehmen also gleichermaßen zu. Und die Belastung für die deutschen Parkgaragen steigt. Sind die deutschen Parkplatzbetreiber auf diese Mehrbelastung vorbereitet? Eines der größten Unternehmen in dem Bereich, die Contipark Parkgaragengesellschaft, antwortete auf unsere Anfrage schriftlich: "Die von Ihnen angesprochene Thematik ist uns bekannt und wird von uns beobachtet. Gegenwärtig ergibt sich hier jedoch weder durch den Gesetzgeber noch durch unsere eigenen Analysen ein akuter Handlungsbedarf."

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) teilte uns mit, dass es vermutlich zu keinen Problemen in Parkhäusern kommen werde, da entsprechend schwere Fahrzeuge bereits heute schon dort geparkt werden. Und vom ADAC heißt es schriftlich: "Über viele Jahre hinweg sind Autos größer und schwerer geworden. Der SUV-Trend tut sein Übriges, denn auch die Anzahl der SUV ist in den Parkhäusern gestiegen, ohne erkennbaren Schaden."

Für den Verkehrsplaner Follmann sind die Aussagen aus England ebenfalls neu. "Das hätte ich sicher mitbekommen. Auch in unseren Nachbarländern habe ich noch nichts davon gehört." Und er fügt hinzu, "wir haben beispielsweise in Frankfurt auch alte Parkgaragen aus den 70er-Jahren. Da ist das Problem allerdings, dass die Parkplätze eng sind und die Stützpfeiler ungünstig stehen. Da passen dann auch nicht so viele SUVs hinein."

E-Autos haben Parkverbot in Tiefgaragen

Nicht wegen des Gewichts, sondern wegen der erhöhten Brandgefahr dürfen beispielsweise in Kulmbach und Leonberg in Bayern keine E- und Hybrid-Autos mehr in Tiefgaragen parken. Michael Kuhnlein vom Tiefbauamt Kulmbach erklärte dem News-Portal "Infranken" den Grund: "Die Feuerwehr kann solche Fahrzeuge nicht löschen, sondern muss sie ausbrennen lassen. Auch ist die Tiefgarage nicht ausreichend hoch, um brennende Autos mit schwerem Gerät herauszuziehen."

Follmann stellt allerdings klar: "Ich habe mit Vertretern der Berufsfeuerwehr Darmstadt gesprochen und man kann schon mal festhalten, E-Autos brennen nicht häufiger als normale Fahrzeuge. Aber sie sind natürlich mit Wasser schwerer zu löschen, weil da alles abgeschirmt ist – der ganze Batteriebereich. Man kommt schwerer zum Brandherd. Wobei man auch sehen muss, wenn ein normales Fahrzeug brennt, ist es auch schwer zu löschen." Das sieht auch der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) so. "Dass E-Autos aus Tiefgaragen verbannt werden, das können die Versicherer nicht nachvollziehen", heißt es bei "Autobild".

Ein Problem mit dem Gewicht von E-Autos hat Verkehrsplaner Follmann jedoch ausgemacht. "Die machen die Gehwege kaputt." Es würden beispielsweise die Bordsteinplatten eingedrückt. Das führte bereits in München dazu, dass einem Audi-e-tron-Fahrer der Anwohnerparkausweis weggenommen wurde, weil sein Auto rund 200 Kilogramm zu schwer für den Gehweg war. Beim "Münchner Merkur" heißt es: "Die Stadt begründet ihr Vorgehen mit der Straßenverkehrsordnung (StVO), laut der das Parken auf Gehwegen nur für Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis 2,8 Tonnen gestattet ist. Beim Audi e-tron sind es aber etwas über drei Tonnen." (the)

Zur Person: Professor Dr.-Ing. Jürgen Follmann ist Prädekan an der Hochschule Darmstadt im Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen. Er hat eine umfassende Expertise aus realisierten Projekten rund um das Thema neue Wege im Verkehrswesen. Des Weiteren leitet er in der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen den Ausschuss „Verkehrssicherheitsmanagement“. Für Hessen war er in die Entwicklung des Verkehrssicherheitskonzepts 2035 eingebunden.

Verwendete Quellen:

  • Auto-Motor-Sport: Autos mit Adipositas
  • The Telegraph: Car parks could collapse under the weight of electric cars
  • New York Times: Garage That Collapsed, Killing One, Was Due for Inspection This Year
  • ADAC: Pkw-Bestand in Deutschland: Erstmals mehr als eine Million E-Autos
  • Infranken: Tiefgarage: E-Autos müssen draußen bleiben
  • Autobild: So groß ist die Brandgefahr beim E-Auto wirklich
  • Münchner Merkur: E-Autos drohen zu schwerwiegender Gefahr für Parkhäuser zu werden – „kann katastrophale Folgen haben“
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