• Vor wenigen Tagen ist David Bennett als weltweit erster Mensch mit einem transplantierten Schweineherz gestorben.
  • Die operierenden Mediziner werteten die Operation dennoch als Erfolg.
  • Was aber ist eine Xenotransplantation - und wo lauern noch Probleme?

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Als erstem Menschen auf der Welt wurde David Bennett das Herz eines Schweins transplantiert. Die sogenannte Xenotransplantation fand im Januar 2022 an der Universitätsklinik in Baltimore (USA) statt - am 8. März starb Bennett. Dennoch werteten die Mediziner den Eingriff als Erfolg: Der Patient hatte mehrere Wochen mit dem Schweineherz überlebt.

Was aber genau ist eine Xenotransplantation? Bei diesem Eingriff werden funktionsfähige Zellen, Organe oder Gewebe zwischen verschiedenen Spezies übertragen, im Besonderen von Tieren auf den Menschen. Somit handelte es sich auch bei der Transplantation des Schweineherzens um eine solche.

Organ von genetisch verändertem Schwein

Die Xenotransplantation ist nur dann erfolgversprechend, wenn das tierische Organ vorher genetisch verändert wurde. So können Abstoßungsreaktionen vermieden werden. "Damit im Falle des US-Patienten das Schweineherz nicht gleich abgestoßen wurde, wurde das Herz eines genetisch veränderten Schweins aus einem speziellen Zuchtprogramm (GalSafe) des Unternehmens Revivor verwendet", informiert die Deutsche Herzstiftung.

Dabei hätten Wissenschaftler mehrere Gene ausgeschaltet, die für die schnelle Antikörper-vermittelte Immunreaktion ursächlich sind und das Wachstum des Schweineherzens steuern.

Gefäßinnenhaut des Schweines anders

Um dies zu ermöglichen, wurden laut Deutscher Herzstiftung andere menschliche Gene für eine erhöhte Immunakzeptanz neu in das Erbgut des Schweins eingefügt. Insgesamt sei das Erbgut des Tieres an zehn Stellen verändert worden. Dennoch müsste ein Mensch mit transplantiertem Schweineherz - so wie ein Patient mit einem menschlichen Spenderherz - den Rest seines Lebens Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken. Sonst droht die Gefahr, dass das transplantierte Organ abgestoßen wird.

"Bei einem tierischen Transplantat wäre ohne vorherige gentechnische Behandlung die Abstoßreaktion allerdings noch viel größer", erklärt der Herzchirurg Jan Gummert im Gespräch mit unserer Redaktion. Zudem sei die Gefäßinnenhaut des Schweineherzens anders aufgebaut als beim Menschen. Ohne eine genetische Veränderung bestünde dadurch die dauerhafte Gefahr, dass Blutgerinnsel entstehen. Solche können zu Thrombosen und Gefäßverschlüssen wie Herzinfarkt und Schlaganfall führen.

Schweineherz im menschlichen Körper: Viele Fragen ungeklärt

Doch auch, wenn die Transplantation eines Schweineherzens in den USA zunächst gelungen ist, bleiben viele Fragen offen und Risiken bestehen. So übertragen Schweine zum Beispiel Retroviren, die für den Menschen gefährlich sein können.

Deshalb arbeiten Biotechnologie-Unternehmen schon länger mit der Züchtung virenfreier Laborschweine daran, dieses Risiko zu reduzieren. Zudem lässt sich bislang nichts über die langfristige Funktion und die Haltbarkeit von Schweineorganen im menschlichen Körper sagen. "Erst durch weitere klinische Erfahrungen und Forschungsvorhaben können wir die notwendigen Antworten auf diverse Fragen erhalten", sagt Gummert.

Dabei wird auch in Deutschland bereits seit vielen Jahren an Schweineherzen geforscht: Eine Arbeitsgruppe der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität um Bruno Reichart beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Xenotransplantation. 2018 transplantierte sie Pavianen genetisch veränderte Schweineherzen.

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Experte: "Sind erst am Anfang"

Trotz der neuen Erkenntnisse durch den Fall Bennett sieht der Herzchirurg Gummert die Schweineherz-Transplantation noch lange nicht bereit für den standardmäßigen Einsatz an Patienten: "Auch wenn die Schweineherz-Transplantation möglicherweise ein weiterer Meilenstein in der Transplantationsmedizin ist, so sind wir erst am Anfang. In den nächsten zehn Jahren wird ein Tierherz in der Routine das menschliche Spenderherz nicht ersetzen können", lautet sein Fazit.

"Wir betreten Neuland und brauchen neben ethischen und politischen Regularien erst einmal verlässliche medizinische Ergebnisse und weitere Forschungserkenntnisse. Vor allem fehlen uns Langzeiterfahrungen. Bis dahin können wir nur weiter zur Organspende aufrufen. Die Xenotransplantation ist im Moment eine Vision."

Würde sie in der Zukunft als medizinisches Verfahren dauerhaft einsetzbar sein, wäre das ein großer Zugewinn, weil dann die Wartezeit auf Spenderorgane verkürzt werden könnte.

Über den Experten: Prof. Jan Gummert ist Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen.

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Herzstiftung: Herzersatz der Zukunft – vom Schwein oder aus dem 3D-Drucker?
  • Kardiologie.org: "Schweineherz-Transplantationen wird es wahrscheinlich auch bei uns geben"
  • University of Maryland: University of Maryland School of Medicine Faculty Scientists and Clinicians Perform Historic First Successful Transplant of Porcine Heart into Adult Human with End-Stage Heart Disease
  • LMU München: Durchbruch bei der Entwicklung der "Xenotransplantation"
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Schweineherz-Transplantation: Patient zwei Monate nach OP gestorben

Zwei Monate nach der weltweit ersten Schweineherz-Transplantation ist der Patient am Dienstag gestorben. Der US-Amerikaner David Bennett litt an einer lebensgefährlichen Herzkrankheit. Nach Ansicht der Ärzte war die experimentelle Operation die letzte Chance für den 57-Jährigen. Der Eingriff gilt als Meilenstein auf dem Gebiet der Organtransplantation.
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