Fußballprofi Nacer Barazite will einer Reporterin aus religiösen Gründen nicht die Hand geben. Es folgt eine erneute Diskussion über Frauenfeindlichkeit im Islam. Dabei kann die Verweigerung des Händedrucks diverse Gründe haben - und Frauen tun es auch.

Mehr zum Thema Gesellschaft & Psychologie

Es ist noch gar nicht lange her, dass diese Diskussion schon einmal aufflammte. Als nämlich im September die CDU-Politikerin Julia Klöckner ein Treffen mit einem Imam in Idar-Oberstein absagte, weil dieser ihr ausrichten ließ, er würde ihr nicht die Hand geben, weil sie eine Frau sei..

Klöckner sagte, einer Frau den Handschlag zu verweigern widerspräche den Werten einer freien Gesellschaft.


Manche stimmten Klöckner zu, andere fanden ihre Reaktion übertrieben und in der derzeitigen Flüchtlingskrise wenig hilfreich..

Der Nahost-Experte Abdel Mottaleb El Husseini sagte etwa, das Verhalten des Imam sei zwar nicht akzeptabel, Klöckner mache jedoch zu viel aus diesem Einzelfall. "Es gibt Millionen von Muslimen, die Frau Klöckner sofort die Hand geben würden", so Husseini bei "Focus online".

Nicht automatisch frauenfeindlich

Einige aber nicht, eben jener Imam - und wohl auch nicht der niederländische Fußballer. Es gibt unterschiedliche Ansichten, auf welcher religiösen Grundlage muslimische Männer Frauen, die nicht eng mit ihnen verwandt oder mit ihnen verheiratet sind, den Händedruck verweigern.

Die Einschätzungen von Religionswissenschaftlern reichen von, "das steht so gar nicht im Koran", über "bestimmte Passagen implizieren es", bis hin zu "das ist so, weil der Prophet Mohammed das auch so gemacht hat".

Es gibt wohl auch Muslime, die in der Weigerung, einer fremden Frau die Hand zu schütteln, eine besondere Respektsbekundung sehen.

Auch Frauen verweigern Handschlag

Für andere ist eine solche Berührung hingegen eine unsittliche Annäherung. Übrigens vermeiden nicht nur muslimische Männer gegenüber Frauen solche Berührungen, sondern auch Frauen gegenüber Männern.

Und der Islam ist nicht die einzige Glaubensrichtung mit einer solchen Tradition.

Manche Muslime verstehen das Festhalten ihrer Glaubensbrüder und -schwestern an der Händedruck-Verweigerung selbst nicht. Die Journalistin Canan Topçu ärgert sich zum Beispiel immer wieder, wenn muslimische Männer ihre Begrüßungsgeste nicht erwidern. Sie stellt aber auch klar: "Nicht jeder Muslim, der Frauen nicht die Hand gibt, ist frauenfeindlich."

Doch selbst wenn sie nicht als frauenfeindlich interpretiert wird, kann eine Verweigerung des Händeschüttelns zumindest als unhöflich ausgelegt werden. Und als Betonung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern, was nicht unbedingt im Sinne der Gleichberechtigung ist.

Traditionen überdenken?

Topçu fordert deswegen die Muslime auf, sich zu fragen, ob manche Traditionen und Regeln nicht einfach aufgegeben werden sollten, weil sie überholt sind.

Einen grundsätzlich ähnlichen Gedanken hat auch der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide. Er sagt, sich anderen Denkweisen gegenüber zu öffnen, sei eine Grundhaltung, zu der der Islam und auch der Koran regelrecht aufriefen.

Eine Verschlossenheit von Religionen, wo "alles schon da ist, wir nichts tun, sondern nur ausführen müssen, was schon da ist", lehnt er ab, wie er in einem Radiointerview sagte.

Khorchide sprach nicht explizit über das Händeschütteln, seine Gedanken können aber auch darauf ausgelegt werden.

Fußballverein zeigt Verständnis

Verständnis für das Verhalten von Nazer Barazite zeigt sein Verein, der FC Utrecht. Man habe eine Vereinbarung mit zwei Spielern getroffen, dass diese ihre Religion ausüben dürfen, solange die sportlichen Abläufe dadurch nicht gestört werden, sagte ein Sprecher.

Das beinhalte auch, dass die Medien darauf hingewiesen wurden, dass diese beiden Spieler Reporterinnen nicht die Hand geben - aber auch, dass sie sich trotz allem von der Physiotherapeutin des Vereins behandeln lassen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.