Unseren Blick gezielt auf Positives zu richten, wenn die Nachrichtenlage schlecht ist: Das ist oft leichter gesagt als getan. Ein Glück, wenn einem Bilder begegnen, die uns dabei helfen, weil sie genau das tun – wie die des Wettbewerbs "Our World is Kind".
Ob wir Menschen wohl dafür gemacht sind, all die Schreckensnachrichten zu verarbeiten, die uns täglich überrollen aus Fernsehen, Zeitung, Radio, Internet? Und ob diese Nachrichten wohl die Welt widerspiegeln, wie sie wirklich ist?
Zweimal ein klares Nein.
Und obwohl wir das eigentlich wissen, lassen uns Nachrichten tagtäglich bedrückt, frustriert, traurig, wütend und hilflos zurück. Das Meiste, was passiert, ist eben schlecht, und am Ende ist man mit seinen Sorgen doch allein – so meint man dann. Dieses Gefühl ist auch kein Zeichen von Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion, vielfach durch Studien belegt. Negative Bilder und Geschichten zu sehen, beeinflusst nachweislich auch negativ den Blick auf unser eigenes Leben.
"Was wir deshalb brauchen, sind Bilder und Geschichten, die Positives in den Mittelpunkt rücken. Um das, was die Menschen sehen, wieder ins Gleichgewicht zu bringen", betont David Fryburg im Gespräch mit unserer Redaktion. Der amerikanische Arzt und Wissenschaftler hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen dabei zu helfen, das Gute zu finden. Und zwar an Orten, an denen sie gar nicht damit rechnen und vor allem nicht danach gesucht haben.
Hier sehen Sie Bilder aus dem Wettbewerb "Our World is Kind":
Die Welt, wie Nachrichten sie nur selten zeigen
Seine Non-Profit-Organisation "Envision Kindness" bringt - etwa in Wartebereichen von Krankenhäusern - Bilder zu den Menschen, die Taten der Liebe zeigen. Den Patienten begegnet Menschlichkeit, einfach während sie dort warten. Sie müssen keinen Artikel darüber lesen, was das Bild bedeutet oder was hier passiert. Ein Blick reicht. "Weil wir die Sprache der Bilder und die Körpersprache der Menschen sofort instinktiv begreifen", erklärt Fryburg.
Diesen Effekt vermittelt das Wort "Envision" im Namen der Organisation. Es geht über das normale Sehen hinaus und bedeutet "sich vorstellen". "Kindness" wiederum meint mehr als das, was wir wörtlich übersetzt häufig unter "Freundlichkeit" oder "Liebenswürdigkeit" verstehen. Es geht um echte Herzenswärme, sich sorgen und kümmern, um Hilfsbereitschaft und Liebe: "Also tiefe Bedürfnisse des Menschen", wie Fryburg sagt.
Gemeinsam mit seinem Sohn gründete er vor etwas mehr als zehn Jahren die Organisation "Envision Kindness". Fünf Jahre später gab er seinen Beruf auf, um sich ihr Vollzeit widmen zu können. 2023 fand dann zum fünften Mal der Foto-Wettbewerb "Our World is Kind" ("Unsere Welt ist freundlich") statt, zu dem Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt mehr als 3.000 Bilder einschickten.
Die Aufnahmen sind fernab von Kitsch, sondern authentisch, und das macht sie besonders. Oft zeigen sie sogar traurige, dramatische Szenen, wie im Fall des Siegerfotos, in denen aber ein Akt der Menschlichkeit oder des Miteinanders zu sehen ist. Und somit Trost und Hoffnung. Sie zeigen also: wirkliche Welt. Echtes Leben.
"Solche Bilder, die die Wärme abbilden, die durch Fürsorge entsteht, haben nachweislich einen Effekt auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Dieser Effekt ist doppelt so groß wie bei Fotos, die einfach nur etwas Schönes zeigen, wie beispielsweise Hundewelpen oder Blumen", erläutert Fryburg. Konkret hätten Studien gezeigt, dass entsprechende Bilder positive Emotionen wie Glück, Ruhe und Dankbarkeit verstärkten und negative wie Traurigkeit, Angst und Stress verringern konnten. Sie beeinflussen schließlich auch das Verhalten der Menschen, die dadurch beispielsweise großzügiger werden.
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Das Gefühl von Verbundenheit
"Wir streamen die Fotos als Videos in Wartebereichen, Fluren und Arbeitsräumen", beschreibt er – also dort, wo Menschen Stress ausgesetzt sind, wie es im Gesundheitswesen der Fall ist. Der Wissenschaftler erklärt, welche Rolle Stress für die körperliche Gesundheit spielt: "Er trägt zum einen zur Entstehung vieler Krankheiten bei und häufig verschlimmert er sie. Er erschwert die Genesung - ein Teufelskreis, der nicht leicht zu durchbrechen ist."
"Kindness" und die sich daraus ergebende positive zwischenmenschliche Verbundenheit sei eine natürliche Lösung, um Stress schnell abzubauen. Mit dem einfachen Mittel der Bildsprache könne man Menschen an diesem Punkt unterstützen. "Wir wissen aus Studien, dass diese Art von Foto eine sofortige positive Wirkung hat", betont er. Das zeigt auch das Feedback von Angestellten im Gesundheitswesen, etwa in Arztpraxen: An einem besonders anstrengenden Arbeitstag, so berichten sie, setzen sie sich in einer Pause in den Wartebereich, um sich die Bilder ein paar Minuten lang anzusehen. Sie fühlten sich anschließend besser und können wieder an die Arbeit gehen.
Was das wiederum für die Patienten bedeutet: Sie profitieren nicht nur selbst vom Anblick der Bilder, sondern auch von der besseren Stimmung des Personals. "Forschende wissen, dass sich Patienten und Personal gegenseitig beeinflussen. Wenn Menschen gestresst, wütend oder angespannt sind, stecken wir andere damit an. Wir geben unsere Stimmungen und Gefühle im wahrsten Sinne des Wortes weiter – aber eben auch die guten wie Glück und Gelassenheit", sagt Fryburg.
Die positiven Bilder veränderten nachweislich auch die Art und Weise, wie Menschen sich mit anderen verbunden fühlen. "Und konkret – das konnten wir beim Krankenhauspersonal beobachten – wie Menschen miteinander umgehen", fasst er zusammen. "Unser Ziel ist es, sowohl die Patienten als auch das Personal zu entlasten."
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Worin uns die Bilder nachweislich bestärken
Weil die Bilder Menschlichkeit in den Mittelpunkt rücken, würden sich Menschen immer ein Stück weit selbst in den Bildern erkennen: "Das haben die Bilder des Wettbewerbs gemein. Dabei kommen sie aus unterschiedlichsten Teilen der Erde, einer der Finalisten auch aus Deutschland", bemerkt Fryburg.
Er hält es für wichtig, immer wieder auf die genannten wissenschaftlichen Hintergründe hinzuweisen, damit niemand die eigene Reaktion – Wärme und Verbundenheit beim Anblick von zwischenmenschlicher Wärme – als unbedeutend abtut: "Das ist vielmehr etwas ganz Natürliches. Psychologisch gesehen stärken uns die Bilder in unserer eigenen Menschlichkeit und damit in unserer Verbindung zu anderen Menschen. In dem Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein."
Über den Gesprächspartner
- David Fryburg ist Arzt und Wissenschaftler, zu seinen Veröffentlichungen gehören eine Reihe von Artikeln über den Effekt der "Kindness". Vor rund zehn Jahren gründete er zusammen mit seinem Sohn Jesse Fryburg die Non-Profit-Organisation "Envision Kindness". Zuvor leitete er Forscherteams für ein öffentlich-privates Kooperationskonsortium (Foundation for the NIH), war ein Leiter der Translationalen Medizin im Pharmaunternehmen Pfizer und Dozent an der medizinischen Fakultät der Universität von Virginia.
Verwendete Quellen
- Interview mit David Fryburg
- "Envision Kindness"
- Journal of Patient Experience: "What’s Playing in Your Waiting Room? Patient and Provider Stress and the Impact of Waiting Room Media" (2021).
- Frontiers in Psychology: "Kindness Media Rapidly Inspires Viewers and Increases Happiness, Calm, Gratitude, and Generosity in a Healthcare Setting" (2021)
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