Unser geografisches Bild von der Erde bedarf vielleicht bald einer Überholung: Forscher haben eine Landmasse im Südwestpazifik erforscht und kartografiert, die - nach der gängigen Zählweise - nun unser achter Kontinent werden könnte. Bisher steht die Anerkennung aber noch aus.
Dass Forscher immer wieder einmal auf neue Erdteile stoßen, ist an sich nichts Ungewöhnliches, denn im Laufe der Zeit sind größere Landmassen versunken. Zwei junge Beispiele hierfür stellen Greater Adria und Argoland dar. In deutlichem Gegensatz dazu steht nun aber Zealandia, von dem ein Team von Geologen kürzlich nach mehrjähriger Arbeit eine detaillierte Karte erstellen konnte.
Das Gebiet, das mit seiner Fläche von 4,9 Millionen Quadratkilometern etwa der Hälfte der Fläche Europas entspricht, ist nämlich im Laufe der Erdgeschichte nie versunken, sondern existiert bis heute im Südwestpazifik.
"Heureka-Moment" auf Forschungsschiff - Kontinent statt Fragmente
Wie aber konnte ein so großes Gebiet so lange Zeit unentdeckt bleiben? "Seit vielen Jahrzehnten werden die unterseeischen Festlandsockel und Hochebenen in Neuseeland und Neukaledonien als kontinental bezeichnet", berichtet Nick Mortimer vom neuseeländischen Institute of Geological and Nuclear Sciences im Gespräch mit unserer Redaktion.
Man ging jedoch davon aus, dass es sich dabei um verschiedene Fragmente anderer Kontinente handelt, die nicht zusammengehören. Es war der amerikanische Geophysiker Bruce P. Luyendyk, der hierfür 1995 in der Fachzeitschrift "Geology" erstmals den Begriff "Zealandia" verwendete. "Er bezog sich jedoch nur beiläufig auf Zealandia und definierte oder beschrieb es nicht so, wie es seitdem getan wurde", erinnert sich Mortimer an diese Zeit. "Dies brachte einige von uns dazu, über seine Kontinentalgrenzen nachzudenken. Wo waren sie?"
Seinen Aufenthalt auf einem Forschungsschiff bezeichnet er als persönlichen "Heureka-Moment". Als er 2003 mit Kollegen aus Kiel schwarze Basaltlava vom Boden des Südwestpazifiks ausbaggern wollte, fanden sie noch etwas anderes: "Wir waren ungefähr 1.200 Kilometer östlich von Neuseeland und haben zu unserer Überraschung einen weißen Granit, kontinentales Gestein, ausgebaggert. Auf vielen weiteren Fahrten haben wir zahlreiche kontinentale Gesteinsproben erhalten - unterstützend gab es dazwischen gute geophysikalische Daten - sodass wir davon überzeugt wurden, dass dort ein vollständiger Kontinent anstatt kleiner, unzusammenhängender Fragmente lag."
Zealandia: Kommt der achte Kontinent auf Weltkarten und in den Geografieunterricht?
Seit 2017 arbeitete ein Team von Geologen unter Mortimers Leitung daran, eine detaillierte Karte des Kontinents zu erstellen. 2020 konnte diese Arbeit endlich vollendet werden. Die Forscher sind nun der Meinung, genug Indizien dafür zu besitzen, dass Zealandia tatsächlich einen eigenständigen achten Kontinent darstellt - auch wenn er im Gegensatz zu den übrigen größtenteils unter Wasser liegt. Denn nur etwa sechs Prozent der Masse ragt über das Wasser. Dabei handelt es sich um Neuseeland, Neukaledonien und ein paar kleinere Inseln.
Damit eine Landmasse als Kontinent gilt, muss sie bestimmte Kriterien erfüllen: Es muss etwa eine bestimmte Mindestgröße vorliegen oder die kontinentale Kruste dicker als die ozeanische sein. All das sehen die Forscher bei Zealandia erfüllt. "Wenn andere Wissenschaftler Zealandia verwenden und den Artikel von 'GSA Today' 2017 zitieren, ist dies eine Bestätigung unserer Arbeit", erklärt Mortimer den Prozess einer solchen Anerkennung und ist zuversichtlich, damit Erfolg zu haben.
"Bis heute gab es laut Google Scholar mehr als 150 Zitierungen, was in einem Zeitraum von drei Jahren in der Geologie ziemlich gut ist. Wir hoffen, dass Zealandia irgendwann seinen Weg auf übliche Weltkarten findet, in Schulen unterrichtet wird und einen so bekannten Namen wie die Antarktis bekommt."
Neue wirtschaftliche Rechtsansprüche
Doch es ging bei der Erforschung Zealandias nicht nur um rein wissenschaftlichen Zugewinn. Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) ist die Festlegung des rechtlichen Festlandsockels wichtig, um staatliche Hoheitsgebiete von internationalen Gewässern abzugrenzen. Werden 200 Seemeilen überschritten, muss eine Kommission die Ansprüche des jeweiligen Staats prüfen.
Als Neuseeland, Neukaledonien und Australien um 2000 herum ihre Anträge einreichten, wurde diese Prüfung von der geologischen Festlegung Zealandias begleitet. Damit verbunden ist auch die Frage nach der Nutzung von am Meeresboden befindlichen Rohstoffen. Im Fall Zealandias wird vermutet, dass dort neben bereits gefundenem Öl und Gas noch größere Sulfid- und Eisenmanganknollen-Vorkommen sein könnten.
Von Zealandia über die Erde lernen
Trotz aller Fortschritte steht die Forschung erst noch am Anfang. "Wir haben gerade erst begonnen, Zealandia als Kontinent zu erkunden", erklärt Mortimer. "Bisher haben wir die Fragen 'was' und 'wo' auf sehr einfache und allgemeine Weise beantwortet." Jetzt gehe es darum, sich der Details anzunehmen, etwa weshalb Zealandia im Gegensatz zu den anderen Kontinenten zum Großteil unter Wasser liegt und wie genau es dazu gekommen ist. "Wir können viel über die Funktionsweise der Erde und über die Geschichte aller Kontinente lernen, wenn wir Zealandia als einen von ihnen einbeziehen."
Mortimer geht zudem davon aus, dass es auch für die Identität der Bewohner Zealandias Folgen haben wird: "Vergessen wir nicht den Maori-Namen für Zealandia, der Te Riu-a-Maui lautet. Möglicherweise wird dies denjenigen von uns, die im Südwestpazifik leben, eine neue oder zusätzliche Identität verleihen." Mit einem Augenzwinkern weist er zuletzt auch noch auf neue Herausforderungen sportlicher Natur hin: "An diejenigen, die die sieben höchsten Gipfel der sieben Kontinente besteigen: Jetzt gibt es einen achten zu besteigen!"
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Dr. Nick Mortimer, Institute of Geological and Nuclear Sciences
- Nick Mortimer u.a.: Zealandia: Earth's Hidden Continent, in: GSA Today 27, 3 (2017), S. 27-35
- GNS Science: New maps and website give fresh insights into NZ continent
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.