• Es war eine kleine Sensation, als einem Berufsfischer am Bodensee im Jahr 2011 ein Tiefseesaibling ins Netz schwamm.
  • Denn die Fischart galt seit über 40 Jahren als verschollen.
  • Ein Forschungsteam konnte nun klären, ob es sich um eine weiterentwickelte oder doch die ursprüngliche Art handelt.

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Seit mehr als 40 Jahren galt der Tiefseesaibling am Bodensee als verschollen. Er wurde vermutlich ausgerottet, so die Annahme. 2011 dann die große Überraschung: Einem Berufsfischer geht ein Saibling ins Netz, der den historischen Exemplaren ähnelt. 2014 gelingt bei einer wissenschaftlichen Fangkampagne ein weiterer "unglaublicher Fischfang". Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fischereiforschungsstelle Langenargen (FFS/LAZBW) und des Wasserforschungsinstituts der Schweiz (EAWAG) staunen, als sie sogar sieben Exemplare des Tiefseesaiblings finden.

Die große Wiederentdeckung des Fisches gab seitdem Rätsel auf. War der Tiefseesaibling etwa jahrzehntelang einfach übersehen worden? Oder handelte es sich bei den entdeckten Exemplaren um Abkömmlinge des normalen Saiblings, die sich dem nährstoffärmeren Bodensee angepasst haben? Eine Studie von Forschungsteams der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM), der Fischereiforschungsstelle Langenargen und der Universität Bergen (Norwegen) liefert nun die Antwort.

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DNA des heutigen Tiefseesaiblings ist nahezu identisch zu DNA früherer Exemplare

"Heutige Tiefseesaiblinge (Salvelinus profundus) aus dem Bodensee sind sowohl genetisch als auch in ihrer Gestalt mit historischen Exemplaren nahezu identisch", berichtet das Forschungsteam in einer Pressemitteilung. Doch noch eine weitere Erkenntnis hielt die Untersuchung bereit. "Überrascht hat die Wissenschaftler auch, dass sich die DNA des nie verschollenen Normalsaiblings deutlich von der DNA früher im See vorkommender Individuen unterscheidet", heißt es. So haben die Tiefseesaiblinge auch andere Laichgebiete und Laichzeiten als normale Saiblinge.

Hypothesen, dass sich die beiden Formen in den vergangenen Jahrzehnten vermischt haben könnten, widerlegt die neue Studie genauso wie die Annahme, dass die wiederentdeckten Tiefseesaiblinge rapide evolutionäre Anpassungsstrategien hatten.

Für die Studie, die in der Fachzeitschrift "Ecological Applications" veröffentlicht wurde, haben die Forschenden vorhandene Exemplare beider Formen mittels Restriktionsstellen-assoziierter DNA-Sequenzierung (RAD) untersucht und verglichen. Auch historische Daten der letzten 60 bis 120 Jahre nutzte das Forschungsteam bei der Auswertung.

Population der Saiblinge im Bodensee ist in den 70er-Jahren deutlich zurückgegangen

Schon vor mehr als 100 Jahren sei die Existenz von zwei Seesaiblingsformen im Bodensee wissenschaftlich dokumentiert worden, heißt es in der Studie. Dabei handelt es sich um

  • normale Saiblinge, die eine Gesamtlänge von 20 bis 45 Zentimetern messen und im Winter in Tiefen zwischen 50 und 100 Metern laichen
  • Tiefseesaiblinge, die maximal 27 Zentimeter lang werden und im Sommer in Tiefen zwischen 70 und 150 Meter laichen
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Allerdings ging die Population beider Formen in den 1970er und 1980er Jahren drastisch zurück. Jan Baer von der Fischereiforschungsstelle Langenargen sagt jedoch, die neuen Daten zeigten, dass Hilferufe der Berufsfischer in den 1950er Jahren Wirkung gezeigt hätten. "Schon früh ergriffene Maßnahmen gegen Überdüngung haben offenbar die Erhaltung des Lebensraums des Tiefseesaiblings bewirkt. Die heutigen Tiefseesaiblinge stammen direkt von ursprünglichen Exemplaren ab. Es muss also einigen Tieren gelungen sein, in der Tiefe des Sees unentdeckt zu überleben."

Dennoch sei die ursprüngliche Normalform des Saiblings aus dem Bodensee "fast vollständig verdrängt und größtenteils durch einen Mix aus Zuchtfischen ersetzt" worden, gibt Ulrich Schliewen, Fischexperte der Zoologischen Staatssammlung München, zu bedenken.

Abschließend heißt es in der Mitteilung zur Studie, die Projektverantwortlichen hofften nun, "dass sich die letzten Nachkommen der ursprünglichen Normalsaiblinge im Lauf der Zeit wieder durchsetzen werden".

Mit seinen 536 Quadratkilometern ist der Bodensee der drittgrößte Binnensee Mitteleuropas. Sowohl der Süden Deutschlands als auch der Norden der Schweiz und der Westen von Österreich umschließen ihn. Die tiefste Stelle liegt bei 254 Metern, was ihn zum tiefsten See Deutschlands macht.

Verwendete Quellen:

  • Pressemitteilung der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns: "Rätsel um wiederentdeckten Tiefseesaibling im Bodensee gelöst"
  • Veröffentlichte Studie in "Ecological Applications": "Cryptic persistence and loss of local endemism in Lake Constance charr subject to anthropogenic disturbance"
  • Website: bodensee.de
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