Lebensmittel werden aufbewahrt, verarbeitet, verpackt und serviert. Dabei kommen sie mit Tausenden chemischen Verbindungen in Kontakt. Eine Überblicksstudie zeigt: Ein Viertel davon taucht auch in Menschen auf.
Zahlreiche Chemikalien können über Lebensmittelverpackungen und -verarbeitung in die Nahrung gelangen und von dort in Menschen übergehen. Einen Einblick über die Vielzahl solcher Verbindungen gibt eine neue systematische Übersichtsstudie, die im Fachblatt "Journal of Exposure Science and Environmental Epidemiology" erschienen ist. Insgesamt seien 3.601 solcher zum Teil gesundheitsschädlichen Fremdstoffe in Menschen gefunden worden, etwa in Blut, Urin, Haaren und Muttermilch. Bei den chemischen Verbindungen handelt es sich um sogenannte Food Contact Chemicals (FCCs).
Was hat es mit FCCs auf sich?
- FCCs werden in Produkten verwendet, in denen Lebensmittel aufbewahrt, verarbeitet, verpackt und serviert werden.
- Zu den Verbindungen gehören unter anderem die Ewigkeitschemikalien genannten PFAS, die Weichmacher Phthalate, Metalle sowie die gesundheitsgefährdenden Industriechemikalien Bisphenole.
- Mehr als 14.000 FCCs seien bekannt, schreiben die Fachleute.
- Mit 3.601 sei nun also etwa ein Viertel davon in Menschen nachgewiesen worden.
Durchgeführt wurde die Studie von der gemeinnützigen Stiftung Food Packaging Forum (FPF) mit Sitz in Zürich in der Schweiz. Die Ergebnisse seien vollständig wissenschaftlich unabhängig entstanden, erklärte der Stiftungsratsvorsitzende Martin Scheringer, der an der Masaryk Universität in Tschechien und der ETH Zürich lehrt und Co-Autor der Studie ist. Die Seriosität der Stiftung bestätigt auch Andreas Schäffer, emeritierter Professor für Ökotoxikologie und Umweltrisikobewertung der RWTH Aachen, der nicht an der Studie beteiligt war.
Ziel der Studie: Verpackungen sicherer machen
Das FPF will die durch die Studie gewonnen Daten auf einer interaktiven Plattform namens FCChumon database für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Diese baut auf den zuvor schon publizierten Datenbanken zu FCCs auf, die online verfügbar sind. Die Autorinnen und Autoren der Studie hoffen, dass die Plattform Experten dazu dienen wird, Materialien sicherer zu machen.
"Unsere Forschung stellt eine Verbindung zwischen Chemikalien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, der Exposition und der menschlichen Gesundheit her", erklärte die Erstautorin Birgit Geueke vom FPF. "Und sie zeigt eine wichtige Möglichkeit zur Prävention und zum Schutz der Gesundheit auf."
In ihrer Studie weisen die Forschenden darauf hin, dass diese Chemikalien auch aus anderen Quellen stammen können, etwa Arzneimitteln, Haushaltsgegenständen und Pflegeprodukten.
Für einige Chemikalien wie etwa Bisphenol A (BPA) sei die orale Aufnahme über Lebensmittelkontaktmaterial gut erforscht. So sei der hormonell wirksame Schadstoff nun in bestimmten Produkten wie Babyflaschen verboten. Er werde aber weiterhin in anderen Materialien gefunden. Insgesamt sei bei Hunderten FCCs der Übergang von Lebensmittelkontaktmaterial in Lebensmittel nachgewiesen worden.
Viele der Chemikalien können der Studie zufolge die Gesundheit gefährden, weil sie krebserregend sind, Veränderungen des Erbguts hervorrufen, die Fortpflanzung beeinträchtigen, in den Hormonhaushalt von Menschen eingreifen oder sich im Körper anreichern. Allerdings kommt es auch auf die Konzentration der Stoffe an. Co-Autorin Jane Muncke (ebenfalls FPF) erklärte, sie hoffe, dass die Studie dabei helfe, die Sicherheit von Lebensmittelkontaktmaterial zu verbessern. Zum einen könnten neue Vorschriften erlassen werden, zum anderen sicherere Alternativen entwickelt werden.
Viele Daten fehlen noch
Für viele der Chemikalien gebe es aber keine oder nur unzureichende Daten über ihre Toxizität, schreiben die Fachleute. Deswegen könne über eine sichere Verwendung keine Aussage gemacht werden. Auch könne es durchaus noch mehr als die nun in der Studie zusammengefassten FCCs geben. "Es ist wahrscheinlich, dass die Menschen mehr FCCs ausgesetzt sind, als hier berichtet wird, da wir die wissenschaftliche Literatur nur für eine kleine Untergruppe von Chemikalien durchsucht haben."
Tausende andere FCCs hingegen seien bekannt, würden in Biomonitoring-Programmen aber überhaupt nicht überwacht. So würden etwa synthetische Antioxidantien und Oligomere kaum in Menschen nachgewiesen, weil nicht danach gesucht werde, meint Mitautorin Ksenia Groh vom Wasserforschungsinstitut Eawag in der Schweiz. "Unsere Studie zeigt, dass Antioxidantien trotz ihrer hohen Produktionsmengen und ihrer weit verbreiteten Verwendung in Kunststoffen in Überwachungsprogrammen weitgehend fehlen." Wenig sei bekannt darüber, wo diese verbleiben und welche Auswirkungen sie haben können.
Studie "wichtiger Aufklärer und Wegbereiter
Der Stiftungsratsvorsitzende Scheringer resümiert, dass in den Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, eine erstaunlich hohe Zahl an gefährlichen Chemikalien verwendet werde. "Dies ist besorgniserregend, und es besteht eindeutig ein Bedarf an sichereren und einfacheren Lebensmittelkontaktmaterialien."
Der Ökotoxikologe Schäffer erläutert, dass für einige der Chemikalien wie die poly- und perfluorierten Substanzen oder die in Kunststoffen eingesetzten Phthalate derzeit Einschränkungen diskutiert würden - aber für die meisten anderen Chemikalien noch nicht. "Die Studie ist daher ein wichtiger Aufklärer und Wegbereiter, die Menschen vor bedenklichen Produkten im Lebensmittelsektor in Zukunft besser zu schützen."
Auch Hubertus Brunn, Lebensmittel- und Umwelttoxikologe an der Universität Gießen sieht in der Studie einen Anstoß zum Nachdenken. Er hoffe, dass dadurch in der Öffentlichkeit und Politik die Frage aufgeworfen werde, "ob wir diese Stoffe in den Lebensmittelkontaktmaterialien wirklich alle benötigen und ob man sie zumindest durch weniger schädliche oder unschädliche Stoffe oder Materialien ersetzen kann". (dpa/bearbeitet von tar)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.