- Zementwerke gehören zu den größten CO2-Verursachern überhaupt.
- Durch die Verbrennung von giftigem Müll sorgen sie für extreme Umweltschäden.
- Warum wird nicht mehr gegen die gefährlichen Giftschleudern unternommen?
Zementwerke gehören zu den größten Umweltsündern. CO2-Ausstoß und die Verbrennung von giftigem Müll machen sie zu regelrechten Giftschleudern. Zu allem Überfluss genießen Zementwerke noch unerklärliche Sonderrechte.
"Die Zementherstellung ist einer der emissions-intensivsten Industrieprozesse", schreibt der World Wide Fund For Nature (WWF) in einem Papier (PDF) zum Thema. 2 Prozent der deutschen und 8 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen demnach auf die Zementherstellung zurück – jährlich also mehr als drei Milliarden Tonnen. Das entspricht dem Drei- bis Vierfachen dessen, was der vielgeschmähte Flugverkehr zur Klimakrise beiträgt.
Vor allem zwei Prozesse treiben die CO2-Bilanz nach oben: Bei der Produktion werden extrem hohe Temperaturen von bis zu 1.450 Grad Celsius erreicht. Das bedeutet einen hohen Brennstoffverbrauch und damit hohe Emissionen.
Außerdem kommt es beim Brennvorgang zu einer Entsäuerung von Kalkstein – dem Ausgangsmaterial von Zement. Diese chemische Reaktion führt zu weiterem CO2-Ausstoß. Insgesamt entstehen pro Tonne Zement in Deutschland 587 Kilo Treibhausgase.
Müllverbrennung in Zementwerken
Doch es ist nicht nur der gigantische CO2-Ausstoß, der Zementwerke zu Umweltsündern der Spitzenklasse macht. Viele Zementwerke verbrennen zur Energiegewinnung quasi alles, was sie kriegen können – Altreifen, giftigen Papier-Schlamm, Plastikmüll, Altöl.
Laut Angaben des Vereins Deutscher Zementwerke e.V. lag der Anteil von Braun- und Steinkohle an den eingesetzten Brennstoffen 2019 bei insgesamt 26,5 Prozent. Sogenannte alternative Brennstoffe nahmen dagegen mit 68,9 Prozent den größten Teil ein.
Für die Zementwerke ein lukratives Geschäft. Nicht nur sparen sie am Einkauf herkömmlicher Brennstoffe, sondern verdienen auch an der Müllentsorgung.
Und dabei gelten für Zementwerke nicht dieselben strengen Auflagen wie für andere Entsorgungsunternehmen. Denn während klassische Müllverbrennungsanlagen mit hochentwickelten Systemen arbeiten, nutzen Zementwerke nur einfache Filter.
Der Grund: Im Bundesemissionsgesetz gibt es einen kleinen Zusatz, der besagt, dass die strengen Vorgaben nicht für die Zementindustrie gelten. Ein Riesenerfolg für die mächtige Zementlobby.
Expertin bezeichnet Rahmenbedingungen bei Zementherstellung als unzureichend
Das Bundesumweltamt bezeichnet die Mitverbrennung von Abfällen in einem Sachverständigengutachten gar als "eine ökologisch sinnvolle Maßnahme". Dadurch würden andere Brennstoffe, wie etwa Kohle, eingespart und so der CO2-Ausstoß verringert.
Allerdings nur – so ein kleiner, aber wichtiger Zusatz – wenn es "richtig" gemacht wird. Dafür gibt es entsprechende Vorgaben des Gesetzgebers.
Die Rahmenbedingungen seien allerdings noch nicht ausreichend, um die Potenziale der Kreislaufwirtschaft, des Ressourcenschutzes sowie des Klimaschutzes bei der Zement-Herstellung auszuschöpfen. So drückt es Ulrike Hinz vom WWF Deutschland aus.
"Viele der geltenden Regelungen sind historisch gewachsen und müssen regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden", sagt Hinz im Gespräch mit unserer Redaktion. "Einerseits fehlen relevante regulatorische Rahmenbedingungen oder sind für den Einsatz klimafreundlicherer Zemente und Betone kontraproduktiv. Andererseits werden bestehende Handlungsspielräume nicht genutzt, zum Beispiel bei öffentlicher Beschaffung der Klimaschutz nicht als Kriterium bei Vergabeprozessen herangezogen."
Die Grünen fordern einheitliche Grenzwerte
Zu den Hürden bei der praktischen Umsetzung gehörten etwa veraltete Bauordnungen oder fehlende Klimaschutzkriterien für die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen.
Erst im Januar hatten die Grünen einen Antrag gestellt, die gesetzlichen Regelungen für Zementwerke denen herkömmlicher Müllverbrennungsanlagen gleichzustellen.
Auf der Website der Grünen-Abgeordneten Bettina Hoffmann hieß es dazu: "Die Grenzwerte, die zum Schutz unserer Umwelt und Gesundheit für Müllverbrennungsanlagen gelten, müssen auch für die Verbrennung von Abfällen in Zementwerken gelten. Ausnahmeregelungen für Zementwerke gehören gestrichen. Die Bundesregierung muss den Betreibern von Zementwerken vorschreiben, die Reinigung der Abgase nach dem neuesten Stand der Technik durchzuführen."
Schadstoffmessungen hätten gezeigt, "dass bei der Mitverbrennung von Plastikmüll oder Gummireifen deutlich mehr Luftschadstoffe ausgestoßen werden, als in Zementwerken, in denen nur Kohle als Brennstoff eingesetzt wird".
Zahlreiche Schadstoffe bei Zementproduktion führen zu massiven Umweltschäden
Auch der WWF sieht eine hohe Dringlichkeit und Relevanz, da die Bedeutung der Zementemissionen stark zunehme. Die Umweltschäden dadurch sind beträchtlich.
"Neben den CO2-Emissionen werden auch weitere Schadstoffe ausgestoßen", sagt Ulrike Hinz. Dazu zählt sie Kohlenstoffmonoxid, Schwefeldioxid, weitere Stickoxide, Ammoniak sowie Benzol und Quecksilber.
Außerdem entstehe reaktiver Stickstoff, der unter anderem eine Belastung des Grundwassers mit Nitrat mit sich ziehen könne. "So ist eine hohe Belastung oft auch eine wichtige Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt", sagt Hinz.
Alternativen für saubere Zementproduktion
Dabei gebe es durchaus Alternativen. "Es gibt zahlreiche technische Ansätze, die teilweise schon auf dem Markt angeboten und teilweise noch erforscht werden, um die Treibhausgas-Emissionen in der Zement-Industrie zu reduzieren", sagt Hinz.
So könnten durch eine Änderung der Mischverhältnisse im Beton Emissionen reduziert werden. Freiwerdendes CO2 kann durch technische Verfahren wieder "eingefangen" werden. Und gerade im Hochbau böten sich auch andere Materialien an, sagt Hinz. Dazu gehören neben Holz auch Carbon oder Infraleichtbeton.
Der WWF empfiehlt deshalb ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Prozesse sollten auf klimafreundlichere Verfahren geprüft werden. Außerdem sollten Normen im Baurecht angepasst werden. Und natürlich sollten auch finanzielle Anreize geschaffen werden.
Der Antrag der Grünen-Fraktion jedoch wurde vom Bundestag abgelehnt.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Ulrike Hinz, Policy Advisor Climate and Energy beim WWF Deutschland
- WWF Deutschland: Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie (Berlin, Februar 2019)
- Beyond Zero Emissions: Rethinking Cement (Fitzroy, Victoria, August 2017)
- Umweltbundesamt: Abfallmitverbrennung in Zementwerken – Sachverständigengutachten (Texte 202/2020)
- Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Mitverbrennung von Abfall in Zementwerken – Schlupflöcher schließen, Schadstoffausstoß senken" (Drucksache 19/26219, 27.01.2021)
- RTL Nachtjournal Spezial: Giftschleuder Zementwerke #DokuCorrectiv im RTL Nachtjournal
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