Am vergangenen Sonntag feierte Andrea Kiewel in ihrem "Fernsehgarten" noch das Oktoberfest, diesmal begeht sie den Tag der Deutschen Einheit. Da ist es nur folgerichtig, dass der Remmidemmi-Faktor ein bisschen runtergefahren wird. Ein typischer "Fernsehgarten" ist es trotzdem geworden, mit Musik, Rahmenprogramm und dem obligatorischen Fettnäpfchen.
Der "ZDF-Fernsehgarten" ist seiner Zeit ein bisschen hinterher und gleichzeitig voraus. In der vergangenen Ausgabe eröffnete
Immer dort, wo kurz zuvor der Tag der Deutschen Einheit offiziell gefeiert wird, ist dann auch der "Fernsehgarten" vor Ort und so hat es Kiewel für zwei weitere Ausgaben nach der regulären Saison in den Norden Deutschlands verschlagen oder wie es Kiewel selbst erklärt: "Das ist der 'Fernsehgarten on tour'. Live aus Mecklenburg-Vorpommern, ganz genau gesagt aus Schwerin." Das erklärt auch das Schweriner Schloss im Hintergrund der "Fernsehgarten"-Bühne sowie Kiewels folgendes Kompliment.
Die Moderatorin sei bereits in der Stadt unterwegs und begeistert gewesen: "Die Altstadt, das Essen, die Schwerinerinnen und Schweriner – wir sind definitiv in der schönsten Landeshauptstadt ever", spricht Kiewel aus, was das Schweriner Publikum gerne hört. Dann aber übertreibt es Kiewel kurz mit der Lobhudelei. Sie vergleicht die Verkaufszahlen von Wacken und dem "Fernsehgarten" und erklärt, dass die Karten des "Fernsehgarten" schneller weg gewesen seien als die des Metal-Festivals. Dass es für Wacken aber tausendfach mehr Karten gibt als für den "Fernsehgarten", verschweigt Kiewel.
Ist aber wurscht, Klappern gehört zum Handwerk und mit dem Klappern geht es diesmal ohnehin ein bisschen sparsamer zu als sonst. Denn außer, dass der "Fernsehgarten" der Einheitsfeierlichkeiten wegen on tour ist, gibt es kein richtiges Motto, zumindest keines, bei dem man es krachen lässt. Das erspart den Zuschauern das übliche übertriebene Halligalli zu Autoscooterbeats und all die Kostüme und Junggesellen-Abschiede, in und mit denen die Zuschauer sonst so auf den Mainzer Lerchenberg ziehen.
Nein, "on tour" geht es gesitteter zu und so sieht auch das Programm aus.
Aber der "Fernsehgarten" will nicht nur etwas dalassen, sondern seinen Zuschauern auch etwas mitgeben. Deshalb schickt man Bürger Lars Dietrich durch Schwerin, um zu zeigen, "wie toll es hier ist". Und weil Kulinarik ein fester Bestandteil des "Fernsehgarten" ist, darf dann noch TV-Koch Armin Roßmeier einen "typischen Mecklenburger Rippenbraten" aus dem Ofen holen. Beim Rahmenprogramm gelingt also auf gewisse Weise das Einheitsfeier-Motto, beim musikalischen Part tut man sich da etwas schwerer: Iggi Kelly, Chris de Burgh, Loi, Goldmeister, Isaak und Co. bedienen zwar verschiedene Geschmäcker, mit deutscher Einheit hat das aber erstmal nichts zu tun.
Das macht aber Marti Fischer mehr als wett. Das Musik-Multitalent hat sich ost- und norddeutsches Liedgut vorgenommen und präsentiert es in neuem Gewand. Aus "Nordisch by Nature" von Fettes Brot macht Fischer eine "Hans-Albers-mäßige Version", Karats "Über sieben Brücken mußt du gehen" wird zur "Deichkind-Version mit Remmidemmi-Drums" und bei "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen erklärt Fischer: "Santiano ist mir dazu eingefallen." "Es wird knallen wie Hupe", verspricht Fischer und in der Tat kommt der Spaß an seinen Versionen nicht nur beim Publikum vor Ort, sondern auch durch den Bildschirm an. Oder wie es Fischer formuliert: "Da können wir wieder in die Fäustchen hauen."
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Anders sieht es beim sportlichen Teil des Nachmittags aus. Da löst Kiewel das Versprechen ein, das sie einst der Besatzung des deutschen Gold-Vierer-Kajaks gegeben hat: Kiewel das Kajak-Fahren beibringen. Das gerät zu einer minutenlangen Plauderei und einer 30-sekündigen Fahrt, aber der Unterhaltungswert ist nicht wegen dieser Zeit-Unwucht gleich null, sondern weil es außer des Versprechens keinen Grund für das Ganze gibt. Auch nicht, als Johannes B. Kerner einen vermeintlichen Weltrekordversuch herbeiredet.
"Fernsehgarten": mit peinlichem Spruch, aber ohne DJ Ötzi
Aber wo Licht ist, ist eben auch immer Schatten und es sollte auch an anderer Stelle schattig werden. Als Johanns B. Kerner "das Wetter" als Grund für seine Liebe zum Norden angibt, ergänzt der Moderator: "Wann hat's hier das letzte Mal geregnet? Ich war nicht dabei", freut sich Kerner über den Sonnenschein. Ein Satz, den wir in Zeiten der Klimakrise in Zukunft sicher mit mehr Bedacht und nicht als Beweis für schönes Wetter wählen werden. Ein von der Dürre geplagter Bauer im Schweriner Umland hätte so einen Satz jedenfalls anders formuliert.
Daran werden wir uns also gewöhnen müssen, an einen anderen Spruch von Kerner hoffentlich nicht. Denn als der Moderator eine Frau mit rot gefärbten Haaren begrüßt, die gerade am Kunstwerk zeichnet, macht er das so: "Ist die Farbe ausgelaufen am Kopf?" Offenbar unterschätzt Kerner, dass so ein Spruch nicht peinlich für die Frau, sondern für ihn ist. Sprachlich trittfester ist da Kiewel. Die wirft einem der Kajak-Fahrer zwar auch ein etwas übergriffiges "Von so einem Mann möchte man Kinder bekommen" an den Kopf, beweist aber dafür an anderer Stelle Selbstironie. Als sie erzählt, dass sie gleich ihr Gesäß in ein schmales Kajak platzieren werde, sagt Kiewel: "Das wird deutsche Ingenieurskunst."
Am Ende wird es eine "Fernsehgarten"-Ausgabe, die zwar ohne das übliche Remmidemmi auskommt, aber immer noch ein typischer "Fernsehgarten" ist – nur eben etwas gediegener. Das wird "Fernsehgarten"-Ultras vielleicht nicht vom Hocker hauen, aber für alle anderen ist es sicher ganz angenehm, dass einem nicht zum hundertsten Mal DJ Ötzi in den Ohren dröhnt.
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