Ja, es war vielleicht unbedacht, die Teilnehmer der Saalwette bei "Wetten, dass..?" aufzufordern, sich als Jim Knopf schwarz anzumalen. Ja, man hätte von Seiten des ZDF hinterher souveräner damit umgehen können. Und nein, es ist nicht gleich Rassismus, wenn das Netz nur laut genug ruft.

Ein Kommentar

Was war denn da schon wieder los? Eine wie üblich höhepunktarme bis latent peinliche "Wetten, dass..?"-Ausgabe am Samstagabend in Augsburg, über die heute niemand mehr reden würde - wäre da nicht der vermeintliche Rassismus-Skandal gewesen. Im Rahmen der Stadtwette rief Moderator Markus Lanz die Augsburger dazu auf, als Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer verkleidet in die Halle zu kommen. Und dann der fatale Satz: "Jim Knopf muss natürlich schwarz sein, mit Schuhcreme, Kohle, was auch immer."

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Was beim ZDF offenbar niemand bedacht oder jeder für harmlos gehalten hat: Die Praxis, sich für eine Bühnenrolle schwarz zu schminken, nennt sich "Blackfacing". Wie der geneigte Antirassist auf Wikipedia nachlesen kann, handelt es sich dabei um "eine rassistisch geprägte Theater- und Unterhaltungsmaskerade" aus dem 19. Jahrhundert, die darauf abzielte, die Schwarzen lächerlich zu machen. Eine durch und durch verabscheuenswürdige Tradition, darüber muss man nicht diskutieren. Aber trifft sie auf die Saalwette von "Wetten, dass..?" zu?

Geht's hier um Rassismus - oder um Markus Lanz?

Nein, das tut sie nicht. Lassen wir doch bitte die Kirche im Dorf. Ja, es war unglücklich, das Schminken mit Schuhcreme oder Kohle anzukündigen. Ja, man hätte die Vorwürfe von Seiten des ZDF hinterher nicht als "absurd" abtun sollen, sondern sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Aber am Ende ging es hier schlicht und ergreifend darum, die beiden beliebtesten Figuren der Augsburger Puppenkiste in die Sendung zu integrieren. Und Jim Knopf ist nun mal dunkelhäutig.

Was wäre die Alternative gewesen? Markus Lanz hätte vielleicht sagen sollen, "bitte besorgen Sie sich für die Saalwette einen kleinen dunkelhäutigen Jungen, denn wenn sich jemand schwarz anmalt, ist das Rassismus!" Oder vielleicht sollte man Jim Knopf aus dem Kanon der Augsburger Puppenkiste verbannen, so wie man es mit dem Begriff "Neger" in einschlägig rassistischer Kinderliteratur (Pippi Langstrumpf!) vor Kurzem gemacht hat.

Hier drängt sich ein ganz anderer Verdacht auf: Es geht mal wieder um Markus Lanz. Jetzt hat man ihm oft genug unterstellt, dass er zu hölzern ist für "Wetten, dass..?" und zu wenig spontan. Dass er nur peinliche Fragen stellt und nicht lustig ist. Es musste wohl mal was Neues her, um auf den vielgescholtenen Moderator einzudreschen. Also missbraucht man eine ernste Debatte, um Lanz erneut eins reinzuwürgen? Wenn das Ganze bei "Joko & Klaas" passiert wäre, hätten die gleichen Leute, die jetzt "Rassismus!" schreien, es cool gefunden und satirisch und kulturpessimistisch und so. Wetten?

Bevor aber gleich der nächste Shitstorm losbricht: Rassismus ist unter jeden Umständen zu verurteilen. Man sollte sich aber überlegen, ob man es sich vielleicht nicht ein wenig zu einfach macht, bei jeder Gelegenheit die Moralkeule zu schwingen. Es ist nicht gleich Rassismus, nur weil jemand das laut ruft - und wer eine solche Aktion mit Idioten wie der NPD in einen Topf wirft, erweist dem Kampf gegen eine schwachsinnige Geisteshaltung einen Bärendienst. "Wetten, dass..?" hier zur Seite zu springen, hat nichts mit Verharmlosung zu tun, sondern zeugt von der Fähigkeit, wirkliche Gefahren von Alarmismus zu unterscheiden.

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