Als Rechtsanwältin begleitet Sandra Günther presserelevante Verfahren in den Bereichen Scheidungs-, Familien- und Strafrecht und ist einer breiten Masse durch TV-Auftritte in verschiedenen Gerichtsshows bekannt. Im Interview mit unserer Redaktion spricht die Juristin über die Faszination der Menschen für TV-Formate wie "Das Strafgericht" und erklärt, warum ihrer Meinung nach jeder Mensch in eine toxische Beziehung geraten kann.

Ein Interview

Frau Günther, Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin mit einer eigenen Kanzlei auch aus dem TV bekannt. In der Serie "Anwälte und Detektive – Sie kämpfen für Dich" waren Sie in der Rolle der Sonja Haas zu sehen, während Sie als Sie selbst in Formaten wie "Das Strafgericht" aufgetreten sind. Hat vor allem Ihre fiktive Rolle der Sonja Haas in der Vergangenheit zu Verwechslungen im echten Leben geführt?

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Sandra Günther: Tatsächlich ist mir das nie passiert (lacht). Allerdings sind im Zuge meiner Zeit bei "Anwälte und Detektive" viele Menschen auf mich zugekommen, die meine echte Persönlichkeit und die der Sonja Haas zwar differenziert voneinander betrachtet haben, aber meine juristische Tätigkeit als Sandra Günther in Anspruch genommen haben.

Reality-Gerichtsshows im TV sind seit vielen Jahren sehr beliebt – wie erklären Sie sich die Faszination der Menschen für reale oder an die Realität angelehnte Justiz-Fälle?

Ich kann mir vorstellen, dass für viele Menschen der Aspekt, nah dabei und dennoch nicht betroffen zu sein, eine Rolle spielen könnte. Wir Anwälte kommen vor allem im Strafrecht mit Fällen in Berührung, mit denen ein normal lebender Mensch im Regelfall nie konfrontiert wird. Ich denke, dass darin die Faszination liegt.

True-Crime-Podcasts etwa lösen ja eine ähnliche Faszination bei vielen Menschen aus …

Ganz genau. Durch diese Formate bekommen die Leute unmittelbar die Wege und Schritte vermittelt, nach denen ermittelt und vorgegangen wird. Wie agiert ein Anwalt, wie reagiert ein Verteidiger und wie ist es, wenn Menschen vernommen werden oder man sich in einer JVA befindet? Antworten auf diese Fragen zu finden, löst eine ungemeine Faszination auf viele Menschen aus.

Studien zufolge werden True-Crime-Podcasts vor allem von Frauen gehört – sind die Zuschauenden von Gerichtsshows auch eher weiblich?

Konkrete Zahlen liegen mir hier nicht vor. Was ich aber sagen kann, ist, dass die meisten Fans der Formate, die mich ansprechen oder mir bei Instagram folgen, weiblich sind.

Apropos Instagram, auf der Plattform rufen Sie Ihre Community explizit dazu auf, Ihnen juristische Fragen zu stellen oder von persönlichen Erfahrungen zu berichten. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Angebot auf große Resonanz stößt.

Ganz genau. Auf meinem Instagram-Kanal versuche ich, familienrechtliche Fälle zu beleuchten und erkläre den Menschen, wie richterliche Beschlüsse aussehen. In diesem Rahmen zeige ich auch, wie sorgerechtliche oder umgangsrechtliche Verfahren in der Praxis verhandelt werden. Hierbei ist es mir wichtig, der Community die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen, was ich mithilfe eines Abo-Modells bei Instagram realisiere. Die Abonnenten und Abonnentinnen können dadurch in Echtzeit über die Nachrichtenfunktion mit mir kommunizieren und mir alle relevanten Fragen stellen. Durch diesen direkten Austausch schaffe ich eine große Nahbarkeit, die den Menschen gefällt. Darüber hinaus kann ich durch diese Form der Kommunikation die Menschen emotional abholen – denn auch ich habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen machen müssen. Ich bin gewissermaßen eine von ihnen – umso wichtiger ist es mir, den Menschen die Hoffnung zu geben, dass nach der schweren Zeit auch wieder positive Momente kommen werden.

Häufig ist es eine starke erotische Anziehungskraft, die Menschen in einer toxischen Partnerschaft nur schwer aufgeben können.

Ihre eigenen negativen Erfahrungen kommunizieren Sie auch in dem Buch "Wenn Liebe toxisch wird", das im vergangenen Jahr erschienen ist.

So ist es. "Wenn Liebe toxisch wird" ist zusammen mit der TV-Psychologin Ruth Marquardt entstanden und widmet sich narzisstischen Verhaltensmustern von Menschen und der Frage, wie man sich von ihnen lösen kann. Entstanden ist das Buch aufgrund unserer eigenen Erlebnisse mit toxischen Menschen. Sowohl Ruth als auch ich haben diesbezüglich viel erlebt.

Expertin: Jeder Mensch kann in eine toxische Beziehung geraten

Damit meinen Sie eine vergangene Beziehung?

Ja, ich war vor vielen Jahren wahnsinnig in einen Mann verliebt, der mich jedoch ohne Ende abgewertet hat. Auch in Anwesenheit weiterer Personen kam es immer häufiger zu heftigen Beleidigungen und Herabwürdigungen meiner Person. Dazu kamen dann noch jede Menge Lügen, ehe ich begonnen habe, konfrontativ zu reagieren. Nach rund elf Monaten ist es mir dann gelungen, mich aus der Beziehung zu lösen – das war die einzig richtige Entscheidung, die ich treffen konnte.

Rechtsanwältin Sandra Günther war in der Serie "Anwälte und Detektive – Sie kämpfen für Dich" in der Rolle der Sonja Haas zu sehen. © Sandra Günther

Kann es Ihrer Meinung nach also jedem Menschen passieren, in eine toxische Partnerschaft zu geraten?

Definitiv. Das kann jedem Menschen passieren. Man darf hierbei auch die sexuelle Komponente nicht vergessen. Häufig ist es eine starke erotische Anziehungskraft, die Menschen in einer toxischen Partnerschaft nur schwer aufgeben können.

In diesem Jahr folgt die Veröffentlichung Ihres Buches "Intelligent getrennt". Hierbei handelt es sich um einen Trennungs- und Scheidungsratgeber, mit dem Sie explizit Frauen erreichen wollen.

Ich denke, das Buch ist ein Ratgeber für alle Menschen, die sich kurz vor einer Trennung oder mittendrin befinden. In dem Buch schlüssel ich ganz kleinschrittig auf, wie man merkt, dass eine Beziehung zu Ende geht, welche Arten von Trennungen es gibt, wie man sich am besten trennt und was typische Gründe für eine Trennung sind. Natürlich geht es aber auch um Themen, die zu klären sind, wenn man sich intelligent trennen möchte.

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Als Rechtsanwältin begleiten Sie auch Frauen, die sich aus gewaltvollen Beziehungen lösen. Häufig gelingt den Betroffenen eine Trennung erst nach vielen Jahren der Gewalt. Was steckt dahinter, dass vor allem Frauen lange in gewaltvollen und demnach auch gefährlichen Beziehungen bleiben?

Ich würde mit Blick auf diese Frage gerne den Fokus nicht ausschließlich auf Frauen legen. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn sehr viele Männer betreut, die unter einer gewaltvollen Beziehung gelitten haben. Insofern können wir emotionale Abhängigkeit vermutlich geschlechtsneutral betrachten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die finanzielle Abhängigkeit, von der tatsächlich häufig Frauen und Mütter betroffen sind. Viele Paare trennen sich auch nicht aus Sorge, die Kinder könnten darunter leiden. Unterm Strich denke ich aber, dass eine emotionale wie finanzielle Abhängigkeit die Betroffenen dazu bewegt, in einer gewaltvollen Beziehung zu bleiben.

Dennoch werden Gewalttaten in toxischen Beziehungen häufig mit Attributen wie "Verbrechen aus Leidenschaft" beschrieben …

Das stimmt. Indem sich auf eine vermeintlich emotionale Ausnahmesituation berufen wird, werden Täter häufig als Opfer dargestellt. Auch ich bearbeite viele Gewaltschutzfälle und stelle immer wieder fest, wie schwer es den echten Opfern im Rahmen der Prozesse häufig gemacht wird, weil die Richterinnen und Richter ganz genau hinsehen müssen. Kann also kein eindeutiger Beweis für die Schuld einer angeklagten Person ausgemacht werden, wird diese freigesprochen. Hier sprechen wir von sehr komplexen Situationen.

Täterhass ist keine Seltenheit

Diese Situation kann mitunter aber auch dazu führen, dass beispielsweise ein Opfer eines sexuellen Übergriffs vor Gericht miterleben muss, wie der Täter freigesprochen wird.

So sieht es leider aus, ja.

Was machen solche Schicksale mit Ihnen?

Es ist schon vorgekommen, dass ich im Gerichtssaal emotional oder laut geworden bin. Natürlich gibt es Fälle, die ich wortwörtlich mit nach Hause nehme, weil sie mich sehr beschäftigen. Umso herausfordernder ist es, in solchen Situationen sich selbst und die eigene mentale Gesundheit nicht aus den Augen zu verlieren.

Passiert es auch, dass sich im Gerichtssaal ein gewisser Täterhass gegen Sie richtet?

Ja. Von zerstochenen Autoreifen vor dem Gerichtsgebäude bis hin zu Anrufen mit Gewaltdrohungen habe ich schon vieles erlebt. Natürlich sind das keine schönen Erfahrungen, die ein mulmiges Gefühl hinterlassen. Dieses Gefühl muss man jedoch abstellen. Wir Familien- und Strafrechtler leben gefährlich – es gibt immer eine Gegenseite, die uns nicht mag.

Über die Gesprächspartnerin

  • Sandra Günther begleitet als Rechtsanwältin presserelevante Verfahren in den Bereichen Scheidungs-, Familien- und Strafrecht. Darüber hinaus wirkt sie seit 2009 regelmäßig in bekannten TV-Formaten mit. In der TV-Sendung "Anwälte und Detektive – Sie kämpfen für Dich" war sie als Darstellerin von "Sonja Haas" zu sehen und für "Das Strafgericht" stand sie als Verteidigerin vor der Kamera. Zudem fungiert sie regelmäßig als Rechtsexpertin in weiteren TV-Formaten.
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