Im Münster-"Tatort" ging es schon mal spaßiger zu als im neuen Fall "Die chinesische Prinzessin" – was sicher auch an neuen Kreativ-Köpfen hinter dem Krimi liegt. Aber auch wenn Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) diesmal nicht in Topform waren, ging es hoch her. Boernes Flirt mit einer chinesischen Installationskünstlerin hatte üble Folgen für ihn: Der Rechtsmediziner stand unter Mordverdacht – und enormem Kokseinfluss.

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Wie nervenzerfetzend ist die Spannung?

Beim Münsteraner "Tatort" spielt der Mordfall an sich ja meist die zweite Geige. Was die Zuschauer reizt, ist die Dynamik des Pärchens Boerne/Thiel, die auch von slapstickhaftem Humor lebt. Diesen reduzierten der Drehbuchautor Orkun Ertener ("KDD – Kriminaldauerdienst") und der Regisseur Lars Jessen ("Fraktus") bei der "Chinesischen Prinzessin" allerdings in dieser Ausgabe. Die entstandene Ernsthaftigkeit tat dem Pappenheimer-Duo durchaus gut. Die Krimispannung schraubten Ertener und Jessen im Gegenzug etwas zu wenig nach oben.

Ergibt das alles Sinn?

Der Reihe nach. "Tatort"-Forensiker Boerne (Jan Josef Liefers) lernte die bekannte asiatische Installationskünstlerin Songma (Huichi Chiu) bei ihrer Vernissage kennen und verliebte sich auf Anhieb in die geheimnisvolle Fremde aus Fernost. Am Morgen, nachdem der Rechtsmediziner seiner Angebeteten stolz seinen blank geputzten Arbeitsplatz – also die Pathologie – zeigte, wurde Songma erstochen auf Boernes Seziertisch gefunden. Und Boerne? Der lag völlig derangiert mit ordentlich Koks im Blut direkt daneben, die Tatwaffe in der Hand, und wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Es folgte Rätselraten um ein geheimes Buch und einen USB-Stick mit heiklen Daten: Songma war immerhin auch Bürgerrechtlerin und plante am nächsten Tag ein Werk gegen die Unterdrückung der Uiguren in der autonomen chinesischen Provinz Xinjiang vorzustellen. Es wurde schon recht politisch, bei diesem sonst so spaßigen "Tatort"-Team. "Chinesische Mafia, Geheimdienst, was denn noch?", motzte auch Thiel irgendwann. Sinn machte das nicht immer, aber beim "Tatort" muss man eben ab und an beiden Augen zudrücken.

Braucht man das Drumherum?

Definitiv, das gehört beim "Tatort" aus Münster einfach dazu. Die starken Momente des Films gingen einmal mehr auf das Konto von Boerne und Thiel. Wie diese beiden alleinstehenden Herren aus Frust über die Liebe, die es nicht gut mit ihnen meint, schweigend auf Thiels durchgewetzem Junggesellensofa saßen, abgestandener Wein in Maßkrügen vor ihnen, berührte am Schluss. Erwähnenswert ist auch Thiels aufgeweckte Assistentin Nadeshda Krusenstern, verkörpert von der wunderbaren Friederike Kempter, die dem Krimi guttat.

Würde man diese Kommissare im Notfall rufen?

In der Realität wohl kaum. Wer möchte einem bis oben hin zugekoksten Pathologen, der zudem und seinem (auch mal volltrunkenen) Kollegen, der alle Hände damit voll hat, ihn aus diesem Schlamassel rauszuboxen, einen Mordfall anvertrauen? Immerhin: Für heitere Momente – oder schwarzen Humor – in schweren Zeiten wären sie grundsätzlich perfekt!

Wie fies sind die Verbrecher?

Die chinesischen Mafiosi waren leider wenig greifbar, es fehlte der Einblick in die Strukturen der Triaden, um sie als Zuschauer gefährlich zu finden. Umso bedrohlicher fand Songmas Mitarbeiter Zhao Yu-Tang den Mafia-Clan und den Geheimdienst und flüchtete nach dem Tod seiner Chefin. Allerdings – wie sich am Ende herausstellte – aus gutem Grund...

Muss man das sehen?

In Sachen Witz und Kurzweil gab es schon deutlich stärkere "Tatorte" aus Münster: Für die klassischen Boerne-Thiel-Fans vielleicht ein Minuspunkt. Für andere vielleicht mal nötige Abwechslung, zu sehen, dass ein unter Mordverdacht stehender Boerne auch mal etwas ernster sein kann. Abgesehen davon: Manchmal fühlten sich die lauwarmen Krimielemente von "Die chinesische Prinzessin" etwas lieblos aneinandergereiht an. Vom ersten Film nach der Rekordepisode mit Roland Kaiser vergangenen März (12,81 Millionen Zuschauer) hätte man sich etwas mehr Esprit erwartet.   © 1&1 Mail & Media/teleschau

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