Kindesmissbrauch statt Terror: Die ARD sendet einen ziemlich deftigen "Polizeiruf 110"-Krimi am Neujahrstag. Wirklich überzeugen kann die Geschichte aber nicht. Viel zu vorhersehbar werden gängige Krimi-Klischees abgearbeitet.

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Der Ersatz vom Ersatz: Nachdem der "Tatort: Sturm" wegen zu großer Nähe zum Berliner Weihnachtsmarkt-Attentat abgesetzt worden war, musste nun auch der eingeplante Saarbrücker Ersatz-"Tatort"-Krimi "Söhne und Väter" weichen. Die Saarbrücker protestierten gegen die Programmierung: Der "Tatort" sollte vor der Ausstrahlung zuerst beim Max-Ophüls-Filmfestival laufen. Irgendjemand saß da auf der Leitung.

Stattdessen wurde der Rostocker "Polizeiruf 110: Angst heiligt die Mittel" mit den Kommissaren Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner) gesendet (2015 produziert). Man ließ verbal die Muskeln spielen, es ging um Kinderschändung und Vergewaltigung. Es formierte sich der Mob wie eine Dorf-Pegida. Dennoch hing der Krimi ziemlich durch.

Worum ging's? Und stimmte die Story?

Die Geschichte war eher symbolisch zu begreifen. Zwei Straftäter, Kinderschänder einer, der andere ein Vergewaltiger, werden nacheinander aus dem Knast entlassen. Als man just vor dem Haus des einen eine geschändete tote Obdachlose fand, fiel im Ort und zum Teil sogar auf dem Revier der Verdacht auf die beiden.

Alleine Anneke Kim Sarnau sprach als Profilerin ein klares Pädagogenwort: Wie sollte ein reuiger Pädophiler einer Frau ans Geschlecht, und weshalb sollte der Vergewaltiger die Tat direkt vor seiner eigenen Haustüre begehen? Alles bisschen sehr weit hergeholt und eher bieder ausgedacht.

Wie spannend war der Polizeiruf?

Es fing sehr kraftmeiernd an. Sogar die brave Kommissarin riskiert da eine erstaunlich kesse Lippe, bevor sie dann (Drehbuch: Susanne Schneider) doch noch die Vernünftige rauskehren darf.

Doch die Kraftmeierei verbraucht sich schnell. Ist doch klar, dass die Vorbestraften nicht die Täter waren: Am nächsten Morgen ist der eine tot und der andere spurlos verschwunden.

Und so mussten eben andere Bösewichte in die Bresche springen – man erkannte sie schnell. Und die Moral von der Geschicht? Dass Päderasten nicht unbedingt Mörder sein müssen, und therapiewillige Vergewaltiger keine Widerholungstäter, davon predigte die Kommissarin als Engel der Vernunft viel und gut.

Und das Milieu?

Kam nicht gut rüber. Eine Autowerkstatt, eine eher künstliche Kneipe – das war's dann auch schon. Immerhin: Die DDR spielte in Gestalt eines früheren NVA-Soldaten (und auch schon damals Nazis) rein, der Schnaps löste Zungen in der dörflichen Tristesse, in der auch Nicht-Geschändete langsam vor die Hunde gehen.

Wie überzeugend waren die Ermittler?

Zuverlässig wie eh und je, eigentlich ein Gespann ohne jedes Gedöns. Anneke Kim Sarnau weiß als LKA-Kommissarin Katrin König immer alles ein bisschen zu schnell, liegt aber letztlich immer richtig. Schade nur, dass sie sich mit dem ernstzunehmenden Gedanken trägt, aufstiegshalber nach Berlin abzuhauen. Bukow (Charly Hübner) legt sich mit allem, was er hat, ins Zeug, um Katrin davon abzuhalten. Klar doch, im Rostocker Polizeiruf wird sie schrecklich dringend gebraucht.

Die besten Stellen?

Zweifellos das Gespräch in der Kneipe, als die Mutter des vorbestraften Triebtäters ihren Sohn verteidigte. Er habe doch nur einem Jungen das Haar gestreichelt, sagt die alte Frau. Aber Kommissarin König klärte entschieden auf: "Er hatte die Hand auf seinem Schwanz. Und das ist Missbrauch, liebe Frau!" Pädagogik mal anders, sehr nebenbei, und nicht gleich frontal mit der Tür ins Haus gefallen, wie etwas zu häufig in diesem Fall.

Wie gut war der Polizeiruf?

Dass die LKA-Frau gleich zu Beginn mit ihrem neuen Job in Berlin drohen muss, ist so schade wie stereotyp. Ob sie's dann wirklich tut, steht auf einem ganz anderen Blatt. Es gäbe dem Rostocker Polizeiruf den Rest. Wahrscheinlich genau deshalb bittet Bukow sie am Ende heiß und innig, dazubleiben. Und irgendwelche Lückenbüßer braucht die ARD schließlich auch noch weiterhin.

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