"Ein Potpourri voller Schrott und voller Geschrei", prophezeite Melanie Müller mit Blick auf ihre neuen Kollegen bei "Promis unter Palmen". Da konnte sie noch gar nicht ermessen, was bereits in Folge eins am Montagabend alles passieren sollte. Den viel zu schnellen Tiefpunkt der Show setzte ein adoptierter Prinz mit homophoben Äußerungen. Und Sat.1 ließ ihn machen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Vor gut einem Jahr startete Sat.1 mit "Promis unter Palmen" eine neue Reality-Show, in der zwei Handvoll Promis in eine Villa gesteckt wurden, um sich unter Zuhilfenahme von Alkohol und bei Kindergeburtstagsspielchen die Köpfe einzuschreien. Was der Zuschauer dort in den folgenden Wochen zu sehen bekam, war nicht nur Trash-TV, es war ein Schrecken ohne Ende und ein Ende mit Schrecken.

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Das Theater, das die Promis um Claudia Obert, Matthias Mangiapane, Carina Spack, Désirée Nick, Bastian Yotta und Co. aufführten, war ohnehin schon gespickt mit Beleidigungen und Auseinandersetzungen. Als dann Bastian Yotta, als Gipfel all des sozialen Wahnsinns, der sich zwischen den Promis abspielte, Claudia Obert unter anderem mit einem Eiterpickel verglich, waren bei nicht wenigen Zuschauern die Grenzen des Anstands erreicht.

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Sat.1 hatte damals, auch wegen eines Videos, in dem sich Bastian Yotta frauenverachtend äußerte, die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Und so stellt sich vor der neuen Staffel "Promis unter Palmen" die Frage: Was hat Sat.1 aus dem Eklat der vergangenen Staffel gelernt? Auf den ersten Blick nicht viel, zumindest, wenn man sich die Liste ansieht, wen Sat.1 in diesem Jahr so alles unter die Palme gebeten hat.

"Promis unter Palmen": Bodyshaming und Homophobie

Marcus Prinz von Anhalt, Willi Herren, Elena Miras, Chris Töpperwien und Melanie Müller – alleine diese Promis haben in ihren Trash-TV-Einsätzen gezeigt, dass ihre Zündschnur eher kurz als lang ist. Manche von ihnen scheinen sogar gar keine zu haben. Hinzu kommen noch Patricia Blanco, Kate Merlan, Henrik Stoltenberg, Giulia Siegel, Katy Bähm, Emmy Russ und Calvin Kleinen, die eher vor, als hinter der Kanone stehen dürften.

"Allgemein kann man es sehr schön haben hier die nächsten Tage", glaubt Giulia Siegel noch bei ihrem Einzug in die Villa auf Phuket, nimmt aber sicherheitshalber erst einmal ein Gläschen an der Bar. Und so folgen ihr nach und nach die restlichen Promis, selbstverständlich mit der üblichen Anregung, woher man sie kennen könnte. Herr von Anhalt, der so gerne Prinz sein wollte, erklärt sich zum seinerzeit "erfolgreichsten Bordellbesitzer" – was auch immer da ein Erfolg sein soll – und erzählt, wie viel Geld er Tags zuvor verdient hat – als ob das jemanden interessieren würde.

Auch die anderen bleiben ihrer Rolle, oder auch ihrer Persönlichkeit, treu und so ist irgendwann die Hütte voll und die Promis können damit loslegen, wofür sie angeheuert wurden. Mit einem an Patricia Blanco gerichteten "Bist ja jetzt nicht mehr so fett", bekommt der adoptierte Prinz bereits mehr TV-Minuten, als man es sich wünscht. Auch was der Herr sonst noch zu sagen hat, zeigt nur geringe Ausschläge auf der Intelligenz-Skala.

Homophobie bei "Promis unter Palmen": Und Sat.1 macht fröhlich weiter

Als die Gruppe abends beisammen sitzt, fallen seitens des "Prinzen" homophobe Äußerungen gegenüber Katy Bähm, die eigentlich einen sofortigen Abbruch der Show rechtfertigen würden. Aber Sat.1 hat sich entschieden, dem schwulenverachtenden Prinzen weiterhin Sendezeit zu geben. Immerhin macht Willi Herren unmittelbar seinen Mund auf: "Marcus, bei allem Respekt, das hast du nicht zu sagen!"

Nun könnte man seitens Sat.1 natürlich wenigstens im Anschluss an die Szene ein Statement setzen und den adoptierten Bordell-Prinzen vor die Tür setzen, aber Sat.1 zeigt lieber eine Poolparty der Promis. "Zur Zerstreuung". Bereits in Folge eins und nach 50 Minuten jeden Tiefpunkt der vergangenen Staffel zu unterbieten, indem man erst Bodyshaming und dann noch homophobem Gedankengut ohne Konsequenzen Raum gibt - da gehört schon Einiges dazu.

Da hilft es auch nicht, wenn der Off-Sprecher ein kurzes "homophoben Verbaldurchfall" hinschnoddert und der homophobe "Prinz" am nächsten Tag diesen "Verbaldurchfall" noch einmal unter dem Deckmantel einer Aussprache mit Bähm wiederholen darf. Denn auch da glaubt er immer noch, dass Schwulenfeindlichkeit eine "Meinung" sei.

Das Fazit des "Prinzen": "Ich hab' sehr viele schwule Freunde, aber die überreden mich nicht, dass ich schwul sein besser finde als hetero. Die sollen machen, was sie wollen, ich akzeptiere das. Die sollen aber auch nicht vor meinen Augen rumknutschen miteinander und so Zeugs. Kann ich alles nicht brauchen."

Nichts aus der Vergangenheit gelernt

Und nein, es hilft auch nicht, wenn man sich während der Show via Twitter hinter einer Aussage von Kathy Bähm versteckt und den verärgerten Usern mitteilt: "Wir verstehen eure Entrüstung. Wir haben das lange diskutiert, aber es ist auch ein wichtiges Thema, das nicht verschwiegen werden darf - wie Katy selbst sagt." Man kann Homophobie auch in ihrer Widerlichkeit zeigen und gleichzeitig Konsequenzen ziehen, indem man solchen Leuten sofort einen Riegel vorschiebt. Sat.1 hat sich an diesem Montagabend nur für eine der beiden Möglichkeiten entschieden.

Und so bleibt es den Promis selbst überlassen, den homophoben Prinzen aus dem Verkehr zu ziehen. Bei der Nacht der Entscheidung muss sich die Hälfte der Promis zwischen Patricia Blanco und von Anhalt entscheiden. Doch statt ein eindeutiges Statement abzugeben, wird der homophobe "Prinz" mit denkbar knapper Mehrheit und warmen Worten verabschiedet.

Nun hätte Sat.1 reichlich Gelegenheit gehabt, auf die Szenen des "Prinzen" zu reagieren. Im Vorfeld der Ausstrahlung, beim Schnitt, durch Konsequenzen, ein Statement auf der Webseite (Sat.1 spricht dort lediglich von "einer Auseinandersetzung") und so weiter. Ein paar Tweets abzusetzen, als die Empörung bei Twitter während der Ausstrahlung zu groß wurde, war die denkbar schlechteste, weil scheinheilige Reaktion. So ist die Antwort auf die Frage, was Sat.1 nach der ersten Staffel gelernt hat, so schlicht wie traurig: nichts.

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