Wer heutzutage nicht als völliger Vollidiot dastehen will, sollte in jedem Gespräch mindestens einmal den Satz "Ich bin ja auch ein Serienjunkie!" fallen lassen. Damit das bei Ihnen nicht nur eine leere Phrase ist, sondern Sie auch wirklich auf ein reichhaltiges Arsenal an TV-Munition zurückgreifen können, bekommen Sie von uns an dieser Stelle Tipps für die besten Serien der Welt - oder das, was die Redaktion dafür hält.

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Teil 5: "Kottan ermittelt"

"Inspektor gibt's kan": Wer bei diesem Satz nicht automatisch grinsen muss, hat etwas verpasst. Major Adolf Kottan, von Gattin und Frau Mama liebevoll "Dolferl" gerufen, ist die übellaunige, rassistisch angehauchte Personifizierung des ganz normalen Wahnsinns bei der Wiener Polizei. Politisch völlig inkorrekt (natürlich!), grob und modisch - sagen wir: herausfordernd - stolpert Major Kottan von einem Fall in den nächsten.

Da tut es auch nichts zur Sache, dass in sieben Jahren drei verschiedene Schauspieler in die Figur des Major Kottan geschlüpft sind. Peter Vogel, Franz Buchrieser oder Lukas Resetarits: Jeder trägt das Seine zum wunderbaren Cast bei, der im Wesentlichen aus dem "Who is who" des österreichischen Schauspiels besteht: Bibiana Zeller, Kurt Weinzierl, Gusti Wolf, Walter Davy, Curth Anatol Tichy.

"Kottan ermittelt" war es übrigens, der Österreichs ewigen Popstar Falco zu einem seiner größten Hits animierte. Stefan Weber, Kopf der kongenialen Postpunk-Truppe Drahdiwaberl, wurde in einer Folge entführt. Falco, damals noch als weitgehend unbekannter Johann Hölzel Teil des Künstlerkollektivs, spielte in "Die Entführung" als Aushilfspianist in der Polizeiband von Adolf Kottan mit. Während der Dreharbeiten kam ihm die Idee, dass es über Kottan ein Lied geben müsse - und "Der Kommissar" war geboren.

19 Folgen in sieben Jahren

Am Anfang war das Wort. Im Fall von Major Kottan eine Kurzgeschichte, die Helmut Zenker 1975 schrieb, und die 1976 als Hörspiel erschien. Im selben Jahr produzierte der ORF ein Fernsehspiel - "Hartlgasse 16a" -, das den Auftakt der Reihe bildete. Und aus der Reihe - ein Film pro Jahr - wurde eine Serie.

Das ZDF zog 1980 nach. Bis 1983 unterhielt der übellaunige Kommissar in unregelmäßigen Abständen und 19 Folgen das Publikum - bis ihn die 1980er-Jahre und deren neu aufgeflammte Liebe für den Heimatfilm den Sendeplatz kosteten. Der ORF redete sich auf das ZDF heraus, das ZDF auf den ORF.

Eigentlich wären da nämlich noch sechs weitere Folgen gewesen: Drehbücher fertig, Finanzierung geklärt. Doch ORF-Intendant Gerd Bacher entschied sich gegen eine Verfilmung, weshalb die Folgen 20 bis 25 - nachdem "Kottan ermittelt" längst Kult geworden war - 2009 als Hörspiel erschienen.

Ein Antiheld als Held

Streng genommen ist Adolf Kottan ein launischer Ungustl (Griesgram), der Chef, Kollegen, Untergebene und überhaupt jeden anraunzt (anmeckert), der seinen Weg kreuzt. Aber wenn er raunzt, tut er das mit grobem Charme und Schmäh. Eben jenem Schmäh, für die die österreichische Bundeshauptstadt bekannt ist.

Die Reaktionen auf die Serie - Ablehnung wie Zustimmung - waren von Anfang an laut und überschwänglich. 500 bis 1.500 Beschwerden gingen pro Folge beim ORF ein. Ein paar hundert Befürworter gab es meistens auch.

Die Könige des Absurden

Was die Serie so grandios macht, ist ihr trockener Humor. Sie lebt von ihren schrulligen Charakteren und ist gespickt mit Running Gags. Taucht der Sandler (Penner) Erwin Drballa (gespielt von Carlo Böhm) auf, weiß jeder: Jetzt gibt's a Leich! "Inspektor gibt's kan" gehört seit Folge eins zum Inventar. Elemente wie die grundsätzlich zur falschen Zeit geöffnete Autotür oder der Automat, der jeden mit Kaffee versorgt, nur nicht den Polizeipräsidenten ("Kein Kaffee für Präsidenten!"), ziehen sich in Variationen durch die gesamte Serie.

Dann ist da noch diese unfassbare Weitsicht. Drehbuchautor Helmut Zenker und Regisseur Peter Patzak experimentierten, bis der Schnittplatz rauchte. Kinoelemente wie Split Screens in einer Fernsehproduktion? Ja, sicher! Columbo-Trenchcoat, Kojak-Lolli, Film-im-Film-Elemente: Es ist alles dabei. Und dann Kottans resignierter Blick in die Kamera, weil die Verfolgung eines Gauners am fehlenden Benzin gescheitert ist - freilich mit dem Kommentar: "So etwas gibt's doch nur im Film!"

Autor Helmut Zenker sagte es im April 1982 so: "Kottan muss veränderbar, unberechenbar bleiben. Derzeit halten wir bei der absurd-antiautoritären Komödie, die trotzdem mehr bewegt als Filme, die sich aus Prinzip das Etikett 'realistisch' umhängen." Dieser respektlose, rotzige Ansatz ist es, der "Kottan ermittelt" zu einer der besten österreichischen Serien macht. Mindestens.


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