Mit dem Vierteiler "Heimatleuchten: Mei Tracht" gehen Katharina Straßer und Jürgen Maurer für ServusTV der Frage nach, was genau Tracht ausmacht. Was ist echt, was nicht? Welche Geschichten verbergen sich hinter der Trachtenmode? Und: Wie geht die moderne Zeit damit um?

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"Unter der Gürtellinie" lautet der Titel der ersten Folge des neuen ServusTV-Vierteilers "Heimatleuchten: Mei Tracht" – aber das klingt schlüpfriger, als es ist. Die Sendung dreht sich hauptsächlich um die Lederhose, und in der wird hier nicht gejodelt, sondern höchstens durch die Botanik stolziert.

Um das Trachtenbrauchtum soll es in den vier Teilen gehen, um Eindrücke aus Traditionen und modernen Interpretationen. Moderiert wird diese Reise durch die Trachtenwelt von den Schauspielern Katharina Straßer und Jürgen Maurer, die hier wie eine Art umgekehrtes Mulder-und-Scully-Team auftreten: Sie ist überzeugt, er ist skeptisch, also darf sie ihm die Augen öffnen.

Wirkliche Debatten entstehen dabei freilich nicht: Sie zeigt sich begeistert, er grantelt ein bisschen, aber moderiert dann doch ganz brav. Das Prinzip der Überzeugungsarbeit dient eher dazu, damit die beiden die lose Sammlung von Vignetten zusammenhalten können, die hier gezeigt wird.

Ein teures und vielfältiges Vergnügen

Jürgen Maurer
Jürgen Maurer probiert eine 100 Jahre alte Lederhose an. © ServusTV

So laufen die beiden also zum Beispiel in ein Geschäft in München, wo Maurer eine Lederhose anprobieren kann. Die Auswahl ist groß: Es gibt ungefähr 2.000 verschiedene Lederhosen im Verkauf, der Besitzer hat in der Privatsammlung noch weitere 600.

Schon die, die Maurer anprobiert, kostet über 1.000 Euro – und ist über 100 Jahre alt. Der Besitzer zeigt dann noch ein Schmuckstück: die Lederhose, die einst dem Herzog Max Joseph in Bayern gehörte – dem Vater von Kaiserin Sisi.

Die Erkenntnis bei der Reise durch verschiedene Gebiete und dem Studieren verschiedener Trachtenmoden kommt schnell: Es gibt keine "originale" Tracht und keine "Ur-Lederhose". Es gibt zahlreiche Schnitte und Muster, verschiedene Herstellungsarten, unterschiedliche Traditionen.

Faltenstiefel stammt eigentlich aus osmanischer Tradition

Der Faltenstiefel beispielsweise, der auf Knöchelhöhe Falten wie bei einer Ziehharmonika hat, stammt eigentlich aus dem osmanischen Reich und ging in die Tradition der Donaugegend über, als die Türken Wien belagerten.

Die Herstellung eines solchen Stiefels ist enorm aufwendig, die Zahl der Falten ist gewissermaßen das Luxussymbol des Stiefels – je mehr, desto teurer, und mit ein paar tausend Euro darf man für eine solche Anfertigung schon rechnen.

Ganz modern dagegen die "vegane Lederhose" – eine aus einem besonders festen Baumwollstoff hergestellte "Leder"-hose. Erfunden wurde sie von Tattookünstler André Zechmann, der die Tradition der Lederhose mit dem Tätowieren zusammenführen wollte und seine Hosen mit entsprechenden Verzierungen ausstattet. Auch das ist nicht ganz billig: Um die 400 Euro muss man dafür auf den Tisch legen.

Trachten- und Trinkvereine

Dass die Lederhose überhaupt so eine lange Tradition hat, liegt unter anderem an einem Dorfschullehrer namens Josef Vogl. Der fand es 1883 schade, dass die kurzen Hosen aus der Mode fielen, und gründete einen Verein: den "Verein zur Erhaltung der Volkstracht im Leitzachtal". Es war der erste Trachtenverein Bayerns.
Den Gedanken, dass diese Vereine zur "Heimatrettung" gegründet wurden, findet Alexander Wandinger vom Trachteninformationszentrum beim Bezirk Oberbayern aber – auf gut bayerisch – "an Schmarrn".

Die Vereine seien wegen der Gemütlichkeit gegründet worden: Da wurde gefeiert, getrunken, Männer und Frauen kamen zusammen, was im erzkatholischen Bayern um die Zeit gar nicht selbstverständlich war. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Tracht zur "Heimaterhaltung" erhöht.

Eine Reise mit Perspektive

Straßer und Maurer besuchen viele Leute und Gruppen – zum Beispiel die "Schwuhplattler", eine schwulen Schuhplattlergruppe in München, oder den Künstler Claus Blume, der aus Material über Schuhplattler moderne, künstlerische Videoclips bastelte und darüber selber zum Liebhaber der Tracht wurde.

Es bleibt eine Reise, bei der alles nur angerissen wird und die Eindrücke ganz lose aneinandergereiht werden. Und doch zeigt sich in diesem Überblick deutlich, dass sich das "Heimatliche" aus vielen verschiedenen Einflüssen zusammensetzt, dass es das "Ursprüngliche" so gar nicht gibt, und dass auch Traditionen gewissen Entwicklungen unterliegen.

Genau damit ist "Heimatleuchten: Mei Tracht" durchaus auch für Menschen interessant, die rein gar nichts mit der Trachtenmode anfangen können: Es ist eine Sendung, die eine gewisse Perspektive öffnet. Man darf auf den zweiten Teil gespannt sein, der sich dem Dirndl widmet.

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