Der Samstagabend vorm Fernseher mit der Familie ist tot. So heißt es zumindest immer. Also haben wir die Probe aufs Exempel gemacht: Unser Autor hat sich die letzte Ausgabe von "Klein gegen Groß – Das unglaubliche Duell" mit Frau, Tochter und Mutter angeschaut.

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Carrie Fisher betritt das Studio. Prinzessin Leia aus "Star Wars", wie Kai Pflaume nicht müde wird zu erwähnen. Im Schlepptau ihr Hund Gary. Der springt auf die Couch. "Er muss das tun", sagt die Schauspielerin. "Seine Zunge ist so schwer."

Zum Beweis streckt Gary seinen riesigen Lappen heraus und breitet ihn auf die Polstergarnitur aus.

Fisher ist der große Stargast der Samstagabendshow, die sich laut Studiosprecher um "atemberaubende Zweikämpfe" und "spektakuläre Begabungen" dreht. Heißt: Kinder treten gegen erwachsene Prominente an. Und Kinder, Tiere und Promis im Fernsehen gehen bekanntlich immer.

Meine Frau meldet sich zu Wort: "Ich kann solche Sendungen nicht schauen, ich muss da immer auf dem Handy tippen." Und fängt direkt damit an. Beste Voraussetzungen also.

Samstagabend-Familienfernsehn

Die Aufgabenstellung für diesen Abend ist simpel: Meine Familie - bestehend aus Frau, Tochter und Oma auf Besuch - sollen mir dabei helfen herauszufinden, ob eine TV-Show am Samstagabend noch immer die Familie vereinen kann. Wie zu den Zeiten, als ich ein Kind war. Und bei "Wetten, dass …?", "Verstehen Sie Spaß?", "Einer wird gewinnen" und "Die verflixte 7" gebannt vor dem Bildschirm saß.

Schon nach einigen Minuten ist klar: Die Chancen stehen schlecht. Die Tochter ist eingeschlafen und wird ins Bett gebracht.

Als ich zurückkomme, ist Carrie Fisher weg. Sie hat wohl keine Lust die ganze Sendung neben Axel Prahl (keine ARD-Show ohne "Tatort"-Kommissar), Ina Müller, Steffen Hallaschka und Stefan Kretschmer zu verbringen.

Zumindest das erinnert an selige "Wetten, dass ..?"-Abende.

"Normalerweise schaue ich mir solche Sendungen nicht an"

Aber die eigentlichen Stars der Sendung sollen ja die Kinder sein. Jamie, elf Jahre, ist der erste Kandidat bei "Klein gegen Groß". Er will mehr Sit-ups mit einem Medizinball machen, als sein Gegner.

Wer das ist, weiß er noch nicht. Als er es weiß, versteinert sich seine Miene. Der fünffache Boxweltmeister Felix Sturm erklärt, dass er jede Woche vier- bis sechstausend Sit-ups auf einer Arschbacke abreißt.

Wenig überraschend schlägt er Jamie deutlich. Der darf dafür zum Trost Manuel Neuer treffen, der seine Video-Nachricht ganz spontan vom Teleprompter abliest.

Ich schaue zu meiner Mutter im Sessel. Sie sagt: "Normalerweise sehe ich mir solche Sendungen nicht an." Man kann nicht gerade behaupten, dass ich hier auf sonderlich viel Kooperationsbereitschaft stoße.

Aufmerksamkeit ist nicht gefordert

Vielleicht kann das Tobi ändern. Er kennt alle Leuchttürme der Welt. Behauptet er zumindest. Seine Gegnerin: Moderatorin Ina Müller, die nicht alle Leuchttürme der Welt kennt, aber zumindest die, für die sie eine Eselsbrücke gefunden hat. Zum Beispiel mit Wortspielen über ihren Hintern.

Nachdem sie mit Stefan-Raab'scher-Skrupellosigkeit einen veritablen Vorsprung herausgearbeitet hat, siegt am Ende doch der Elfjährige. Er ruft immer wieder: "Gewonnen!"

Meiner Frau ist das egal. Sie tippt noch immer auf ihrem Smartphone. Carrie Fisher betritt erneut das Studio. Meine Frau blickt kurz auf und sagt: "Kommt die gerade oder geht die immer wieder?"

Die Zweite geht schlafen

In diesem Fall kommt Prinzessin Leia gerade wieder. Sie tritt gegen zwei halbwüchsige "Star Wars"-Nerds an. Julius und Christopher behaupten, sie erkennen alle Raumschiffe aus den sieben Filmen der Reihe.

Das Ganze läuft als Bilderrätsel ab. Zuerst ist nur ein Haufen Einzelteile zu sehen. Der verdichtet sich mit ablaufender Zeit immer mehr zu einem Schiff. Umso früher gedrückt wird, umso mehr Punkte gibt es.

Carrie Fisher ist erwartungsgemäß des Öfteren ratlos und sagt Sachen wie: "In dem Film hab' ich nicht mitgespielt." Die beiden Jungs sind erfolgreicher. Sie identifizieren ein Schiff nach dem anderen.

Als sie einen Millenium Falken innerhalb von Sekunden erkannt haben, gähnt meine Frau und geht schlafen. So viel zur vereinten Familie vor dem Fernseher.

Vielleicht ist es aber auch nur weise Voraussicht. Auf dem Bildschirm hoppelt Kai Pflaume im Hasenkostüm durch eine deutsche Innenstadt. Ach ja, es ist ja bald Ostern. Lustig und so.

Ich schaue zu meiner Mutter. Sie verzieht keine Miene. Dann hellt sich ihr Gesicht auf. Kaninchen in der ARD! Sie grinst selig. Kinder und Tiere, das geht tatsächlich immer.

Das sieht Carrie Fisher genauso. Sie sitzt noch immer auf der Couch. Sie will den "Deutschen Riesen" sehen, ein zehn Kilo schweres Mammutkaninchen.

Doch das ist offenbar kein "Star Wars"-Fan. Es platziert einen Köttel direkt vor ihren Füßen. Glücklicherweise ist der nicht so gewaltig, wie es bei diesem Monsterrammler zu befürchten stand.

Kein Grund, sich zu ärgern

Derweil wettet Tim, zehn Jahre und Europameister im Kaninchenzüchten, dass er die Tiere mit verbundenen Augen an ihrem Fell erkennen kann. Ach nee, falsche Sendung. Aber trotzdem, der Zehnjährige tritt gegen Schauspieler Axel Prahl an, der sich für eine Rolle mit den Hopplern intensiver beschäftigt hat.

Die beiden streicheln, was das Zeug hält, dummerweise gewinnt der "Tatort"-Kommissar. "Es gibt keinen Grund sich zu ärgern", sagt Pflaume. Doch, es ist erst 22 Uhr und diese Sendung geht tatsächlich noch eine weitere Stunde.

Carrie Fisher indes hat Glück. Die Schauspielerin steht auf und verlässt das Studio. Hier greift wohl nicht die Markus-Lanz-wer-kommt-bleibt-die-ganzen-zähen-drei-Stunde-auf-der-Couch-Regel. Meine Mutter protestiert: "Die hat doch noch ein volles Glas in der Hand!"

Carrie Fisher ist's egal. Das nächste Spiel plätschert an uns vorbei. Turnerin Alicia tritt gegen die deutsche Meisterin auf dem Schwebebalken, Pauline Schäfer, an. Das Kind verliert schon wieder.

Als wir erneut in die Sendung eintauchen, hüpft Kai Pflaume im Einspieler auf einem Steckenpferd durchs Bild und wiehert. So sieht heute also Familienfernsehen aus: Ein Moderator, der sich wie ein Depp benimmt, um Kindern zu gefallen, zu einer Uhrzeit, zu der Kinder nicht mehr fern schauen. Meine Mutter lacht. Über mich. Nicht Kai Pflaume.

Das wäre mir viel zu langweilig

Der Grund für die launige Einlage des Moderators ist das nächste Spiel: Es geht um Schach. Der elfjährige David will nur mit dem Springer alle Felder nacheinander betreten, ohne Dopplungen versteht sich. Also eine Art Zauberwürfel auf dem Schachbrett.

Meine Mutter gähnt. Beim Spiel läuft alles wie gewohnt. Der elfjährige David verliert gegen seinen Herausforderer Steffen Hallaschka. Zumindest kann man der Sendung nicht vorwerfen, die Kinder absichtlich gewinnen zu lassen.

Meine Mutter schreckt hoch. Sie ist kurz eingeschlafen. "Starke Leistung!", sagt sie. Und schläft weiter.

Der Familien-Fernsehabend am Samstag ist tot

Sie verpasst, wie der Zwölfjährige Alex mit dem Kopf nach unten ein Seil hochklettert und tatsächlich gegen seinen Herausforderer, den Zehnkämpfer Rico Freimuth (ist das jetzt neuerdings eine der Disziplinen dieses Sports oder hatte Fabian Hambüchen schon etwas anderes vor?) gewinnt.

Und wie der fünfjährige Tommy mit nur einem Arm Golf spielt. Zum Abschlussapplaus wacht sie auf. Ich frage sie, wie sie die Sendung fand. Sie sagt: "Wenn ich zu Hause wäre, würde ich das nicht gucken. Weil mir das viel zu langweilig wär'." Und geht schlafen.

Ich muss mich wohl doch damit anfreunden: Der Samstagabend mit der Familie vorm Fernseher ist wirklich tot. Zumindest für meine Familie.

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