Das große Umstyling – klar. Der unnötig lange Laufsteg – okay. Ein Unterwassershooting – na gut. Aber sonst? Sonst war der Plemplem-Faktor in der diesjährigen Staffel "Germany’s Next Topmodel" erstaunlich niedrig. Doch am Donnerstagabend kehrte die Show in Folge 14 zu ihren Wurzeln zurück und drehte mal wieder am Nonsens-Rad. Oder wie man das Ganze bei GNTM nennt: Nacktshooting.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es gibt Fragen, über die macht man sich entweder keine Gedanken oder, man hat bisher noch keine Antwort auf sie gefunden. Zum Beispiel, ob es auch schwere Leichtathleten gibt. Oder ob ein kleines Brötchen ein Brötchenchen ist. Dann wiederum gibt es Fragen, auf die beides zutrifft, und eine dieser Fragen lautet seit 2006: Warum gibt es bei "Germany’s Next Topmodel" ein Nacktshooting?

Für eine gute Model-Ausbildung scheint es nämlich weniger wichtig zu sein als Heidi Klum und ProSieben seit Jahren Models wie Zuschauern weismachen wollen. Sagt man zumindest in der Model-Branche. Aber Klum scheint irgendeinen Narren daran gefressen zu haben, junge Frauen und nun auch junge Männer nackig fotografieren zu lassen. Leider gibt auch das 2024er Nacktshooting keinen Aufschluss darüber, warum das Klums Faible ist.

Nikeata Thompson: "Du hast Stress!", "Walk!", "Come on!", "Langes Bein!"

Doch bevor auch die diesjährigen Kandidaten ihre Klamotten ablegen wollen müssen, schickt Klum Choreographin Nikeata Thompson noch einmal durch die Villa, um "ihre Models" zu pushen, schließlich habe in der vergangenen Folge "das Feuer gefehlt". Thompson will nun "wirklich die Personality rauskitzeln", und das macht Thompson, indem sie Fabienne auf dem Laufsteg anschreit: "Schneller!", "Du hast Stress", "Walk!", "Come on!", "Langes Bein!", brüllt Thompson, und man könnte Fabiennes "Personality" verstehen, wenn sie vor Schreck freiwillig rauskäme.

"So was gefällt mir natürlich", ist Thompson begeistert, als sie Fabienne und Fabiennes "Personality" nun vor sich stehen sieht und gibt beiden den Hinweis: "Nur weil du ein Rohdiamant bist, heißt das nicht, dass du nicht Gas geben musst. Alle fangen an als Rohdiamant." Ein interessanter Tipp, nur leider ein unkorrekter, denn genau genommen fangen nur Rohdiamanten als Rohdiamanten an.

Aber Thompson legt gerade erst los, und so hat die Choreografin auch für Grace einen Ratschlag parat. Die soll nämlich einen androgynen Walk aufführen. Weil Grace das nicht so recht umzusetzen weiß, erklärt Thompson: "Ein bisschen boyish. Wie 'ne Type. Und, dass du dich sehr beeilen musst, du bist eigentlich zu spät." Wir lernen: Einfach rechtzeitig loslaufen, dann muss man nicht "wie 'ne Type gehen".

GNTM-Casting mit Kriegsgeschichte

Derart rausgekitzelt und gepusht, dürfen Teile der Model-Azubis zu verschiedenen Castings gehen, schließlich sind Models nur Models, wenn sie auch als Model arbeiten. Sonst sind es nur TV-Show-Kandidaten. Der erste Weg führt zu einer Firma für Aufklebewimpern, und die Aufgabe für das Testshooting lautet: "Flirtet mit der Kamera, spielt mit der Kamera, lasst eure Augen sprechen!", erklärt eine Vertreterin der Aufklebewimpernmarke den Models, und die Zuschauer erfahren im Anschluss Wissenswertes über die Wimpernprodukte. Zumindest vermutet man das, denn das, was die Dame da in feinstem Denglisch erzählt, klingt ein bisschen so, als habe sie sich all die Wörter gerade erst ausgedacht.

Beim Shooting dann sollen die Models von einem Moment erzählen, der ihr Leben verändert hat. Das macht die gebürtige Syrerin Grace dann auch und berichtet vom Krieg in ihrem Heimatland und davon, dass ein Junge vor ihrem Haus erschossen wurde. "Das war sehr bewegend", findet "der Tobias", Inhaber und Gründer der Firma, ehe man Grace zu den Fotoaufnahmen weiterschickt. Ist das nicht wundervoll, wenn Kriegserlebnisse noch für eine TV-Unterhaltungsshow wiederverwendet werden können? "Be natural", haucht Grace zum Abschluss noch einen Werbespruch für die künstlichen Wimpern in die Kamera.

Luka (l.) und Armin feiern die "Outfits" beim Nackt-Shooting. © ProSieben/Sven Doornkaat

Am Ende erhält allerdings Konkurrentin Xenia den Zuschlag und ist jetzt das diesjährige Aufklebewimperngesicht der Firma. Außerdem hat die Produktionsfirma noch ein Casting für einen Deohersteller organisiert. Fünf eingeölte Männermodels dürfen bei einem Musikvideodreh mit einem Hammer auf einen Autoreifen eindreschen. Das ist alles weniger interessant als man denken könnte, denn natürlich sind die ausgewählten Models bei den Werbeaufnahmen wirklich einsame Spitze. "Die beiden sind wirklich einsame Spitze", sagt jedenfalls der Fotograf über Kadidja und Frieder beim Deo-Dreh.

Nacktshooting: Sorgen bei Marvin, Tränen bei Kadidja

Damit wäre die Pflicht erledigt, was folgt, ist die Kür, denn die Klum hat für "ihre Models" eine "besondere Überraschung". Beides ist ein bisschen geflunkert, denn die Klum sieht "ihre Models" in dieser Folge lediglich beim Shooting, und so besonders ist auch die Überraschung nicht, denn wie erwähnt hat die Klum eben ein Faible für Nacktshootings, und das will sie nun eben in dieser Folge veranstalten.

"Nee, also ich bin nicht happy", wird man Zeuge von Marvins Sorgen, und auch Kadidja ist alles andere als glücklich, bricht im Interview in Tränen aus. Beide fürchten sich vor der Reaktion von Freunden und Familie. Für Klum ist so ein Nacktshooting hingegen weniger dramatisch: "Man nehme Windmaschinen, jede Menge Regen und viel nackte Haut", umschreibt Klum das Setting. Ergänzend dürfen sich die Models noch eine hautfarbene Klebeunterhose übers Untenrum und einen transparenten Regenmantel übers Obenrum ziehen.

Die Sorgen von Marvin und Kadidja werden beim Anblick der "Outfits" nicht kleiner. "Das Wohl meiner Models hat für mich oberste Priorität", behauptet Klum, und auch Kadidja macht sich selbst Mut: "Ich glaub' auch nicht, dass sie jetzt irgendwas erwarten würde, was wir nicht machen möchten", sagt Kadidja über Klum, und man fragt sich mit Blick auf die GNTM-Geschichte, wie die beiden zu solchen Einschätzungen kommen.

Da isse weg, die Klebeunterhose

Trotzdem geht das Shooting los, und dafür müssen die Models nun mit Klebeschlüppi und Regenmantel in einem Pool herumhüpfen, während sie versuchen, mit den Händen den Intimbereich zu bedecken. "Ich hoffe, die Unterhosen bleiben kleben mit dem ganzen Wasser", macht sich Klum Gedanken. Zu Unrecht, denn das wird vor dem Shooting ja wohl jemand getestet haben. Schließlich hat das Wohl ihrer Models für Klum ja oberste Priorität, oder? Daher ist es kaum zu erklären, dass es gleich beim ersten Kandidaten zu einem textilen Materialversagen kommt.

Linus springt im Pool herum, plötzlich baumelt Hautfarbenes von seinem Intimbereich herunter. "Die Hose ist weg. Rankin, die Hose!", macht Klum den Fotografen auf ihre Entdeckung aufmerksam. Ob das zur Beunruhigung von Marvin und Kadidja beigetragen hat, wird nicht gezeigt, aber als Kadidja an der Reihe ist, versucht Klum erneut zu beschwichtigen: "Du brauchst dir aber keine Sorgen zu machen, wir werden alles blurren", erklärt Klum und das irritiert. Warum blurren? So ein Nacktshooting ist doch super und vor allem: supersinnvoll. Schließlich lässt uns GNTM ja seit Jahren glauben, man könne kein Model werden, ohne nicht einmal nackt fotografiert worden zu sein.

Marvin und Kadidja haben trotzdem Hemmungen, sich derart zu exponieren. Klum macht ihnen das nicht zum Vorwurf, wohl aber den Umstand, dass man beiden ihre Hemmungen auf den Bildern ansieht. "Die Angst vor der Nacktheit, man konnte sie dir ansehen", bekommt Marvin von Klum zu hören. Vielleicht war es ja auch die Angst, wegen der Angst vor Nacktheit rauszufliegen. Aber genau das passiert, denn Marvin hat beim Nacktsein "einfach nicht abgeliefert", wie es Rankin formuliert. Kadidja zwar auch nicht, aber nur Marvin fliegt raus. "Du bist ganz toll, aber heute war nicht dein Tag", banalisiert Klum Marvins Hemmungen zum Abschied.

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