Sie lieben die alten Meister? Samstags geht's nicht auf den Fußballplatz, sondern ins Museum? Sie kennen den Unterschied zwischen Neon-Rauch und Neo Rauch? Dann dürften Sie von der Halbfinalfolge von "Germany's Next Topmodel" begeistert sein. Denn Heidi Klum schickt hier "Mode und Kunst in einem" auf den Laufsteg. Zumindest glaubt sie das.
Am Freitagabend beginnt bekanntlich die Fußballeuropameisterschaft. Es wird also in ein paar Tagen ein bisschen eng im Kampf um Einschaltquoten, da lohnt es sich, einem solchen Kampf aus dem Weg zu gehen, wenn er nicht zu gewinnen ist. Nun hat man bei "Germany's Next Topmodel" aber das Pech, bei weiterhin donnerstäglicher Ausstrahlung einfach nicht vor dem Eröffnungsspiel fertig zu werden mit der Modelsucherei. Da rächt es sich natürlich, dass man in den ersten Folgen ziemlich viel Zeit mit Hin-und-her-Lauferei verdaddelt hat.
Aber offenbar war bei ProSieben am Dienstag noch ein Sendeplatz frei, daher ist man mit GNTM kurzerhand umgezogen und quetscht das Halbfinale eben noch kurz vor dem Finale am Donnerstag rein. Auf den Wettbewerb bezogen wäre es wahrscheinlich wurscht gewesen, hätte man das Halbfinale einfach ausfallen lassen, aber rein inhaltlich wäre dem Zuschauer eine Menge Heckmeck entgangen. Die Klum hat sich nämlich von der Produktion etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Natürlich hat sie das.
"Im Halbfinale fliegen die Models hoch, aber manche fallen auch tief", deutet
Heidi Klum: "Für mich wär das gar nichts"
Weil bei einem "Helikoptershooting" aber keine Helikopter fotografiert werden, sondern Models im Helikopter, fliegt ein Helikopter alsbald mit Models durch die Luft, die dabei auf der Kufe stehend möglichst viel Spaß vermitteln sollen: "Das Ganze soll wirklich Fun sein", fordert Klum. Aber weil Fun nur Fun ist, wenn genau so viele Models abheben wie landen, werden die Models natürlich durch einen Stunt-Koordinator und ein Seil gesichert. "Für mich wär das gar nichts", erklärt Klum und wirft die Frage auf, wie sie so nur Model werden konnte. Wahrscheinlich kann sie einfach froh sein, dass es ihre Show während ihrer Model-Ausbildung noch nicht gab.
So ein Helikoptershooting ist aber auch eine gute Gelegenheit, um noch einmal mit der Höhenangst der Kandidaten zu kokettieren. Und so bleiben vom Helikoptershooting drei Erkenntnisse. Zum einen, dass "Germany's Next Topmodel" Selbstheilungskräfte freisetzt, denn die selbstdiagnostizierten Höhenängste von Jermaine, Lea und Fabienne sind plötzlich wie verflogen. "Ich hab nicht mal gemerkt, dass wir in der Luft sind", gibt Jermaine bei seinem Shooting zu Protokoll.
Zum anderen lernen wir, dass – als Frieder nicht auf die Rufe Klums reagiert, er möge doch bitte mehr Spaß haben – Rotorengeräusche offenbar noch lauter sind als Heidi Klum. Außerdem wird klar, wie umsichtig es von der Produktion war, das Helikoptershooting in die vorletzte Folge zu packen und nicht an den Anfang der Staffel. Schließlich ist es einfacher, nur neun Rundflüge zu organisieren, denn 40 Models hoch und wieder runterfliegen zu lassen – da kriegt selbst der härteste Pilot der Welt einen Kuckuck.
Ist das Kunst oder … Nein, ist es nicht!
Hoch geflogen sind die Models also schon mal, nun müssen manche nur noch tief fallen. "Nach dem letzten Shooting ist vor dem letzten Walk", erklärt Klum den Ort des potenziellen Falls, straft sich aber sogleich selbst Lügen, denn sie hat noch einen Zwischenprogrammpunkt arrangiert. "Zum krönenden Abschluss der Zeit in Los Angeles hab ich für die Models und ihre Liebsten ein Dinner organisiert." Die Models dürfen mit ihrem Anhang also auf Heidis Nacken zusammen Abendbrot essen, danach geht es für Familie und Freunde zurück nach Hause und für die Models zu erwähntem Shooting.
"Ich werde euch heute einkleiden", erklärt Yannick Zamboni, der Designer, den Klum für diese Folge eingeladen hat, aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn Zamboni definiert "einkleiden" auf seine ganz eigene Weise. Linus' Outfit beispielsweise erinnert an eine ziemlich schlampig eingewickelte Mumie. Lea hingegen sieht aus, als sei sie ganz unglücklich in einen Lattenrost gestürzt und Jermaine, als habe er einen Kampf mit einem Feudel und einem Stuhl ausgefochten und auf dramatische Weise verloren: Ein weißer Wischmopp auf dem Kopf und ein weißer Stuhl vor den Lenden – das war's.
Immerhin kann man sagen, dass der Stuhl farblich zum Mopp passt, da kann man dem Designer keinen Vorwurf machen. Doch die Models erkennen sogar noch mehr. "Man fühlt sich wie ein Kunstwerk", glaubt etwa Lea. "It's a Piece of Art", urteilt Grace über ihr "Outfit", für das man das Model einfach durch zwei Leinwände gedrückt hat, und auch Heidi Klum ist der Meinung, "Mode und Kunst in einem" in Zambonis "Klamotten" gesehen zu haben. Ja, eigentlich müsste "Germany's Next Topmode" nicht bei ProSieben, sondern bei Arte laufen.
Julian hat Knöchel
Nur die Zwillinge Julian und Luka tun sich mit Zambonis Kunst ein wenig schwer, allerdings aus überraschenden Gründen: "Diese Wimpern sehen halt abartig feminin aus und das ist halt gar nicht mein Look", findet Luka und auch an Bruder Julian "kratzt es", wenn er sich vorstellen würde, dass er "am Ende aussieht wie eine Frau", schließlich sei er keine Frau. Aha. Julian packt aber noch ein weiteres Problem obendrauf, denn wegen einer alten Knöchel-Verletzung könne er nicht in hohen Schuhen laufen. Der Designer nimmt's mit Unbehagen zur Kenntnis, organisiert widerwillig flache Schuhe.
Dann laufen die Models, so gut man eben als Mumie, Bilderrahmen und Stuhl auf einem Catwalk laufen kann, bis Klum genügend Eindrücke beisammen hat. "Was sagst du zu deinem Outfit?", fragt Klum Jermaine nach seinem Walk und der gibt die einzig richtige Antwort: "Ein Stuhl." "Ich hatte wirklich das Gefühl, es liegt an den High Heels und nicht an seinem Knöchel", petzt der Designer Julians Schuh-Thematik bei der Klum, als die Zwillinge an der Reihe sind, hat aber das Pech, dass Klum das völlig wurscht ist. "Guck mal bitte, wie mega die Zwei aussehen. […] Ich find' die beide gleich stark, wirklich", urteilt Klum über den Walk der Zwillinge. Offenbar liegt es am Designer und nicht an seinen Schuhen.
Schlussendlich muss auch diesmal wieder jemand gehen und da gibt Klum diesmal einen Einblick in den strengen Kriterienkatalog, den sie ihrer Entscheidung zugrunde legt: "Am Ende des Tages ist es auch ein ganz kleines bisschen mein Bauchgefühl", verrät Klum und ergänzt später: "Manchmal kann ich es mir auch selber gar nicht wirklich erklären, wonach ich die Models auswähle." "Es ist nicht einfach", quiekt Gastjurorin Elsa Hosk, als Klum Grace aus der Show wirft, dabei ist eigentlich nichts einfacher, als sich einen Wettbewerb auszudenken und aus einem Bauchgefühl heraus den Daumen zu senken oder zu heben. Schlussendlich muss auch noch Frieder gehen. Wäre Klum doch nur lauter als ein paar Helikopterrotoren.
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