Es ist wieder so weit: Das Dschungelcamp 2020 läuft auf RTL - mittlerweile in seiner 14. Staffel. Zwölf Kandidaten, 16 Tage Camp-Leben und eine ständige Beobachtung durch Kameras. Die Fans vor dem Fernseher warten nur darauf, dass die Emotionen überkochen und etwas Spannendes passiert, denn ein Lagerkoller macht dieses TV-Event erst richtig interessant.
Die "Promis" im RTL-Dschungelcamp verzichten während ihrer Zeit im australischen Outback auf sämtlichen Luxus und auch auf ihre Privatsphäre. Sie schlafen auf Pritschen, sind Extremsituationen ausgesetzt, müssen ihre Ängste bekämpfen und Ekel überwinden.
Noch dazu wird jeder ihrer Schritte von Kameras verfolgt, sie kennen sich gegenseitig kaum oder mögen sich vielleicht nicht und sind dennoch aufeinander angewiesen. Denn wenn bei den Dschungelprüfungen keine Sterne gesammelt werden, muss die Gruppe hungern.
"Sind so viele Menschen auf engstem Raum ohne Privatsphäre über einen längeren Zeitraum zusammengepfercht, ist das der ideale Nährboden für einen Lagerkoller. Denn genau das sind die Grundvoraussetzungen, dass es zu diesem Phänomen kommt. Wenn sich die Menschen dann auch noch nicht unbedingt sympathisch sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Situation eskaliert", erklärt Psychologe Michael Krämer von der FH Münster.
Psychische Ausnahmesituation Lagerkoller
Der Lagerkoller äußert sich bei jeder Person unterschiedlich und auch die Hemmschwelle für eine Überreaktion ist von Mensch zu Mensch verschieden. Ruhige und ausgeglichene Menschen haben dabei eine höhere Stresstoleranz als Menschen, die aggressive Tendenzen in ihrer Persönlichkeitsstruktur aufweisen.
"Los geht es in der Regel mit Unwohlsein gefolgt von aggressivem Verhalten bis hin zum offenen Konfliktaustrag. Auch Kleinigkeiten können das Fass zum Überlaufen bringen. Wenn eine betroffene Person sich der Situation nicht entziehen kann, droht die Eskalation", so der Experte. Die psychische Ausnahmesituation wird zum Beispiel in Form von Wut, Angst, Verzweiflung, Aggression oder Niedergeschlagenheit ausgedrückt.
Lagerkoller gehört zum Dschungelcamp-Programm
Es gibt jedoch Wege und Möglichkeiten, um einen Lagerkoller gar nicht erst entstehen zu lassen. "Ein gemeinsames Ziel kann helfen. Wenn in der Gemeinschaft daran gearbeitet wird, ist das äußerst hilfreich. Jeder bekommt eine Aufgabe zugeteilt und man befindet sich im intensiven Kommunikationsaustausch. Wenn jedoch jemand aus der Gruppe versucht, nur sein eigenes Ding zu machen und mit allen anderen in die Auseinandersetzung geht, sind Konflikte schnell programmiert", erklärt Krämer.
Der Experte ist sich sicher, dass RTL einen Lagerkoller aber gar nicht vermeiden will. "Wenn die Leute friedlich miteinander umgehen würden, wäre das für die TV-Zuschauer todlangweilig. Es wird erwartet, dass es zu unangemessenen Verhaltensweisen und Gefühlsausbrüchen kommt, denn das erzeugt Spannung und garantiert Quoten."
Gefängnisse, Kasernen, Massenunterkünfte: Auch hier herrscht Lagerkoller
Nicht nur im RTL-Dschungelcamp gibt es den Lagerkoller. Man kennt diesen vorübergehenden psychischen Erregungszustand zum Beispiel auch aus Gefängnissen, Kasernen, Katastrophenschutzlagern oder Massenunterkünften wie zum Beispiel Flüchtlingslagern.
"Die Stimmung ist unter solchen Umständen oft angespannt. Die Menschen haben keine Wahl – sie müssen dort sein. Durch das erzwungene Zusammenleben werden sie in ihrer Freiheit und Selbstbestimmung eingeschränkt", sagt Krämer.
Außerdem fehle es an Privatsphäre und einer Perspektive. "Wenn sich die entstehenden Aggressionen nicht anders bewältigen lassen und der Stress zu groß wird, kommt es zum Kontrollverlust und im schlimmsten Falle zu Verletzungen von sich selbst oder anderen."
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