Gut zwei Wochen sind seit Staffel 11 von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" vergangen und RTL presste gestern Nacht mit einem Dschungelcamp-"Nachspiel" noch ein paar letzte Marktanteile aus dem Format heraus. Zuvor jedoch drehte Oliver Kalkofe das Ekel-Fernsehen in einem "Dschungelbuch-Spezial" bei Tele 5 noch einmal durch die Mangel. Warum er das tat? Weil es bitter nötig ist.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" ist schon ein Phänomen. Was gab es bei der ersten Staffel noch für einen Aufschrei. Von allen Seiten hämmerte es Empörung. Von "Ekelfernsehen", "Verletzung der Menschenwürde" und Voyeurismus war die Rede. Auch der Tierschutz wurde ins Feld geführt. Und heute?

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Inzwischen genießt das Dschungelcamp den Ruf, beste Fernsehunterhaltung zu sein – nicht zuletzt aufgrund der ironisch-sarkastischen Moderation von Sonja Zietlow und Dirk Bach beziehungsweise nach dessen Tod von Daniel Hartwich. Sogar eine Grimme-Preis-Nominierung war drin. 2017 ist es längst in Ordnung, Promis beim Tiergenitalien essen zuzusehen und über den Zynismus der Moderatoren zu lachen. Schließlich sind die "Stars" mit ihrer Gier nach ein paar Minuten Ruhm ja selbst schuld.

Überhaupt hat bei diesem Ekel-Festival offenbar jeder seinen Platz gefunden: die Moderatoren, die Kandidaten, der Sender, die Zuschauer und auch die berichterstattenden Medien. Das Dschungelcamp gehört inzwischen zum akzeptierten Allgemeingut, dabei hat sich die Show überhaupt nicht verändert, sondern lediglich ihre Wahrnehmung. Die Kritik ist trotzdem schon lange verstummt.

Oliver Kalkofe: Rächer des guten Geschmacks

Nicht ganz. Beim kleinen Sender Tele 5 gibt es noch jemanden, der will das nicht wahrhaben: Oliver Kalkofe. Der selbsternannte Fernsehpolizist kämpft seit Jahren gegen schlechte Fernsehunterhaltung und bei seinem gestrigen "Kalkofes Dschungelbuch Spezial" hat er sich noch einmal das Dschungelcamp 2017 erst vor- und es dann auseinandergenommen.

Und wer Kalkofe kennt, der weiß, dass er Zimperlichkeit nicht in seinem Werkzeugkasten hat. In seiner gewohnten Mischung aus Einspielern, Parodien und deftigen Kommentaren drischt er auf die Teilnehmer, die Moderatoren und vor allem auf die Show selbst ein. Die Wahl seiner Waffen fällt dabei wie immer nicht auf das elegante Florett, sondern auf die brachiale Streitaxt, begleitet von einer guten Handvoll Fäkalsprache.

Kalkofes Kritik ist daher nicht der spitze Seitenhieb, sondern zielt immer direkt aufs Kinn. Das klingt dann mitunter so: "Hallo liebe Zuschauer und Juhu. Der zweiwöchige Gammelpromi-Gulag ist endlich vorüber. Der Kackbratzen-Campus hat seine halbverdauten Fame-Gewölle wieder zurück in die Zivilisation erbrochen."

Kalkofe gegen das Blöd-TV-System

Solch grobe Hiebe haben zwar eine enorme Streuung, trotzdem erwischt Kalkofe fast immer den Kern des Problems: das Arrangement, das jedes Jahr eine Handvoll aufmerksamkeitsgieriger Promis mit den sich überlegen fühlenden Moderatoren und ihrem Sender und dem gaffenden Zuschauer zulasten guter Fernsehunterhaltung eingeht.

Kalkofe macht sich dabei nicht einfach nur über die "Prominenzimitatoren" und ihr wenig geistreiches Treiben lustig. Das wäre so herausfordernd wie Dynamit-Fischen, denn dazu braucht man nur eine x-beliebige Szene aus dem Camp zeigen. Stattdessen kritisiert Kalkofe das ganze System, das sich über die Aufmerksamkeitssucht lustig macht, aber selbst ganz gut davon lebt.

Fragen Sie Ihren Pfarrer oder Therapeuten

Nun kann man dem Kritiker Kalkofe wiederum vorwerfen, dass auch er mit solchen Sendungen seinen Platz im von ihm kritisierten Dschungelcamp-Universum gefunden hat, aber damit liegt man falsch. Irgendjemand muss ja den Finger in die Wunde legen und beim Namen nennen, welche Grütze uns RTL da jedes Jahr serviert und dass sich der Zuschauer das eben nicht gefallen lassen muss. Auch nicht unter dem Deckmantel des "mal-vom-Alltag-abschalten-Wollens". Und erst Recht nicht mit dem Argument, "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" sei Premium-Unterhaltung. Ist es nämlich nicht.

Da sich der Zuschauer aber genau das seit Jahren weismachen lässt und dem Treiben immer wieder zuguckt, nimmt Kalkofe die Dschungelcamp-Gucker von seiner Kritik nicht aus: "Warum Sie zuhause sich dieses menschenverachtende Niveau-Limbo immer wieder ansehen und sich über dieses Witzfiguren-Waterboarding auch noch amüsieren, das sollten Sie besser mit Ihrem Pfarrer oder Therapeuten klären. Ich jedenfalls, ich schäme mich für Sie."

Denn wenn man als Zuschauer das Treiben der "Prominenten-Darsteller" auch noch durch Zugucken belohnt, dann muss man sich nicht wundern, wenn diese irgendwann die Fernsehlandschaft komplett übernehmen, erklärt Kalkofe in einem ernsten Moment: "Wenn solche amoralischen Androiden-Wesen dadurch erst bekannt werden und uns von nun an immer wieder und überall unaufgefordert aus jeder Medienritze kriechend heimsuchen werden – also das ist den ganzen Spaß doch wirklich nicht wert." Eine Warnung, die man um seines Verstandes willen ernst nehmen sollte.

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