Viele deutsche Verbraucher haben blindes Vertrauen in Nivea. Doch der ARD-"Markencheck" legt nahe, dass ein wenig mehr Skepsis gegenüber der Traditionsmarke nicht schaden könnte. Das gilt vor allem für Allergiker.
Die Dokureihe nahm am 1. Juli um 20:15 Uhr die wohl traditionsreichste Kosmetikmarke Deutschlands unter die Lupe. "Nivea genießt blindes Vertrauen beim Verbraucher", erklärt der Markensoziologe Arnd Zschiesche eingangs in der WDR-Sendung. "Das ist das Höchste, was eine Marke schaffen kann." Doch ist dieses Vertrauen gerechtfertigt?
Betrachtet man allein die Qualität der Produkte, lautet die Antwort ja. Die Haut- und Haarpflegeprodukte, Sonnencremes sowie Deodorants, die Beiersdorf unter der Dachmarke Nivea vertreibt, schneiden in den Markencheck-Tests tatsächlich meist besser ab als vergleichbare Produkte. So verleiht ein von Nivea als "Diamond Gloss" vermarktetes Shampoo dem Haar mehr Glanz als vergleichbare Produkte, wie ein Test in einem wissenschaftlichen Labor ergibt.
Allerdings sind die Rahmenbedingungen, die die Journalisten Benjamin Best und Edith Dietrich für ihre Konsumententests wählen, oft fraglich. Meist vergleichen sie die eher hochpreisigen Nivea-Produkte mit günstigeren Artikeln von Hausmarken diverser Drogerieketten oder Discounter. Da wäre es nahe liegender gewesen, Markenprodukte aus einem vergleichbaren Preissegment zu wählen.
Nivea hält eigenen Verhaltenskodex nicht ein
Aber wie steht es mit den Arbeits- und Produktionsbedingungen bei dem Kosmetikkonzern? Auch hier kommen die WDR-Journalisten zunächst zu einem positiven Ergebnis: Die über 5.000 Nivea-Mitarbeiter in Deutschland erhalten Löhne nach Tarif. Zudem produziert Beiersdorf den Großteil der Nivea-Produkte für den deutschen Handel auch tatsächlich in Deutschland.
Gerade bei einer Marke, die sich Verantwortung und Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt, darf jedoch auch ein Blick auf die Zulieferfirmen und internationalen Produktionsstätten nicht fehlen. In Indien drehen die Journalisten mit versteckter Kamera in einer Fabrik, die Nivea-Produkte unter fragwürdigen Bedingungen herstellt: Leiharbeiter arbeiten dort Zwölf-Stunden-Schichten an sechs Tagen pro Woche – ein klarer Verstoß gegen Niveas eigenen Verhaltenskodex.
Auf eine alarmierende Nebenwirkung von Nivea-Artikeln stoßen die Reporter schließlich bei einem Besuch beim Hautarzt: Eine der Hautcremes von Nivea enthält einen allergieauslösenden Konservierungsstoff, der zu Hautreizungen und Ausschlägen führen kann. Dermatologen in Deutschland registrieren immer mehr Sensibilisierungen auf Methylisothiazolinon, das Nivea ausgerechnet in seinen "Pure & Natural"-Hautcremes verwendet. Besonders unappetitlich: Dieser Konservierungsstoff findet sich normalerweise in einer ganz anderen weißen Flüssigkeit – in Wandfarbe. (cgs)
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