Vor drei Jahren infizierte Podcasterin Lottie (Visa Vie) sich mit Corona und leidet seitdem an Long Covid. Ihre Reichweite in den sozialen Medien nutzt sie seitdem unter anderen, um auf gesundheitsrelevante Themen, wie etwa die Vorteile von Atemschutzmasken, aufmerksam zu machen – nicht jedoch ohne entsprechende Kritik von Maskengegnern und Pandemie-Leugnern zu erhalten.

Ein Interview

Lottie, seit unserem letzten Interview sind anderthalb Jahre vergangen. Damals haben Sie uns einen Einblick in Ihr Leben als chronisch Erkrankte gegeben. Wie ist es Ihnen in den letzten 1,5 Jahren gesundheitlich ergangen?

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Lottie: Im Vergleich zu unserem Gespräch vor anderthalb Jahren geht es mir heute tatsächlich etwas besser, was wahnsinnig schön ist, sich aber leider nicht auf alle Bereiche meiner Gesundheit bezieht. Zumindest aber bezüglich der Fatigue, der Belastungsintoleranz, hat sich das Level etwas nach oben verschoben. Ich bin zwar noch immer weit von meiner früheren Kraft und Energie entfernt, aber ich merke, dass mich ein Spaziergang etwa nicht mehr so fordert, wie damals. Energietechnisch hat sich also etwas getan, was mich unfassbar dankbar macht.

Es gibt aber auch ein kleines Aber: Alles rund um meine Herzmuskelzellen schwebt noch immer wie ein Damoklesschwert über mir. Die Prognose ist nach wie vor sehr schwammig und niemand weiß, warum seit nunmehr drei Jahren meine Herzmuskelzellen absterben und wie tief der Schaden in meinem Gewebe sitzt. Im Vergleich vor meiner Situation vor anderthalb Jahren habe ich mich – nach inzwischen fast drei Jahren der Erkrankung – aber mit vielen Dingen arrangiert, sodass sie auf eine merkwürdige Weise für mich zur einer Form der Normalität geworden sind.


"Ich lebe mein Leben und versuche, im Rahmen meiner Möglichkeiten, glücklich zu sein, aber hin und wieder holt mich dann doch ein brutaler Reality-Check ein."

(Podcasterin Lottie über ihr Leben mit Long Covid)

Damals haben Sie folgendes gesagt: "Ich habe leider sehr oft Angst, auch Todesangst, und habe sehr oft eine riesengroße Traurigkeit in mir, dass ich meine Gesundheit verloren habe und dass mein Leben nie wieder so sein wird, wie es einmal war." Fühlen Sie heute auch noch so?

Zu dieser Zeit haben mich diese Gefühle und Gedanken deutlich öfter gepackt. Heute gibt es sie auch noch, jedoch in viel größeren Abständen. Erst kürzlich war ich mit Blick auf anstehende Untersuchungen wahnsinnig verängstigt und verzweifelt. Denn das konstante Absterben meiner Herzmuskelzellen bringt schlichtweg schlechte Prognosen mit sich, die mir kurzzeitig immer mal wieder den Boden unter den Füßen wegreißen.

Ich lebe mein Leben und versuche, im Rahmen meiner Möglichkeiten, glücklich zu sein, aber hin und wieder holt mich dann doch ein brutaler Reality-Check ein. In diesen Momenten kommen die Gefühle, die ich damals beschrieben habe, wieder hoch. Trotzdem kann ich sagen, dass diese Breakdowns mich nicht mehr so häufig heimsuchen, wie damals. Ich habe also weniger Todesangst, bin aber an manchen Tagen dennoch sehr traurig.

Sie nutzen Ihre Reichweite in den sozialen Medien, um auf chronische Erkrankungen wie Long Covid aufmerksam zu machen. Nicht selten erreichen Sie in diesem Zusammenhang Kommentare oder Nachrichten wie "Nimm endlich die Maske ab – es ist so albern". Was machen Reaktionen dieser Art mit Ihnen?

Sobald ich ein Foto oder ein Video von mir mit einer Maske poste, was häufig passiert, erhalte ich Nachrichten dieser Art. Dabei war der Wortlaut in der von Ihnen zitierten Nachricht noch harmlos. Eigentlich möchte ich, dass mich all diese Kommentare weniger triggern und mich weniger wütend und traurig machen. Aber ich bin nach wie vor sprachlos. Denn Atemschutzmasken sind eine Art Hygieneartikel, die Menschen tragen und die nichts mit dem Leben jener zu tun haben, die das kritisieren.

Insofern verstehe ich nicht, warum einige Menschen es auf sich beziehen, dass andere Menschen eine Maske tragen. Deswegen werde ich nicht müde, aufzuklären, dass das Tragen einer Maske nicht per se etwas mit Covid oder irgendwelchen Ideologien zu tun hat. Das Tragen einer Maske ist eine private und persönliche Entscheidung für die Gesundheit eines Menschen. Insofern wünsche ich mir, dass die Menschen in diesem Land verstehen, dass Masken niemandem weh tun und dass jeder Mensch das Recht hat, sich mit einer Maske zu schützen.

Lottie: Neuer Podcast mit "Geschichten rund um das Leben, den Tod und allem dazwischen"

Hat mit Blick auf chronische Erkrankungen also bei vielen Menschen kein Lerneffekt stattgefunden?

Überhaupt nicht. Meiner Meinung nach hat die Politik in der Kommunikation rund um die Vorteile von Masken versagt und damit meine ich nicht nur bezüglich chronischer Erkrankungen. Vor der Pandemie war ich zum Beispiel permanent erkältet. Dass ich, vollkommen losgelöst von Covid oder schweren Grippeerkrankungen, Atemschutzmasken für mich entdeckt habe, macht mich wahnsinnig dankbar. Denn ich habe seit drei Jahren keine Erkältung mehr gehabt – einer so kleinen Maßnahme sei Dank.

Doch weil manche Menschen glauben, die Pandemie sei eine einzige Verschwörung gewesen, werden gefährliche Narrative geschürt. Umso mehr sehe ich mich selbst als den besten Beweis dafür, wie effektiv Masken sind. Ich ärgere mich nicht über Menschen, die keine Maske tragen. Aber ich ärgere mich über Menschen, die keine Maske tragen und jene angreifen, die eine Maske tragen. Sich dafür angreifen lassen zu müssen, die eigene Gesundheit zu schützen, sagt leider sehr viel über die Gesellschaft aus, in der wir leben.

Vor allem in der True-Crime-Szene sind Sie als Podcasterin sehr bekannt. Am 31.10. ist Ihr neuer Podcast "Plot House" gestartet. Was erwartet uns, wenn wir die Tür zum Plot House öffnen?

Hinter einer Tür verbirgt sich auf jeden Fall True Crime mit vielen spannenden Geschichten. Denn dieses Genre wird mich immer interessieren und begleiten. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Türen, hinter denen sich Geschichten rund um das Leben, den Tod und allem dazwischen verbergen. In dem Podcast geht es um übernatürliche Storys bis hin zu Verbrechens- oder Survivalgeschichten. Ich erzähle Geschichten von Katastrophen, über unglaubliche Biografien, aber auch Liebesgeschichten. Kurzum: Es wird hier und da auch mal eine Geschichte mit einem Happy End geben, aber nicht häufig (lacht).

Sie sind eine der bekanntesten Podcast-Storytellerinnen im deutschsprachigen Raum – erhöht das entsprechend den Druck mit Blick auf ein neues Podcast-Projekt?

Ich war in den vergangenen Monaten sehr aufgeregt und habe auch Druck verspürt, keine Frage. Als ich aber begonnen habe, den Podcast zu produzieren, hat sich alles total richtig angefühlt und der Druck war wie verflogen. Alles hat Sinn ergeben und mein Team stärkt mich dabei sehr. Neben Folgen, in denen ich einen Gast oder eine Gästin empfange, werden regelmäßig Episoden erscheinen, die ich alleine moderiere. Sowohl die Solo- als auch die Gastfolgen haben sich für mich gut angefühlt – dabei ist das Zusammenspiel mit unterschiedlichen Gästen für mich spannend und überraschend. Insofern ist das neue Format auf eine wunderbare Weise herausfordernd.


"Je echter die Formate also sind, umso mehr liebe ich sie."

Lottie über die Faszination Trash-TV


In Sachen Podcast gehört True Crime zu den beliebtesten Kategorien. Entsprechend viele Formate gibt es inzwischen auf den einschlägigen Portalen – gibt es Ihrer Meinung nach zu viele True-Crime-Podcasts auf dem Markt?

Jeder Podcast hat seine Berechtigung und alle Menschen, die über True Crime sprechen wollen, dürfen das natürlich tun. Ich persönlich stelle aber fest, an manchen Stellen gar nicht mehr hinterherzukommen bei der großen Masse an True-Crime-Podcasts. Nichtsdestotrotz finde ich das Genre noch immer super spannend und ich verstehe, warum es so erfolgreich ist. Für mich persönlich war es dennoch wichtig, mich ein Stück weit davon zu emanzipieren und nicht nur für True Crime zu stehen. Insofern werde ich mit einem Bein immer in der True-Crime-Welt stehen – mit dem anderen halte ich mir nun aber auch eine andere Tür auf, was mich sehr glücklich macht.

Neben Ihrer True-Crime-Liebe schlägt Ihr Herz noch für ein weiteres Unterhaltungs-Phänomen unserer Zeit: Reality-TV. Was fasziniert Sie so sehr an Trash-TV?

Als ich krank wurde, habe ich gemerkt, dass Reality-TV sich für mich wie ein kleines Pflaster anfühlt. Die Probleme und Herausforderungen der Reality-TV-Darsteller schaffen es, mich für einen Moment von meinen Problemen im Hier und Jetzt abzulenken und mich in eine andere Welt zu entführen. Reality-TV hat mich schon immer fasziniert, schon vor 20 Jahren habe ich "Big Brother" geliebt und finde den Aspekt, Menschen beim Menschsein zuzuschauen, total faszinierend. Je echter die Formate also sind, umso mehr liebe ich sie. Insofern ist Trash-TV gewissermaßen wie Medizin für mich und aus dieser Begeisterung ist auch ein weiterer Podcast entstanden …

… "Radio Island" mit Max Richard Leßmann.

Genau. Der Podcast hebt das Ganze auf eine weitere Ebene und Max und ich sind ein Teil dieser Community geworden. Wir sprechen im Rahmen der Episoden mit den Reality-Darstellern und leben unseren kleinen Reality-TV-Traum. So tragisch es ist, aber wäre ich vor drei Jahren nicht so schwer erkrankt, würde ich vermutlich noch tiefer in dieser Welt stecken. Denn mich haben diverse Anfragen für verschiedene Formate erreicht. Umso dankbarer bin ich für "Radio Island" und das, was uns dieser Podcast ermöglicht.

Könnten Sie sich in einer Welt, in der Sie gesund wären, vorstellen, an einem Format wie "Promi Big Brother" oder "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus" teilzunehmen?

Nein. Vor einigen Jahren hätte ich diese Frage womöglich noch anders beantwortet. Ich habe in den vergangenen Jahren aber festgestellt, mich gar nicht so gerne vor der Kamera zu bewegen. Mein Medium ist die Sprache und Audioformate mag ich mehr als Videoformate. Insofern würde es mich vermutlich wahnsinnig machen, in einem Format die Kontrolle abgeben zu müssen, indem ich mich 24/7 filmen lasse. Deswegen fühlt es sich für mich richtig an, das Ganze nur zu beobachten.

Wenn Sie sich auf ein Reality-Format festlegen müssten – welches wäre das?

Ich glaube, es wäre "Das Sommerhaus der Stars". Dieses Format löst eine Art von Glück in mir aus, wie es kaum eine andere Show schafft. Das mag bedenklich klingen, weil im Rahmen des Formats natürlich sehr viel Unglück, Streit und Dramen passieren. Doch die Mischung aus dem kuriosen Cast und den absurden Situationen, in denen sich die Leute befinden, ist einzigartig. Dass sich im Haus beispielsweise in einer besonderen Intensität um eine Banalität wie Frischkäse gestritten wird, lenkt mich möglicherweise kurzzeitig von meinen eigenen Problemen ab. Dabei leide und lache ich mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen – und schäme mich an der einen oder anderen Stelle auch ein wenig mit ihnen (lacht).

Über die Gesprächspartnerin

  • Lottie, auch bekannt als Visa Vie, ist eine deutsche Podcasterin, Moderatorin und Autorin. Sie moderierte in der Vergangenheit für den Radiosender Kiss FM und das Rap-Magazin 16bars.de. Nach dem Ende des erfolgreichen True-Crime-Podcasts "Weird Crimes" ist seit dem 31.10. ihr neuestes Podcast-Projekt "Plot House" auf den gängigen Podcast-Plattformen streambar.
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