Wir müssen reden. Über Sie, über mich, über Bill und Tom Kaulitz, über jeden Einzelnen von uns. Außerdem über Sprachlosigkeit, übers Protestieren, über die Zukunft, über den Podcast "Kaulitz Hills", über Lautstärke im Podcast "Kaulitz Hills", über das Schlechte in uns und natürlich über Airlines für Tiere. Denn es ist Zeit, ein Missverständnis aufzuklären.
Fangen wir diesmal vorne an. Es war vor ein paar Monaten, da bat mich die Redaktion, mir doch den Podcast der Kaulitz-Brüder
So viel zum Hintergrund. Doch nun dazu, warum diesmal oben statt "Eine Satire" "Meine Meinung" steht. Zum einen, weil es in dieser Woche zum ersten Mal so ist, dass mir nichts Satirisches eingefallen ist. Ich habe die Folge gründlich durchgehört, aber irgendwie haben Tom und Bill Kaulitz diesmal nichts gesagt, das mich inspiriert hat. Das ist natürlich nicht Bills oder Toms Schuld, sondern meine, aber so ist es nun einmal. Der zweite Grund mag darin liegen, dass mir, so ehrlich muss ich sein, die Ergebnisse der Europawahl und das Davor und Danach noch arg im Magen liegen, doch dazu gleich mehr.
Der dritte Grund, warum es diesmal keine Satire gibt, hat seinen Ursprung in der vergangenen Woche. Dort erzählte Tom nämlich, er habe eine Ausgabe dieser Satire gelesen, in der kritisiert wurde, dass er und sein Bruder die Idee einer Airline für Tiere toll finden. Tom erfreute sich an der Art, wie diese Kritik formuliert wurde, glaubte aber gleichzeitig, ich würde die beiden Brüder "möglichst dumm darstellen wollen". Die Zwillinge denken nämlich, ich würde ihnen nicht zutrauen, den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Fliegen zu verstehen. Allerhöchste Zeit also, dieses Missverständnis aufzuklären.
"Möglichst dumm darstellen"? Nee
Ich glaube, dass Bill und Tom Kaulitz zwei wirklich sehr nette Menschen sind. Zur Erinnerung: Heute gibt es keine Satire, ich meine das vollkommen ernst. Auch wenn die beiden für meine Verhältnisse in ihrem Podcast immer so laut und schnell reden, dass mir die Ohren klingeln, haben die beiden doch das Herz am rechten Fleck und werben für das Gute. Das ist jedenfalls mein Eindruck, das Klingeln in den Ohren ist mein Problem. Wenn die beiden also denken, ich würde sie "möglichst dumm darstellen wollen", dann liegt das womöglich an der erwähnten satirischen Aufarbeitung, hat aber vor allem folgenden Grund.
Ich traue den beiden nämlich durchaus zu, den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Fliegen verstanden zu haben. Ich habe lediglich den Eindruck, dass sie nicht die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis ziehen, zum Beispiel, wenn sie von ihren vielen Flügen erzählen oder wenn sie mehr Airlines für Tiere fordern.
"Aber was ist denn, wenn ein Tier fliegen muss? Dann ist es doch gut, wenn es in der Luft von Spezialisten umsorgt wird?", wird da der eine oder die andere einwerfen. Spoiler: Kein Tier der Welt muss fliegen, vom Wollen ganz zu schweigen. Wenn Tiere fliegen sollen, dann, weil ihre Besitzer das wollen und nicht die Tiere. Tiere sind bisher ganz gut ohne Fliegen zurechtgekommen. Von Vögeln einmal abgesehen.
Um nun einem weiteren Missverständnis vorzubeugen: Es geht nicht darum, ein perfektes, weil klimaneutrales Leben zu führen, das bekommt niemand von uns hin. Es geht darum, zu erkennen, dass nicht alles, was bisher möglich war, weiterhin möglich sein wird. Dass wir über unsere Verhältnisse gelebt und uns Dinge erlaubt haben, die uns nun selbst schaden.
Und es geht darum, dass die Erkenntnis des Problems nicht reicht. Sie reicht nicht bei Bill und Tom Kaulitz, sie reicht bei niemandem von uns. Die Erkenntnis erfordert Handeln und das ist genau der Grund, warum mir die Ergebnisse der Europawahl Angst machen und warum sie jedem Angst machen sollten.
Was wir brauchen und was nicht
Denn die Wahlergebnisse haben vor allem den Parteien Zulauf verschafft, die an einem "Weiter so!" festhalten. Die mit Rezepten von gestern die Probleme von morgen lösen wollen und das, obwohl die Rezepte von gestern die Probleme von morgen doch erst verursacht haben. Und es hat den Parteien Zulauf verschafft, die überhaupt keine Rezepte haben, keine von gestern und erst recht keine für morgen. Die stattdessen auf etwas ganz Anderes setzen und das ist das, was ich am wenigsten verstehen kann.
Ich befürchte nämlich, dass die Parteien nicht, wie so oft behauptet, aus Protest so viel Zulauf erfahren. Wenn ich gegen etwas protestieren will, dann gehe ich, nun ja, eben protestieren und nicht wählen. Denn beim Wählen entscheide ich mich nicht gegen etwas, sondern für etwas.
Und wenn Menschen diese Parteien wählen, dann wählen sie nicht nur Parteien ohne Lösungen, sondern solche, die das Schlechte, das in jedem Menschen steckt, von innen nach außen holen: Neid, Hass, Wut, Egoismus, Häme, Niedertracht und noch vieles mehr. Und ich kann es deshalb am wenigsten verstehen, weil all diese schlechten Gefühle zuallererst das eigene Leben vergiften. Ich frage mich, was das für eine Zukunft ist, die man sich da für sich und seine Kinder wünscht, wenn man diese Parteien wählt.
Denn wir brauchen keinen Neid, keine Angst, keinen Hass, keine stumpfen Parolen und einfache Lösungen. In jedem von uns steckt mehr als das. Wir brauchen nicht den Glauben, alles haben zu können, was wir in der Vergangenheit hatten. Wir brauchen keine Klimawandel-Leugner, keine Rechtsextremen und erst recht keine rechtsextremen Klimawandel-Leugner.
Was wir stattdessen brauchen, sind Mut, Mitgefühl und Freundlichkeit. Wir brauchen ausgebreitete Arme und hochgekrempelte Ärmel. Und wir brauchen die Kaulitz-Brüder. Sie sollen Nonsens reden, Witze reißen, Unterhaltung machen, getreu dem Motto "Wer keine Witze macht, hat den Ernst der Lage nicht erkannt". Sie sollen weiter für das Gute werben, weil ihre Worte und Taten Gewicht haben. Nur eine Airline für Tiere, die brauchen wir nicht. In diesem Sinne: Only love! Don’t hate!
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.