Gut zehn Jahre nach ihrem "DSDS"-Sieg gehört Beatrice Egli zu den absoluten Superstars des deutschen Schlagers. Mit ihrem neuen Album "Balance", das am Freitag erscheinen wird, wagt die 35-jährige Schweizerin musikalisch gesehen einen "kompletten Neuanfang", wie sie im Interview mit unserer Redaktion verrät.

Ein Interview

Frau Egli, vor etwas mehr als zehn Jahren haben Sie "DSDS" gewonnen und sind bis heute aus dem Schlager nicht mehr wegzudenken. Wie ist es Ihnen gelungen, die richtige "Balance" zu finden, um es mit dem Titel Ihres neuen Albums auszudrücken?

Beatrice Egli: Natürlich habe auch ich sie noch nicht gefunden, denn ein Rezept für die Balance gibt es nicht. Es geht darum, sie immer wieder zu suchen und dann hoffentlich zu finden. Für diesen Weg dorthin steht mein Albumtitel. Balance ist nichts Beständiges, man muss sie jedes Mal neu für sich entdecken.

Um erfolgreich zu bleiben, muss man sich immer wieder neu erfinden. Haben Sie das getan?

Ja, nach zehn Jahren habe ich einen kompletten Neuanfang gestartet und mein Team verändert: neue Plattenfirma, neues Management, neues Produzententeam, neue Komponisten und neue Liveband. Ich habe nahezu bei null angefangen. Und das bedeutete für mich, volles Risiko zu gehen und die Albumproduktion mit einem "Mutausbruch" zu beginnen. So lautete zunächst auch der Arbeitstitel des Albums. Irgendwann habe ich aber gespürt, dass ich vor lauter Mut haben wieder in eine gewisse Ruhe kommen möchte. Es liegt ja auf der Hand, dass man erst einmal aus der Balance kommt, wenn man Neues wagt und das Vertraute komplett hinter sich lässt.

War dieser Prozess auch mit gewissen Ängsten verbunden?

Auf der einen Seite ist alles aufregend und kribbelnd, auf der anderen Seite spürt man Unsicherheit und auch gewisse Ängste, ja. Ich bin aber jemand, der dieses Gefühl liebt. Ich habe keinen Neuanfang gemacht, um jemandem etwas beweisen zu müssen. Der Neuanfang hat in mir begonnen, weil ich gespürt habe, dass ich mich vor allem musikalisch weiter kennenlernen möchte. Während der Pandemie habe ich das Matterhorn bestiegen. Das hat etwas mit mir gemacht, denn ich spürte, wie sehr ich die Musik vermisse – und es vermisse, in der Musik an meine Grenzen zu gehen und über mich hinauszuwachsen. All das habe ich bei diesem neuen Album getan. Ich habe musikalisch das Matterhorn bestiegen.

"Meine wichtigste Erkenntnis ist: Ich habe so viel Vertrautes losgelassen und dabei so viel Vertrauen in mich gewonnen."

Beatrice Egli

Inwiefern hat sich Ihre Musik verändert und welche Schritte empfanden Sie als besonders herausfordernd?

Jeder Schritt, den ich gegangen bin, hat für mich viel Überwindung gebraucht. Überwindung, mich neuen Menschen zu öffnen und mich auf sie einzulassen. Meine wichtigste Erkenntnis ist: Ich habe so viel Vertrautes losgelassen und dabei so viel Vertrauen in mich gewonnen. Nach wie vor liebe ich den Schlager und ich glaube, dass ich dem Schlager durch die Veränderung neue Klänge gegeben habe. Ich wollte aber nie die Musikrichtung ändern, sondern nur die Einflüsse. Wenn die Leute erkennen, dass ich mit meiner Musik neue Themen gewählt habe, aber immer noch voll nach Beatrice klinge, dann bin ich glücklich.

"Balance": Das sagt Beatrice Egli über ihr neues Album

Der erste Song auf Ihrem Album heißt "Neuanfang". Sie singen darüber, dass es "noch nie so leicht war, ich selbst zu sein". Ist das kein Widerspruch zu den Überwindungen, die Sie gerade geschildert haben?

Mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre hat sich gar nicht so viel verändert, denn ich bleibe ich. Ich weiß, wo ich herkomme. Ich weiß, was mir guttut. Und ich weiß, was mir wichtig ist. Meine Werte sind die Wurzeln in meinem Leben. Der Unterschied ist, dass nun die Leichtigkeit hinzugekommen ist. Früher hat mir das Gefühl, nie anzukommen, mitunter zu schaffen gemacht. Heute weiß ich, dass es gut so ist. Ich werde nie ankommen. Inzwischen kann ich wirklich mit einer Freude und Leichtigkeit sagen: Es tut gut, dass ich mich selber annehmen konnte. Noch nie war ich so stark verwurzelt wie in meinem aktuellen Lebensabschnitt. Daher war es nie so leicht, ich selbst zu sein. Und dennoch habe ich die äußerliche Baumkrone einmal komplett verändert.

Sie gehen gerne "Volles Risiko". Wie schwierig ist das, wenn man mit steigender Bekanntheit doch immer mehr aufpassen muss, was man sagt und was man tut?

Natürlich weiß man nach zehn Jahren mehr. Man weiß, was man gesagt hat und wie es verwendet werden kann. Aber eines habe ich auch gelernt: Es macht keinen Sinn, mir darüber Gedanken zu machen, wie andere über mich denken. Warum soll ich mich mit Menschen beschäftigen, die aus meinen Sätzen sowieso ihre Sätze bilden? Auch das habe ich mit einer Leichtigkeit abgelegt. Ich werde das Außen nicht ändern können. Aus diesem Grund ist mir das Sinnbild der Wurzeln auch so wichtig: Es hat mich gestärkt und dazu beigetragen, dass mich nichts mehr so schnell erschüttert. Natürlich gibt es nach wie vor Momente, in denen ich Unsicherheit spüre. Aber Unsicherheit ist nichts Schlimmes, sondern führt dazu, dass man sich hinterfragt und vielleicht auf bessere Lösungen kommt. In der Öffentlichkeit zu stehen, bedeutet auch, die Dinge ernst zu nehmen. Daher versuche ich, meine Worte in meinen Songtexten bewusst zu wählen, um Menschen Kraft zu geben.

Sie geben Ihre Antworten also im Tonstudio respektive auf der Bühne – mit Ihrer Musik?

Ja. Ich kann mich entweder den ganzen Tag darüber aufregen, was über mich geschrieben wird oder ich nutze meine Zeit und meine Energie, um Songs und Wörter in die Welt hinauszuschicken, mit denen ich ganz viele Menschen erreichen kann. Viele interessieren sich dafür, was ich denke und was ich sage – und das ist doch etwas Gutes. Dafür stehen Titel wie "Dankbar", "Unvergleichlich" oder "Neuanfang". Menschen Mut zu machen, ihren Weg zu gehen, ihre Einzigartigkeit zu entdecken und dankbar dafür zu sein, was man schon hat: Das möchte ich mit meiner Musik erreichen.

"Ich möchte Gutes in die Welt bringen."

Beatrice Egli

Das ist aller Ehren wert. Doch was entgegnen Sie denjenigen, die behaupten, dass die Realität im Leben eine andere ist?

Natürlich bezeichnen einige den Schlager als realitätsfern. Von mir aus darf jeder den ganzen Tag lang die Realität sehen. Ich nehme mir lediglich die Freiheit heraus, die Menschen bei meinen Konzerten zwei Stunden lang zu entführen und ihnen Energie zu geben. Wenn wir das nicht mehr tun, dann werden wir die restlichen 22 Stunden des Tages nicht erfolgreich meistern und Dinge verändern können. Ich möchte Gutes in die Welt bringen. In dieser Hinsicht hat es mein Album "Balance" in sich: Es macht gute Laune, es lässt vergessen und es weckt Fantasien. Meiner Meinung nach muss die Fantasie in der Kunst Platz haben, denn letztendlich schafft sie Realität.

Das ist dran an den Gerüchten um Florian Silbereisen

Wie autobiografisch ist der Titel "Dankbar"? Es geht um Ihre Dankbarkeit ebenso wie um Fehler, die Sie vielleicht mal gemacht haben, etwa "zur falschen Zeit die falsche Antwort gebracht" …

Ist es etwas Schlechtes, gescheitert zu sein oder habe ich daraus so viel geerntet, dass ich Dinge verändern konnte? Ich sehe es so: Ich wäre heute nicht diese Frau, wenn ich es anders gemacht hätte. Aus meiner Sicht ist diese Erkenntnis die hohe Kunst. Aus diesem Grund habe ich in der limitierten Fanbox des Albums ein Dankbarkeitsbuch gestaltet. Mir war es ein großes Anliegen, schriftlich festzuhalten, wofür man dankbar sein kann. Übrigens mache ich das schon seit vielen Jahren. Ich habe einen ganzen Schrank voll von mir selbst geschriebener Dankbarkeitsbücher.

Wofür sind Sie dankbar?

Als Kind schreibt man, dass man dankbar für ein neues Fahrrad oder eine neue Tasche ist. Heute bin ich dankbar für das Glücksgefühl, das sich aus der Begegnung mit einem Menschen ergeben hat. Ich bin dankbar, dass ich weiß, was ich will. Und ich bin natürlich dankbar dafür, dass ich gesund bin. Das ist ein schöner Prozess.

Sie machen sich in Ihren Songs gegen Bodyshaming stark, positionieren sich deutlich zum Thema mentale Gesundheit. Täuscht der Eindruck oder sind Sie mit der Zeit emotionaler geworden – vor allem mit Blick darauf, wie Sie Songs à la "Ganz egal" vor Publikum performen?

Ich glaube, dass ich davon sehr gut ein Lied singen kann. Es ist meine Geschichte und daher interpretiere ich Songs wie "Ganz egal" aus Überzeugung. Ich kenne alle Seiten des Lebens, habe sie durchlebt.

… und Sie kennen auch die ganzen Gerüchte um Ihre Person. Wie sollen Ihre Fans das Duett "Das wissen nur wir" mit Florian Silbereisen, das Bestandteil Ihres neuen Albums ist, interpretieren?

Florian und ich standen schon häufig gemeinsam auf der Bühne. Unter anderem haben wir den Hit "Tausendmal berührt" in einer Show als Duett gesungen. Während der Pandemie-Zeit verbrachten wir viel Zeit miteinander und überlegten uns, in Zukunft nicht nur zu covern, sondern auch einen eigenen, gemeinsamen Song aufzunehmen. Und egal, was wir tun: Die Zeitungen und das Internet sind sowieso voll mit Berichten über uns. Insofern wollten wir den Spieß einmal umdrehen und einen Song machen, in dem viele der Schlagzeilen über uns vorkommen. Wir nehmen das Ganze also mit Humor (lacht).

Beatrice Egli über ihren Podcast "Egli Extrem"

Sie haben inzwischen einen eigenen Podcast namens "Egli Extrem" ins Leben gerufen. Ist Ihr Bedarf nach vollem Risiko noch nicht gestillt? Das Konzept basiert nämlich darauf, dass Sie im Vorfeld einer Folge nicht wissen, wer Ihre Gesprächspartner und -painnen sein werden?

Ich mache in meinem Leben nur noch Dinge, auf die ich wirklich Bock habe. Bei diesem Podcast werde ich wirklich vor Herausforderungen gestellt. Im Prinzip lebe ich aber eigentlich nur mein Leben. Denn privat bin ich jemand, der gerne offen auf Menschen zugeht, die ich nicht kenne und die mich nicht kennen. Aus diesem Grund wollte ich in meinem Podcast auch keine gestellten Gespräche führen. Zudem bin ich ein Adrenalinjunkie – und so fand ich mich auf einmal in einem Luftschacht wieder. Natürlich wusste ich vorher nicht, welches Erlebnis auf mich zukommen und mit wem ich es teilen würde. Das war schon heftig, ich habe es auch etwas unterschätzt. Gleichzeitig war es schön, mit einem Menschen, den ich vorher nicht kannte, etwas Extremes zu erleben. Wenn man gemeinsam Ängste überwindet, hat man das Gefühl: Wir sind beste Freunde. Darüber sprechen wir anschließend im Podcast und das macht "Egli Extrem" für mich so spannend – sowie der Clou, dass jede Podcast-Folge unter dem Motto eines Songs von meinem Album steht.

Am 21. Juni sind Sie 35 Jahre jung geworden. Sie scheinen es wirklich geschafft zu haben, wenn Sie in diesem Alter bereits nur noch Dinge machen, auf die Sie wirklich Bock haben …

(lacht) Das ist ja nur der eine Teil der Wahrheit, der andere Teil ist, dass ich eigentlich mehr denn je mache. Warum ist das so? Weil ich viel mehr Energie habe. Ich überlege mir, was ich gerne machen würde und dann überlegen wir uns im Team, wie wir das verpacken könnten. Das spürt man auch bei meiner TV-Show, ich bin bei allen Entscheidungsprozessen voll mit dabei. Ja, ich moderiere, habe ein neues Album, gehe Ende des Jahres auf Tournee und habe zudem einen eigenen Podcast. Aber: Alles findet in einem schönen Umfeld mit Menschen, die ich sehr schätze, statt. Das ist ein Geschenk.

Wie war eigentlich das Podcast-Zusammentreffen mit Jeremy Fragrance? Ist er wirklich so "extrem", wie er sich im TV und seinen Videos zeigt?

Ja, er ist genauso, wie man ihn aus seinen Videos kennt. Er ist voll bei sich und weiß genau, was er tut. Dabei ist er sehr höflich, manchmal nachdenklich und dann halt eben auch ein wenig "extrem". Aber daher passt er ja so perfekt zu meinem Podcast "Egli Extrem".

Wenn Sie ein Mitspracherecht bei Ihrem Podcast hätten: Welchen Promi hätten Sie gerne mal an Ihrer Seite?

Ich würde mir Pink wünschen, die ja aktuell in Deutschland auf Tournee ist. Sie ist wie ich ein Adrenalinjunkie und wagt immer wieder Neues. Eine Outstanding-Frau, die mich total inspiriert. Ich würde sie gerne einmal treffen. Träume und Fantasie sind wichtig, es muss nicht alles realitätsnah sein.

Und auf wen könnten Sie in Ihrem Podcast gerne verzichten?

Auf Menschen, die nicht offen sind und sich auf nichts einlassen. Ich finde Menschen nicht spannend, die in Schubladen denken. Natürlich kann es interessant sein, herauszufinden, warum jemand festgefahren denkt. Doch mir persönlich wäre das vielleicht zu eindimensional.

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