Tote Hose im Bett? Viele Paare stehen vor diesem Problem. Sie richten sich ein Standardprogramm zurecht, es knistert nicht mehr wie früher. Sex-Coach Christine Janson gibt Tipps, wie man die Langeweile im Bett überwindet. Sie wagt außerdem einen Ausblick, wie der Sex der Zukunft aussehen wird - inklusive Roboter.
Frau Janson, Sie sind Sex-Coach. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen - sitzen Sie neben den Paaren und weisen sie beim Liebesspiel an?
Nein, so funktioniert das bei mir nicht. Zu mir kommen Paare im Rahmen eines Coaching-Gesprächs. Ich gebe ihnen Anregungen und auch Hausaufgaben, wie sie miteinander mehr Spaß haben können.
Was für Hausaufgaben geben Sie dem Paar?
Gerade wenn man als Paar lange zusammen ist, hat man ein Standardprogramm. Ich möchte die Leute einfach inspirieren, neue Sachen auszuprobieren. Im Sommer sind zum Beispiel Spiele mit Eiswürfel etwas Wunderbares. Ganz einfache Sachen, gar nicht so kompliziert. Dass man sie in den Mund nimmt und küsst, man kann sie aber auch in ganz andere Körperöffnungen stecken (lacht). Einfach Anregungen, wie man die Liebe und Sexualität neu beleben kann.
Haben Sie Tipps, wie Paare das Feuer wieder entfachen können?
Das Selbstverständliche – der Partner gehört mir – soll nicht mehr so selbstverständlich sein. Paare sollen sich nicht ständig sehen. Jeder muss mal wieder etwas für sich machen, andere Leute treffen. Dass man sich auch mit anderen Männern oder Frauen trifft, man muss ja nicht gleich miteinander ins Bett steigen.
Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens, die Paare gehen wieder mehr in die Tiefe. Durch das Standardprogramm kennt man die Lustpunkte des Partners. Das ist auch wunderbar, immer das Gleiche wird aber langweilig. Man hat auch keine Lust, jeden Tag dasselbe zu essen. Zum Beispiel mal den Partner an Körperstellen berühren, an denen man ihn selten berührt, oder mal eine Massage geben. Zweitens, könnte man mal ein wenig neugieriger, mutiger werden. Sex im Freien zum Beispiel. Oder ein erotisches Event zu besuchen, wo auch andere Leute sind.
Liegt es vielleicht auch daran, dass viele Angst haben, den Partner mit ihren Wünschen zu verstören?
Scham und Angst spielen natürlich eine große Rolle. Ich versuche aber, sie den Leuten zu nehmen. Ich will eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, so dass Paare wieder tiefer und ehrlicher miteinander reden. Das kann man oft zu zweit nicht. Weil sie Angst haben zu sagen, dass man es vielleicht ein wenig härter mag oder mal gefesselt werden möchte. Oder eine bei Männern beliebte Fantasie: Viele möchten gerne einen Dreier mit einer anderen Frau. Wünsche brauchen Raum, ausgesprochen zu werden. Und dafür bin ich da, geheime Wünsche und Sehnsüchte zusammen mit dem Paar zu kommunizieren.
Picken Sie die Partner dann einzeln heraus, befragen sie zu den Wünschen und suchen eine gemeinsame Schnittmenge?
Genau, das ist eine Möglichkeit. Manchmal gebe ich beiden auch einen Stift und ein Blatt Papier, auf dem sie fünf Fantasien aufschreiben sollen. Erst schreibt jeder für sich, dann wird es vorgelesen, und wenn man Glück hat, dann gibt es vielleicht sogar ein, zwei gleiche Fantasien. Dann kann man sich direkt daran ausprobieren.
Sie üben den Beruf als Sex-Coach schon seit 16 Jahren aus. Haben sich die sexuellen Fantasien im Laufe der Zeit verändert?
Bei mir selbst habe ich bemerkt, dass durch das Älterwerden andere Wünsche entstehen. Als ich jung war, war Monogamie für mich sehr wichtig. Wenn Paare jung zusammenkommen, denken sie, sie seien sich treu bis in alle Ewigkeit. Aber je mehr Lebenserfahrung man hat, desto mehr will man erleben. Ein ganzes Leben nur mit einer Person ist nicht ganz realistisch. Hier versuche ich Paaren zu helfen. Vielleicht hilft ein Besuch in einem erotischen Club.
Die "sexuelle Revolution" von 1968 hat die sexuellen Fantasien enorm verändert. Hat die heutige Porno-Industrie einen ähnlichen Einfluss?
Sicherlich. Zum Beispiel gehörte Analverkehr früher nicht zum Standardprogramm. Gerade Männer erwarten das von den Frauen, das höre ich oft. Viele sind davon aber überfordert. Es wird vieles als selbstverständlich vorausgesetzt, was nicht selbstverständlich sein muss. Es muss nicht jede Frau Analverkehr mögen. Bei Männern ändert sich die Wahrnehmung durch Pornos oft enorm. Männern, die viele Pornos ansehen, fällt es oft schwer, reale Sexualität als spannend zu empfinden.
Was glauben Sie ist der nächste Schritt in die sexuelle Zukunft?
Auf dem Spielzeugmarkt wird es viel Neues geben. Es gibt jetzt schon Vibratoren, die beide benutzen können oder die mit Fernbedienung funktionieren. Im Technik-Sektor wird es auch wunderschöne weibliche und männliche Roboter geben, die immer mehr den Menschen ähneln. Sex ohne Beziehungsstress (lacht). Oder Pornos, die man sich selbst kreieren und sich einen Avatar erstellen kann. Das ist spannend.
Also eine Art "World of Sexcraft"?
Ich denke schon, viele können sich das aber bestimmt noch nicht vorstellen. Ich glaube, Deutsche sind, was die Technik anbelangt, ein wenig altmodischer. In den USA wird das viel schneller gehen. Es wird eine neue Sexualität geben. Die Möglichkeit, per Internet und Computer miteinander sogar körperlich Sex zu haben.
Frau Janson, vielen Dank für das Gespräch.
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